Hagen. Dank der gesetzlich vorgeschriebenen neuen Servicestelle soll es schneller Termine beim Facharzt geben. Doch für Hagen hat das System Schwachstellen.

  • Neue Servicestelle für Facharztermine geht an den Start.
  • Für Hagen sind Schwachstellen absehbar.
  • Unterschiedliche Erfahrung von Parienten.

Eine Termin-Servicestelle, die Facharzttermin binnen vier Wochen für Patienten garantiert? Speziell für Hagen müsste die ab sofort geltende Regelung () doch eigentlich eine hervorragende Nachricht sein. Neben der viel zu hohen Altersstruktur der hiesigen Mediziner und dem laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) angeblichen Überversorgungsgrad in allen medizinischen Bereichen, warten vor allem an der Volme viele Menschen zu lange auf einen Termin beim Facharzt.

Dass die neue Servicestelle der KV ( 0231/94329444), die heute ihre Arbeit aufnimmt, daran etwas ändern wird, darf man nur vorsichtig erhoffen. Die Regelung ist ein schwammiges Konstrukt – für Hagen gleich in mehreren Punkten.

Psychische Erkrankungen

Auf fast 15 Prozent der Krankschreibungen in Hagen steht eine psychische Diagnose. Tendenz: immer weiter steigend. In Hagen – mit Psychotherapeuten laut KV angeblich überversorgt (140 Prozent) – wartet man laut Friedrich Schmidt, Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes, aktuell drei Monate auf einen Termin. Das Problem: Die neue Servicestelle vermittelt keine Termine zu Psychotherapeuten. Betroffene werden es also weiterhin schwer haben.

Die Distanz

Klappt es nicht, geht es in die Klinik-Ambulanz

Schafft die Servicestelle es nicht, binnen vier Wochen einen Termin für den Patienten zu finden, muss sie ihn an eine Klinik-Ambulanz überweisen – auf Kosten des Budgets ihrer niedergelassenen Fachärzte.

Bei der Servicestelle in Dortmund arbeiten sechs Mitarbeiter.

Die Ärztelobby hat einen Passus durchgesetzt, der besagt, dass die nächste Praxis eines Facharztes mit freiem Termin in „zumutbarer Entfernung“ liegen kann. Genauer gesagt: 30 Minuten entfernt – mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und nicht etwa von der eigenen Wohnung, sondern von der nächsten Facharztpraxis aus. Wer in der Innenstadt beispielsweise die nächste Kardiologie-Praxis in der Nähe hat, darf also auch nach Witten, Dortmund, Bochum, Lüdenscheid oder Wuppertal geschickt werden. Spezialisierte Fachärzte (z.B. Kinder- und Jugendpsychiater, Fachinternisten oder Radiologen) können bis zu 60 Minuten vom Wohnort des Patienten entfernt sein. Speziell für ältere und schlechter mobile Menschen in Hagen ist diese Regelung eine ziemliche Hürde.

KV mit wenig Leidenschaft

Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben wenig Lust auf den Terminservice und haben in eigenen Erklärungen immer wieder verlautbaren lassen, dass das Problem langer Wartezeiten in der Realität eigentlich gar nicht existiere.

„Das ist absolut nicht so“, sagt zum Beispiel Elke Kampmann von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) in Hagen. Bei der DAK gibt es eine solche Servicestelle schon lange. 19 000 Anrufe jährlich würden davon zeugen, dass Patienten, auch in Hagen, sehr wohl ein Problem haben, zeitnahe Termine zu bekommen.

Nur jeder Zweite macht mit

Ob die Ärzte ihre freien Termine melden wollen, bleibt ihre Sache. Es beruht auf Freiwilligkeit. In der KV Westfalen-Lippe, zu der auch Hagen gehört, machen nur rund 50 Prozent der Mediziner mit. Jeder zweite Arzt in Hagen meldet seine freien Termine also gar nicht erst der neuen Servicestelle.

Reaktionen

Unsere Leser und Facebook-Nutzer reagieren unterschiedlich auf die neuen Servicestellen. „Ich arbeite beim Neurologen und wir sind gespannt, was auf uns zukommt. Man muss dazu sagen, dass die Hausärzte entscheiden, ‘wer wichtig ist’, denn diese drucken einen dafür vorgesehen Code auf die Überweisung“, schreibt uns Leserin Sandy Wegener-Rohde. Melanie Behrendt sucht schon lange einen Termin beim Neurologen. „Ich bekomme keinen vor Sommer.“. Genau wie Christine Klein, die oft zwei Monate warten muss. Während Angelika Jäger bislang keine Probleme hatte: „Ich muss selten lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Es sei denn, ich muss Termine während der Ferien haben, wenn Praxen geschlossen sind.“ Isabelle Bing findet die Regelung überflüssig, weil die Praxen jeden Tag Notfall-Termine frei hätten.