Wehringhausen.. EU-Verordnung sorgt für wunderliche Baumaßnahmen: Die Tiere dürfen nicht mehr aus dem Wehringhauser Bach trinken und sich nicht mehr in ihm suhlen.

Der Bau des zweiten Zauns rund um den Saupark im Wehringhauser Bachtal nimmt wunderliche Formen an. Er verwehrt den Wildschweinen nicht nur direkten Kontakt zu ihren in Freiheit lebenden Artgenossen. Die Tiere dürfen nicht mehr aus dem Wehringhauser Bach trinken. Sie dürfen sich auch nicht mehr im Bach suhlen. Sie dürfen von den Bürgern nicht mehr gefüttert werden.

Und Mitarbeiter des Hagener Wirtschaftsbetriebes (WBH), die das Gatter betreten möchten, müssen dazu spezielle Ganzkörper-Schutzanzüge überstreifen. „Dieser ganze Irrsinn ist nicht zu fassen“, macht Frank Fischer (52), Vorsitzender des Fördervereins Wildgehege, seinem Ärger Luft: „Wir sind sehr unglücklich über diese Entwicklung, gegen die wir uns leider nicht wehren können.“

Skurrile Baumaßnahme

Grund der skurrilen Baumaßnahme ist eine Verordnung der Europäischen Union, die vorschreibt, dass alle Schwarzwildgehege mit einem Doppelzaun gesichert werden müssen. So soll verhindert werden, dass sich die Tiere bei Kontakt mit ihren wild lebenden Artgenossen mit der Afrikanischen Schweinepest, einer für Wildschweine tödlichen Krankheit, infizieren.

In Deutschland ist die Seuche zwar noch nie aufgetreten, dennoch musste der WBH auf Anweisung von Amtsveterinär Dr. Edwin Esser, der wiederum für die Umsetzung der EU-Verordnung verantwortlich ist, schon mal für 60. 000 Euro den zweiten Zaun bauen und weitere Vorkehrungen treffen. Bevor hier ein falscher Eindruck entsteht: Auch Esser sei durch die Schweinehaltungshygieneverordnung der EU gehalten gewesen, den Zaun errichten zu lassen: „Da gab es für uns keinerlei Handlungsspielraum“, hieß es dazu aus dem städtischen Veterinäramt.

Und so führt ein bürokratisches Monstrum dazu, dass die Hagener ihre geliebten Wildschweine jetzt nur noch aus der Distanz beobachten können. „Die Leute stehen vor dem Gatter und schütteln den Kopf“, berichtet Fischer.

Ein Erklärungsversuch: Der zweite, 600 Meter lange Zaun verhindert, dass sich gefangene und frei lebende Schweine beschnuppern und so möglicherweise infizieren. Folge: Im „Todesstreifen“ zwischen den beiden Zäunen wird das Grün emporschießen und den Blick auf die Wildschweine verwehren. Mitglieder des Fördervereins haben sich bereit erklärt, den Bereich regelmäßig zu schneiden und zu pflegen.

Das Fütterungsverbot soll verhüten, dass jemand ein mit dem Erreger infiziertes Blatt Salat in das Gatter wirft, denn auch das könnte die Schweine krank machen. Folge: Die Tiere bekommen nicht mehr genug zu fressen, so dass der WBH nun fast täglich zufüttern muss.

Der bestehende Zaun wurde so umgesetzt, dass jener Teil des Baches, der bislang durch das Gehege floss, nun außerhalb liegt.

Acht Tiere mussten erlegt werden

Auch die Suhlen im Bach, in denen sich die Tiere so gern wälzten, wurden auf diese Weise beseitigt, weil die Schweine auch im Bachwasser der Ansteckung mit den gefährlichen Keimen ausgesetzt wären. Die wiederum könnten durch in Freiheit lebende, kranke Schweine in den Bach gelangen. Folge: Der WBH musste künstliche Suhlen anlegen, die jedoch im Sommer trocken fallen und mit einem unterirdischen Rohrsystem bewässert werden müssen. „Wir sind verpflichtet, die EU-Verordnung umzusetzen, sonst wäre die Betriebserlaubnis für das Gehege erloschen“, so Michael Knaup, Förster beim WBH. Nach seiner Einschätzung befragt, wie groß die Gefahr der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland oder gar in Hagen wirklich sei, wehrt er ab: „Das kann niemand sagen, das ist wie Stochern im Nebel.“

Der Bau des Zauns hatte auch Auswirkungen auf die Größe der Wildschweinrotte. Acht Tiere mussten erlegt werden, derzeit leben noch 15 Schwarzkittel in der schönen, neuen Doppelzaun-Welt.