Haspe. . Der St.-Bonifatius-Pastor Norbert Wohlgemuth nimmt gerade Witterung für seine neuen Aufgabe auf.

„Ich finde das so klasse hier“, sprudelt aus Norbert Wohlgemuth die pure Euphorie ungekünstelt hervor. Seit April lebt der neue Pastor der katholischen St.-Bonifatius-Gemeinde im Pfarrhaus auf dem „Heiligen Berg“ an der Berliner Straße – mitten im Grünen, mitten im prallen Hasper Leben.

Die letzten 18 Jahre seines Wirkens hat der Geistliche als Leitender Pfarrer des Pastoralverbundes Sintfeld-Diemeltal im Raum Marsberg zwischen den Landgemeinden Essentho, Meerhof, Oesdorf und Westheim seine Spuren hinterlassen, bevor es ihn jetzt mit 54 Jahren Lebenserfahrung an den Kreisel verschlug. Begleitet von reichlich Unverständnis und Kopfschütteln in seinem privaten Umfeld: zurück ins Ruhrgebiet – ausgerechnet Hagen – und dann auch noch Haspe?

Ein Schritt, den der Cabrio- und Motorradfan, der seine Fleischeslust als Hobbykoch kulinarisch in der Küche auslebt, bis heute nicht bereut hat. „Die Menschen hier sind direkt und unkompliziert.“ Qualitäten, die der gebürtige Dortmunder, der seit frühester Jugend eine klassische Sakristei-Karriere hinein in Theologie-Studium durchlaufen hat, schätzt und einzuordnen weiß. Zumal er sich, befreit von zeitraubenden Verwaltungsaufgaben, jetzt wieder komplett auf seine Berufung als Pastor konzentrieren kann. Außerdem hat er während seiner ersten 100 Tage bereits festgestellt, dass „auch Haspe ein Dorf mit vielen persönlichen Beziehungen und Querverbindungen ist“.

Ein Universum, in das der passionierte BVB-Fan, Blutspender und Frühschwimmer durch seine offene Art gerade systematisch hinein taucht. „Noch stecke ich im Anfangsstadium, aber ich lerne meine Gemeinde gerade jeden Tag besser kennen.“ Damit meint er keineswegs bloß die klassischen Kirchgänger, sondern er schaut ebenso im Laden des türkischen Lebensmittelhändlers um die Ecke vorbei, schneit mal abends in der Shisha-Bar gegenüber rein, schlemmt beim Döner-Mann am Kreisel oder freut sich auf eine Pizza bei Toni mit Rotwein und Grappa. Wohlwollen und gutes Miteinander sind seine Maximen.

Multikulturelle Zukunft

Bei Glaubensbrüdern und -schwestern ebenso wie bei Anders- und Ungläubigen. „In unserem Kindergarten neben dem Pfarrgarten werden Mädchen und Jungen aus elf Nationen miteinander groß“, hat Wohlgemuth bereits konkret Witterung dafür aufgenommen, dass Haspe zwar eine glorreiche Industrie- und Stahlvergangenheit, aber vor allem eine diffuse, gewiss jedoch multikulturelle Zukunft hat. Um diesen Wandel konstruktiv zu begleiten, will er näher an die Menschen heran. Wohl wissend, dass es Institutionen wie die Kirche aktuell nicht leicht haben, weil das Private immer mehr in den Vordergrund rückt. „Aber das ist bei Vereinen, Parteien und Gewerkschaften ähnlich“, setzt der neue Kirchenmann auf Basisarbeit wie Krankenbesuche,ausführliche Brautpaar- und Taufgespräche, Friedfertigkeit in der Nachbarschaft, Versöhnung oder auch Hilfe für Flüchtlinge.

„Das soziale Engagement ist in Haspe schon sehr ehrenwert, das nehme ich mit hohem Respekt wahr.“ Dabei lässt er keinen Zweifel daran, dass es für ihn auch ein Stück Befreiung ist, sich nicht mehr der Mühsal von Pastoralkonzepten widmen zu müssen. Mit Strukturfragen, die oft nur Mittel zum Zweck sind, hole man keine Menschen ab, weiß der 54-Jährige, dessen Einführungspredigt die Gemeinde mit donnerndem Applaus feierte: „Jesus hatte auch keine Pastoralkonzepte, sondern ist den Menschen mit Liebe begegnet. Gott will, dass die Menschen glücklich sind.“

Mit therapeutischer Distanz

Eine würdig gefeierte Liturgie versteht Wohlgemuth als Grundstein guter Seelsorge. „Die Menschen sollen Kraft und Zuversicht empfangen. Sie erwarten ein Wort, das sie positiv begleitet und ihnen gut tut. Die Leute sollen mit einem Lächeln aus der Kirche kommen“, möchte er von Alltagssorgen beladene Kirchgänger vor allem mit dem Wohlwollen Gottes vertraut machen. Mit therapeutischer Distanz Dabei bewegt er sich eng entlang der Alltagswirklichkeit seiner Gemeinde.

Der passionierte „Outdoor-Fan“, wie er sich selbst einordnet, genießt den Barfuß-Gang durch seinen Pfarrgarten und die sommerliche Übernachtung im Schatten seiner hölzernen Gartenlaube unter dem Himmelszelt ebenso wie eine herausfordernde Radtour über den Tücking hinab ins Ruhrtal oder einen Besuch im Fitnessstudio. Fundament zu einer stabilen Beziehung zur Gemeinde – „als Pastor natürlich mit der gebotenen therapeutischen Distanz“, ergänzt er eilig.

Ruhrgebiet, Hagen, Haspe – für Norbert Wohlgemuth ein Abenteuer, das gerade erst anfängt, ihm richtig Spaß zu machen.