Hagen/Siegen. Gute Nachrichten aus Berlin: Das Bundesverkehrsministerium gibt vorgezogen die Finanzierungszusage für den durchgängig sechsspurigen Ausbau der Sauerlandlinie.
„Alle Zeichen stehen auf grün. Freuen wir uns auf 20 Jahre Dauerbaustelle!“ Eine solche Ansage führt gewöhnlich zu wenig Begeisterung bei den Betroffenen, besonders, wenn sie unerwartet kommt. Ganz anders gestern, als Enak Ferlemann, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, damit das Okay des Bundes für den Ersatzneubau der gesamten Sauerlandlinie gab.
Und zwar vorab, denn: Der Bundesverkehrswegeplan, in dem die wichtigsten Straßenbauprojekte der Bundesrepublik für die Jahre 2015 - 2030 aufgelistet sind, ist noch gar nicht vorgestellt. Umso mehr staunten die Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik, darunter etliche Bundestagsabgeordnete und Bürgermeister der Region, über die Ankündigung des Staatssekretärs. „Das ist weit mehr, als wir erwartet haben“, war eine häufig geäußerte Resonanz auf die Zusage.
Worum geht's bei dem Projekt?
Der sechsspurige Ausbau der Sauerlandlinie ist eigentlich eine alte Forderung der Wirtschaft entlang des Schnellwegs – deren Verwirklichung plötzlich Dynamik bekommt. Seit die Überprüfung der Brücken an den Autobahnen nach neuen Richtlinien und mit neuester Technik erfolgt, war schnell klar: Alle 38 Talbrücken der A 45 sind so marode, dass sich eine Sanierung nicht mehr lohnt – sie müssen neu gebaut werden. Zumal der Verkehr und damit die Belastung der Autobahn in Zukunft weiter enorm zunehmen wird. „Der Güterverkehr in Deutschland wird sich durch die Globalisierung bis zum Jahr 2030 fast verdoppeln“, nannte Enak Ferlemann als Größe. Schon heute rollen bei Lüdenscheid 66.000 Fahrzeuge pro Tag über die A 45 – davon 17.000 Lkw.
Die Sauerlandlinie gilt als wichtige Nord-Süd-Verbindung für den Güterverkehr, aber auch für Berufspendler, Tagestouristen – kurz den Individualverkehr. Die Neubauten der Talbrücken, die rund 11,5 Prozent der Gesamtstrecke ausmachen, werden von vornherein sechsspurig geplant – und um den Verkehr nicht anschließend wieder einzuengen, werden auch die Abschnitte dazwischen auf sechs Spuren erweitert. Bis 2028 soll der Ausbau abgeschlossen sein. Die Kosten: geschätzt rund 1,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bund erwartet an jährlichen Einnahmen aus der Pkw-Maut (offiziell: Infrastrukturabgabe) rund 500 Millionen Euro.
Unternehmen und Wirtschaftsverbände befürworten A45-Ausbau
Was will die Wirtschaft?
Die Unternehmen und Wirtschaftsverbände der Region zwischen Siegen und Dortmund sind sich einig: Sie befürworten einhellig den Ausbau der A 45 und sie wollen ihn so schnell wie möglich. Das bekräftigte auch Uwe Büscher, Vorstand der Dortmunder Hafen AG: „Die Anbindung an eine funktionierende Autobahn ist für den Dortmunder Hafen von existenzieller Bedeutung.“ Büscher weiß, wovon er spricht: Aktuell ist die Ausfahrt Dortmund-Hafen der A 45 wegen Bauarbeiten gesperrt; der (Schwer-)Lastverkehr muss sich Umwege suchen. Deshalb fordert auch Marc Simon, Chef des Hagener Unternehmens Cosi Stahllogistik: „Kommunikation ist enorm wichtig. Die Unternehmen müssen planen können und Alternativen suchen.“
Was sagt der Bund?
Der Bund hat die Notwendigkeit einer schnellen Sanierung der Sauerlandlinie offenbar erkannt; anders ist die Ankündigung von Staatssekretär Ferlemann kaum zu verstehen. „Die A 45 ist für den Güterverkehr und die Logistik unersetzbar, weil sie die großen Industriegebiete, das Ruhrgebiet und den Rhein-Main-Raum, verbindet“, stellte Ferlemann zudem die Bedeutung heraus.
Was sind die Probleme?
Offenbar nicht die Finanzierung: Durch die Pkw-Maut und die stufenweise Ausweitung der Lkw-Maut stehe dem Bundesverkehrsministerium 2018 „rund 15 statt zehn Milliarden Euro“ für Investitionen in den Verkehr zur Verfügung, erklärte Enak Ferlemann. Allerdings sprach der CDU-Politiker selbst ein personelles Problem an: „Es gibt inzwischen zu wenig Ingenieure in Deutschland.“ Und: Der Neubau muss im fließenden Verkehr erfolgen. Außerdem gibt es Befürchtungen, dass der Neubau mit der Erweiterung Gegner auf den Plan rufen könnte: Wie etwa bei „Stuttgart 21“.
Was sagen die Gegner?
Bisher gibt es keine Gegner, die sich zu Wort gemeldet haben. Das unterscheidet den Ersatzneubau der A 45 vom Lückenschluss der A 46 zwischen Hemer und dem Hochsauerland, den seit den 1980er-Jahren die Gegner ebenso vehement ablehnen, wie ihn die Befürworter einfordern. Um die Anrainer und Betroffenen beim A 45-Neubau frühzeitig ins Boot zu holen, plant der Landesbetrieb Straßen NRW eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit: mit Infoblättern, eigener Internetseite und Baustellenführungen.