Hagen. . McDonald’s sieht sich mehr und mehr der Konkurrenz individualisierter, nachhaltiger und bewusster Mitbewerber ausgesetzt. Wilfried Haas, Franchisenehmer in Hagen, spricht über die Entwicklungen.
Blick hinüber zum Nachbartisch. Vater, Mutter, Tochter und Tochter. Vater jongliert einen Big Mac mit beiden Händen Richtung Mund. Mama isst Pommes. Die eine Tochter dippt paniertes Hühnchen in eine Packung Curry-Soße, die dabei umkippt. Die andere Tochter zieht so stark an ihrer kalten Cola, dass es Sekunden später in der Stirngegend weh tut. Es ist 11.30 Uhr und wir sitzen einen Tisch weiter mit Wilfried Haas, McDonald’s-Franchisenehmer in Hagen und im Märkischen Kreis, Chef von mehr als 500 Mitarbeitern und der Antwort auf die Frage: Steckt McDonald’s in einer Krise?
McDonald’S als Paradoxon
Der Burger ist nicht tot. Was McDonald’s augenblicklich zu einem Ernährungsparadoxon macht. Denn die Leute haben Lust auf Burger. Nur anders. Bewusster. Biologischer. Und – wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind – gerne auch teurer. Und so kostet ein Hamburger, mit ein bisschen Salat und Pommes in einem Burger-Restaurant, das etwas auf sich hält, irgendwas zwischen 8 und 13 Euro. Und wer nicht nur gerne nachhaltiger und teurer Burger isst, für den hält die Ernährungswelt von 2015 noch weitere 100 Schubladen bereit, in die man sich stecken kann und für die man gutes Geld ausgeben kann. Vegetarisch. Vegan. Low-Carb. Laktosefrei. Bio. Makrobiotisch. Basisch. Slow Food. Fast Food. Trennkost. Rohkost. Flexitarisch. Es gibt noch so viel mehr.
Fast-Food-Markt wächst und wächst
McDonald’s ist gleich in zweierlei Hinsicht ein Paradoxon. Denn während der Fast-Food-Markt wächst und wächst, weil die Arbeitswelt der Menschen sich verdichtet und schnelles Essen unterwegs für viele unumgänglich ist, gehen die Umsatzzahlen beim amerikanischen Burger-Riesen zurück. Denn scheinbar denkt der Konsument 2015, dass schnelles Essen auch, sagen wir mal, korrekter geht als bei McDonald’s. Womit McDonald’s nicht mehr nur gegen hochklassigere Burger-Bräter kämpft, sondern auch gegen die Bäckerei um die Ecke.
Wilfried Haas greift in die Pommes-Schachtel, die vor ihm steht. Der 68-jährige ist 1983 bei McDonald’s als Franchisenehmer eingestiegen. Neun Restaurants gehören ihm, wobei sechs davon mittlerweile von seiner Tochter Lilian geführt werden. Weststraße in Vorhalle, Hauptbahnhof und Haspe, das sind die Standorte die Haas noch persönlich leitet. Er müsste dieses Gespräch nicht führen, aber Haas ist Transparenz wichtig. „Wir stecken nicht in der Krise“, sagt der Unternehmer, „ich würde von einer Delle sprechen, aber nicht von einer Krise.“
Andere Brachen haben mehr Einbußen
Es heißt, McDonald’s büße aktuell fünf bis zehn Prozent seines Umsatzes ein. Doch erstens bestätigt das Unternehmen diese Zahlen nicht. Und zweitens „sprechen wir von fünf Prozent. Man schaue mal in andere Branchen, was die für Umsatzverluste hinnehmen müssen. Autos oder Tankstellen“, sagt Haas, der die angebliche Krise auch als von der Presse herbeigeschrieben sieht.
Individualisierung ist der Trend, den McDonalds erkannt hat
Was nicht heißt, dass Haas die Augen davor verschließt, was um ihn und sein Unternehmen herum aktuell geschieht. Individualisierung heißt der Trend, den der amerikanische Riese mit dem goldenen „M“ erkannt hat, für den er das Patentrezept aber noch nicht gefunden hat. „Das Spektrum an Speisen muss breiter werden, vielfältiger und die Nachhaltigkeit muss noch besser präsentiert werden“, sagt Haas.
Agentur-Wechsel lässt aufhorchen
Nach zwei gefühlten Ewigkeiten hat McDonald’s seine Werbe-Agentur geändert. In der Branche ist das als ein Signal gedeutet worden, dass der weltweite Burger-Bräter nach einer neuen Identität ringe.
Kritiker schreiben, dass nur das Essen mit den Fingern und der Burger an sich kein Verkaufsmodell mehr seien und McDonald’s erkannt habe, dass es Zeit für einen Kurswechsel sei. In vielen deutschen Medien war der Wechsel der Agentur als Zeichen der Krise gewertet worden. Aus der McDonald’s-Zentrale in Chicago erfährt man über Umsatzzahlen und Entwicklungen allerdings nichts.
In Hagen wurde die erste McDonald’s-Filiale einst in der Innenstadt eröffnet. Am Bahnhof, in Haspe, in Vorhalle und in Hohenlimburg gibt es heute weitere.
Dass das Fresenius-Institut Monat für Monat ein- und ausgeht und den angebotenen Speisen bei McDonald’s eine hohe Qualität bescheinigt, ist betriebsintern die eine wichtige Sache. Es müsse aber auch wieder zurück in die Köpfe der Leute. „Wir müssen wieder die sein, die fünf, sechs Jahre voraus sind. Nicht die anderen.“ Und an dieser Stelle blinzelt eben doch durch, dass die vielen kleinen Zwerge draußen auf dem Ernährungsmarkt den großen Riesen vor eine Denkaufgabe stellen, an der er länger zu grübeln hat.
Junge Leute fehlen McDonalds als Gäste in Hagen
Zwei Gästegruppen haben sich seit Antritt von Wilfried Haas als Franchisenehmer deutlich verändert. Die jungen Leute und die Frauen. „Erstere fehlen uns immer mehr“, sagt der 68-Jährige. Speziell in einer Stadt wie Hagen, die immer älter werde und deren Geburtenjahrgänge schwächeln, sucht McDonald’s mit demografischen Hürden nach seinen Kunden. „Und bei den Frauen ist das Vegetarier-Sein und bewusste Ernährung hoch im Kurs“, sagt Haas.
McDonalds hat mit grünen Produkten reagiert
McDonald’s hat darauf mit „grünen“ Produkten reagiert. Veggie-Burger, Wraps, Salate. „Aber die grünen Produkte verkaufen wir nicht annähernd so stark wie Fleischprodukte“, erklärt Haas. Nicht annähernd heißt: Sie spielen vom Umsatz her eine absolute Nebenrolle, sind aus Imagegründen für das Unternehmen aber unverzichtbar.
In der Hagener Innenstadt kann man in der Mittagszeit gut beobachten, welche Rolle der amerikanische Riese in der Ernährungswelt von 2015 einnimmt. Er ist so eine Art FC Bayern mit Sinnkrise. Er führt die Fast-Food-Liga an, wenn man die Frequenz und die Länge der Warteschlangen in der Innenstadt-Filiale so deuten will.
Auch interessant
Aber die Kleinen, die Innovativen – sozusagen die SC Freiburgs und FC Augsburgs der Branche – grätschen spürbar rein mit ihren regionalen, frischen, nachhaltigen, veganen oder biologischen Ideen, die dem Ernährungszeitgeist immer mehr entsprechen. „Das ist auch gut so“, sagt Wilfried Haas, „die Kleinen kommen bei uns rein, schauen genau hin und überlegen dann, wie sie es individualisieren können. Aber wir strengen uns auch an. Das Geschäft ist immer kurvenartig verlaufen.“
Geschäftsmodell bleibt „in“
„Wir haben eine schwierige Zeit, aber unser Geschäftsmodell ist weiterhin „in“, unsere Aktie wird noch empfohlen und wir bleiben ein gewinnträchtiges Unternehmen“, sagt Haas. Die Familie am Tisch nebenan ist fertig mit dem Mittagessen. Die Kinder strahlen und fordern noch ein Eis ein. Sie kriegen es.