Hagen. . Der Verein Wildwasser setzt sich in Hagen für sexualpädagogische Konzepte in Kindertagesstätten ein. Erziehrinnen werden entsprechend fortgebildet.
- Verunsicherung in den Kitas oft groß
- Erzieherinnen bitten immer häufiger um Unterstützung
- Verein wirbt für Konzepte in Einrichtungen
Mit speziellen Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher will der Verein Wildwasser Hagen Kindertagesstätten helfen, sexualpädagogische Konzepte für die Einrichtungen zu erstellen. Was dahinter steckt, erläutert Petra Rottmann von der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt im Gespräch mit unserer Zeitung.
Wofür braucht es sexualpädagogische Konzepte in Kitas: Ist das ein „Modethema“ oder gibt es konkrete Anlässe?
Petra Rottmann: Es gibt immer wieder Anfragen von Erzieherinnen, die verunsichert sind, wenn sie sexuelle Verhaltensweisen bei Kindern beobachten. Viele Erzieherinnen wissen nicht, wie sie mit ihren Beobachtungen umgehen sollen, weil es kein Konzept in der Einrichtung gibt, das ihnen eine Sicherheit, einen Rahmen bieten würde für den Umgang mit den Verhaltensweisen. Erscheinungsformen kindlicher Sexualität gehören aber zur Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Kindes.
Was verunsichert die Erzieherinnen?
Rottmann: Verunsichert werden Erzieherinnen und Eltern, wenn das kindliche Verhalten deutliche sexuelle Verhaltensweisen aufweist, wie etwa das Erkunden der eigenen Geschlechtsteile oder die von anderen Kindern. Aus Scham oder Verunsicherung werden die wahrgenommenen Handlungen entweder verboten oder „übersehen“. Kinder benötigen jedoch einen pädagogischen, „legitimierten“ Rahmen für ihre Nachforschungen.
Der Bedarf bei den Hagener Kitas ist also vorhanden?
Rottmann: Ja, zu Jahresbeginn meldeten sich einige Hagener Kitas unter anderem bei Wildwasser und baten um Unterstützung bei der Erstellung eines sexualpädagogischen Konzeptes für ihre Einrichtungen. Wir haben die Anfragen gesammelt und beschlossen, uns vor einer Teambegleitung in den Kitas zunächst selbst durch eine Fortbildung auf den aktuellen Stand zu bringen.
Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt ist umgezogen
Wildwasser Hagen (Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt) ist umgezogen. Die neuen Räumlichkeiten befinden sich in der Eugen-Richter-Straße 46 in Wehringhausen. 371013, info@wildwasser-hagen.de.
Telefonische Sprechzeiten dienstags und donnerstags 9 bis 12 Uhr, mittwochs 14 bis 16 Uhr. Termine nach Vereinbarung.
Was haben Sie mehr im Blick: Sexualisiertes Verhalten von Erwachsenen gegenüber Kindern oder auch von Kindern untereinander?
Rottmann: Wildwasser befasst sich in der Schwerpunktarbeit mit beiden Aspekten. Je nachdem mit welchem Thema Eltern oder andere Bezugspersonen sich an uns wenden. Die Erarbeitung eines sexualpädagogischen Konzeptes bzw. eines Schutzkonzeptes für Einrichtungen hat ebenfalls beides im Blick. Solch ein Konzept soll ja eben das Risiko von Übergriffen unter Kindern und die von Erwachsenen an Kindern reduzieren, indem man zum einen den Kindern Regeln für das Miteinander mitgibt und zum anderen Schutzfaktoren für die Einrichtungen aufstellt.
Was spiegeln Ihnen Erzieherinnen, die sich bei Ihnen fortbilden lassen: Bekommen sie von Eltern ein positives oder ein negatives Feedback? Gibt es Kritik, sexualpädagogische Konzepte für Kitas überhaupt anzuwenden?
Rottmann: An den Elternabenden, die ich in Kitas durchführe, wird immer wieder deutlich, dass die Eltern einen sehr großen Bedarf an Informationen zum Thema kindliche Sexualität haben. Denn auch sie werden ja zuhause von ihren Kindern mit Fragen zur Sexualität und Sexualaufklärung konfrontiert, bei denen sie oft nicht wissen, wie sie antworten sollen. Zum Beispiel: Mama, wie bin ich eigentlich in deinen Bauch gekommen? Oder wie bin heraus gekommen? Wir vermitteln Eltern und Erzieherinnen, dass man auf diese Fragen kindgerechte Antworten geben kann.
Wird der Zeitpunkt als zu früh empfunden?
Rottmann: Natürlich gibt es immer wieder Stimmen, die die Meinung vertreten, man würde die Kinder zu früh sexualisieren, indem man das Thema Sexualität aufgreift. Die sind aber deutlich in der Minderheit. Die Mehrheit reagiert erleichtert, wenn man ihre Verunsicherungen ernst nimmt und einen angemessenen Rahmen bespricht, in dem diese kindliche Verhaltensweisen stattfinden können.
Profitieren auch die Kinder?
Rottmann: Ein wichtiger Punkt ist, dass Kinder, die Kenntnisse über ihren Körper haben, selbstbewusster aufwachsen und sich nicht so leicht durch Erwachsene verunsichern lassen, die ihnen einreden wollen, dass sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kinder in Ordnung seien. Aufgeklärte und informierte Kinder können sich in solchen Situationen eher Hilfe holen und auch eher nein sagen, weil die Vermittlung dieser Aspekte zu einem sexualpädagogischen Schutzkonzept dazugehört. Sexualerziehung von Kindern ist ein wichtiger Baustein in der Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt.
Wildwasser ist umgezogen: Was hat sich verändert?
Rottmann: Wildwasser hat sich räumlich verbessert: In den neuen Räumen können nun Angebote parallel stattfinden. Mädchen und junge Frauen oder Bezugspersonen von Betroffenen können hier in geschützter Atmosphäre Einzelberatung in Anspruch nehmen und zur gleichen Zeit finden, ohne gegenseitige Beeinflussung, Präventionsveranstaltungen mit Schulklassen statt. Das war in den alten Räumen nicht möglich. Außerdem sind unsere neuen Räume barrierefrei, das heißt, Menschen mit Handicaps können unsere Einrichtung ohne Umstände besuchen.