Hagen. . Nach wie vor weigert sich die Hagener Straßenbahn AG aus Sicherheitsgründen, gehbehinderte Menschen samt ihrem Elektro-Scooter zu befördern.

Die Türen der Hagener Linienbusse bleiben Barbara Groote weiterhin verschlossen. Nach wie vor weigert sich die Hagener Straßenbahn AG aus Sicherheitsgründen, die gehbehinderte Emsterin samt ihrem Elektro-Scooter zu befördern. Als sie neulich am Bahnhof in eines der heftigen Sommergewitter geriet, lehnten es sowohl Bus- als auch Taxifahrer ab, sie zu transportieren – mit der Folge, dass sie pitschnass wurde. „Ich fühle mich meiner Freiheit beraubt“, sagt die behinderte Frau. „Im Zeitalter der Inklusion werde ich zutiefst diskriminiert.“

Dabei ist es keineswegs böser Wille, der die Straßenbahn AG dazu bewogen hat, Menschen wie Barbara Groote, die nicht in einem herkömmlichen Rollstuhl, sondern in einem sogenannten Scooter mit Elektromotor sitzen, nicht mehr zu befördern. „Diese Fahrzeuge können eine Gefahr für andere Fahrgäste werden“, so Betriebsleiter Paul-Gerhard Spoden. Nach mehreren Unfällen hat der Bundesverband Deutscher Verkehrsunternehmen eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit den ungewöhnlichen Vehikeln beschäftigt. Ergebnis: Selbst bei einer normalen Bremsung können die Scooter leicht umkippen, bei einer Notbremsung sei die Wahrscheinlichkeit, dass das E-Mobil umfällt, sogar sehr hoch. Deshalb nehmen Busunternehmen deutschlandweit Fahrgäste mit E-Scootern nicht mehr mit.

Eigentlich viel Platz in den Bussen

Dabei gibt es in den Linienbussen der Hagener Straßenbahn sehr viel Platz für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollator oder Mütter mit Kinderwagen. In der Mitte der Busse ist sogar eine sogenannte Anlehnplatte angebracht, um Behinderten sicheren Halt zu geben. Anders als mit gewöhnlichen Rollstühlen sei es jedoch mit E-Scootern kaum möglich, die Anlehnplatte anzumanövrieren, so Spoden. Was Barbara Groote und ihr Vater Peter prompt bestreiten, sie hätten eigens ein kleines E-Mobil angeschafft, mit dem man quasi auf der Stelle wenden könne.

Mittlerweile kommt juristische Bewegung in die Angelegenheit. Nachdem zwei Klageverfahren im nördlichen Ruhrgebiet das Mitnahmeverbot bestätigt haben, hat der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK), in dem Barbara Groote Mitglied ist, die Kieler Verkehrsgesellschaft wegen Diskriminierung von Menschen mit Behinderung vor dem Landgericht in Kiel verklagt. Auslöser war auch hier die Weigerung des Verkehrsbetriebes, Benutzer von Elektro-Scootern aufgrund einer angeblichen Gefährdung der Fahrgäste weiter zu befördern. Heike Witsch, Expertin für barrierefreien öffentlichen Nahverkehr im BSK, nennt auch schon mögliche Modifikationen, mit denen die Sicherheitsbedenken ausgeräumt werden könnten: „Eine Anti-Rutsch-Beschichtung des Fußbodens, Prallplatten, Haltegriffe, Gurte und ähnliches wären denkbar.“

Strafrechtliche Konsequenzen

Vorerst jedoch bleibt Barbara Groote und anderen E-Scooter-Besitzern in Hagen das Busfahren verwehrt. Paul-Gerhard Spoden bittet dafür um Verständnis: „Sollte bei einem Unfall jemand durch ein solches Mobil zu schaden kommen, hätte das strafrechtliche Konsequenzen für den Busfahrer, den Betriebs- und sogar den Unternehmensleiter.“ Dann ständen ein Organisationsverschulden oder sogar fahrlässige Körperverletzung im Raum.

Nachdem seine Tochter neulich vollkommen durchnässt nach Hause kam, fragte Peter Groote einen in der Wendeschleife Bissingheim wartenden Busfahrer nach dem Stand der Dinge in Sachen E-Mobil. Die Antwort des Chauffeurs sei ebenso lapidar wie deutlich gewesen: „Alles, was Elektro ist, dürfen wir nicht mitnehmen.“ Für diese Einstellung hat Peter Groote freilich kein Verständnis: „Ich wünsche mir sehr, dass die Hagener Verkehrsbetriebe endlich Einsehen und auch Mitgefühl den Betroffenen gegenüber zeigen.“