Bezauberndes Puppen-Musical in Hagen. Fulminanter Saisonauftakt fürs Theater Hagen: Das frech-fröhliche Musical „Avenue Q“ riss die begeisterten Premierenbesucher förmlich von den Sitzen.
Direkt zum Saisonauftakt hat das Theater Hagen gleich einen fulminanten Start hingelegt: Das frech-fröhliche Musical „Avenue Q“ riss die begeisterten Premierenbesucher förmlich von den Sitzen; gut zweieinhalb Stunden heiter-hintergründige Unterhaltung wurden in jeder Hinsicht bestens in Szene gesetzt.
Dabei waren an dem bestechenden Erfolg lediglich drei (hervorragende) Mitglieder des Hagener Ensembles auf der Bühne beteiligt: Marilyn Bennett, Maria Kluer und Tillmann Schnieders wurden geradezu kongenial von Studenten der Hochschule Osnabrück künstlerisch „flankiert“, und diese wiederum präsentierten sich mit einer überaus munteren Puppenschar.
Großer Spaß für Erwachsene
In einer Mischung aus Muppet Show und Sesamstraße für Erwachsene ist „Avenue Q“ angelegt. Die entsprechenden Ähnlichkeiten mit Ernie und Bert, Miss Piggy und dem Krümelmonster sind keineswegs zufällig, sondern gehören vielmehr zum Konzept.
Jeff Whitty hat vor zwölf Jahren das Musical an den New Yorker Broadway gebracht, und die Musik von Robert Lopez und Jeff Marx nimmt völlig unbekümmert ihre Anleihen bei vielen anderen Erfolgsstücken der Vergangenheit.
Inhaltlich geht es um eine fiktive Straße am gesellschaftlichen Stadtrand, wo Armut und Arbeitslosigkeit herrschen und dadurch eine dramatische Perspektivlosigkeit um sich greift. Die Botschaft: Nächstenliebe, Mut und Eigeninitiave sind nötig, um der Abwärtsspirale zu entkommen.
So weit, so gut. Wie allerdings diese eher schlichte Lebenshilfe in eine Musicalhülle verpackt wird, das ist wirklich sehens- und hörenswert. Den eigentlichen Kunstgriff bilden die Puppen. Sie werden von den ungemein präsenten und einfühlsamen Menschendarstellern zu phantasievollem Leben erweckt. Das Ergebnis ist eine Art Puppenspiel mit Tiefgang. Denn die gesungenen wie auch die gesprochenen Texte haben es in sich.
Ein Spiegel des prallen Lebens
Hier wird das pralle Leben vorgeführt, ungeschminkt und unzensiert. Pornografie, Schadenfreude und Neid setzen Fundamente, auf denen sich anderes nur sehr mühsam entfalten kann. Tiefschwarzer Humor wechselt mit berührenden Emotionen, die immer wieder enttäuscht oder verraten werden.
„Politisch unkorrekt“ ist wohl noch die harmloseste Bezeichnung, mit der „Avenue Q“ charakterisiert werden kann. Doch gerade dieses vermeintlich Unkorrekte entlarvt in Wahrheit eine viel schlimmere Verlogenheit, die damit verdeckt werden soll. Den gesellschaftlichen Normen wird ein Spiegel vorgehalten, der mit genüsslicher Vergnüglichkeit zum Kern der menschlichen Wahrheit führen kann - wenn man denn bereit ist, sich entsprechend zu öffnen.
Sascha Wienhausen hat die Hagener Inszenierung mit großartigem Lustpotenzial für alle Beteiligten, vor und auf der Bühne umgesetzt. Die unmittelbare Spielfreude schlägt immer neue Funken ins Parkett und hinauf in die Ränge. Wohl noch nie wurde in Hagen derart befreit und unvoreingenommen über derbe Zoten und herbe Anzüglichkeiten gelacht wie jetzt bei „Avenue Q“.