Volmetal. . Rafael Berger ist der religiöse Begleiter des Stamms „Don Bosco“ und begeistert Jugendliche für den Glauben.

Die Figuren der Heiligen schmücken die Wand hinter dem Altar. Zusammen mit dem Kreuz sind sie das Zeichen, dass es sich um einen Ort des Glaubens handelt. Sonst aber ist im südlichsten Gotteshaus der Stadt wenig wie in anderen Kirchen. Es gibt Hocker statt Bänke. Und wenn Besucher kommen, werden sie im Kreis anstatt schnöde in Reihe hintereinander aufgestellt.

Tradition und Zukunft prallen hier in wunderbarer Fruchtbarkeit aufeinander. Hier, das ist die Kirche Herz Jesu Rummenohl, die Mutterkirche der Katholiken im Volmetal. Erbaut, weil um die Jahrhundertwende mehr und mehr katholische Arbeiter in den Dynamitwerken schufteten. Renoviert erst vor ein paar Jahren: von den Pfadfindern, deren Schutzpatron und Namensgeber Don Bosco mit dem Stab in der Hand auf die Besucher blickt.

Rafael Berger ist einer von jenen, die immer wieder kommen – zu Jugend-Gottesdiensten, zu Treffen mit Leitern und immer dann, wenn er ein paar Minuten der Einkehr als Startpunkt für Aktionen nutzt. Er, der Familienvater, der Rentenberater, der Pfadfinder, ist ausgebildeter Kurat, der spirituelle und religiöse Begleiter des Stamms Don Bosco. „Pfadfinder zu sein ist kein Hobby“, sagt Berger, „Pfadfinder zu sein ist eine Lebenseinstellung.“

Es geht um Engagement

Also hinein in eine Gemeinschaft, die viele, die sie einmal in ihren Bann gezogen ist, nie wieder los lässt. Rafael Berger ist da so ein Paradebeispiel. Als vor etwas mehr als 40 Jahren der Stamm im Hagener Süden gegründet wurde, schleppte ihn sein großer Bruder mit. „Damals war ich sieben Jahre alt“, sagt er und lächelt ein Lächeln, das Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt, „als ich dann im Juffi-Alter war, durfte ich endlich in meine eigene Gruppe.“

Es gibt dieses Klischee aus dem Walt-Disney-Comic: Jeden Tag eine gute Tat. „Ganz falsch ist das nicht“, sagt Berger, „es geht bei uns auch um Engagement. Darum, sich für andere einzusetzen. Darum, auf die Schwächeren zu achten.“ Dahinter steckt Verantwortung – die gegenüber sich selbst, die gegenüber anderen und die gegenüber Gott.

Gott, der Glaube, das Gebet – all das spielt bei den Pfadfindern eine Rolle. „Die Gemeinschaft kommt immer wieder am Feuer zusammen. Gott, unser Glaube – das ist unser Feuer“, erklärt Rafael Berger. Und seine Augen leuchten, wenn er diese Sätze sagt: „Das Feuer gibt uns Wärme. An einem Feuer sieht niemand, ob man gut oder schlecht angezogen ist. Ob man arm oder reich ist, macht keinen Unterschied. In dieser Gemeinschaft kann jeder seine Position finden. Und sie auch wieder wechseln.“

Leistungsdruck und Geltungsbedürfnis – Dinge, die in der Schule oder im Sportverein eine Rolle spielen können – sind in dieser Gemeinschaft fern. „Im Grunde sind wir eine freiwillige, nicht politische Erziehungsbewegung“, erklärt Berger, „uns geht es nicht darum, Kinder in ihrer Freizeit zu bespaßen. Wir wollen Kinder und Jugendliche in ihren Fähigkeiten fördern und sie darin bestärken, Dinge mit Gleichaltrigen auszuprobieren.“

Der Glaube an Gott ist der Kitt. Im Stamm Don Bosco – und das ist keineswegs selbstverständlich – sind katholische, evangelische, muslimische und andersgläubige Kinder, Jugendliche und Erwachsene. „Wir machen Glauben nicht daran fest, wie oft jemand einen Gottesdienst besucht“, sagt Berger und blickt auf das Kreuz, das in Herz-Jesu von der Decke herab hängt und an der Wand einen deutlichen Schatten wirft. „Wir feiern Gottesdienst, aber wir finden auch andere Formen. Wir schreiben unsere Sorgen auf und werfen die Zettel ins Feuer. Wir packen Steine in unsere Rucksäcke, nehmen sie mit auf einen Hike und schmeißen sie weg.“

Jugendliche öffnen sich

Der Hike, diese Wanderung ins Ungewisse, bei der man morgens noch nicht weiß, wo man abends landet und ob man ein gutes Quartier für die Nacht findet. Irgendwie gehen der Glaube und das Vertrauen auf Gott mit den Kindern und Jugendlichen. „So entstehen Momente, die sie in ihrem ganzen Leben nicht vergessen“, sagt Berger, „wir haben in einem Feuerwehrhaus geschlafen, in Klöstern, in einem Rathaus. Auch die, die uns spontan aufnehmen, empfinden das als Bereicherung.“

In dieser besonderen Welt, in der Kinder im Lager manchmal tagelang ein beiges Hemd tragen, das jede Mutter dreimal in die Wäschetruhe befördert hätte, zählen keine Äußerlichkeiten. „Niemand muss sich stylen. Jeder darf so herumlaufen, wie es ihm passt“, erklärt Berger, der das Kreuz um seinen Hals und über der Kluft trägt. „Das führt dazu, dass sich auch Kinder öffnen und von ihren Problemen erzählen, von denen man das nie erwartet hätte.“

Die zurückhaltenden, aber auch die coolen, denen es in Schule und Alltag peinlich ist, sich zu ihrem Glauben zu bekennen. „Unter Pfadfindern ist das gemeinsame Beten oder das gemeinsame Singen kein Problem. Das ist fester Bestandteil, wenn wir uns im Lager morgens und abends in großer Runde zusammensetzen“, sagt Rafael Berger, „im Verhältnis nach außen mag das anders sein. Es gibt durchaus Jugendliche, die schon komisch angeguckt werden, wenn sie Freunden erzählen, dass sie Pfadfinder sind.“

Aids-Waisenheim in Afrika

Das Sommerlager, das er so liebt und das für ihn der Familienurlaub ist, wird Rafael Berger dieses Jahr verpassen – erstmals seit 1999. Bergers fliegen nach Südafrika. Nicht als Touristen, sonder als Pfadfinder, um eine Reise der Rover vorzubereiten. Die Jugendlichen wollen in und um das Aids-Waisenheim in Bamshela arbeiten. Das haben Mitglieder des Pfadfinderstamms einst aufgebaut. Rafaels Schwester Dorothee und ihr Mann Michael Boecker kümmern sich seither um das Projekt. Beide sind Pfadfinder.