Breckerfeld. .
Es geht um Lebenskompetenz und um Sozialkompetenz. Um Selbstbewusstsein im wahrsten Sinne des Wortes und um den fairen Umgang miteinander. Mehr als 90 000 Lehrer haben seit Mitte der 90er Jahre am Programm Lions Quest des Hilfswerks der Deutschen Lions teilgenommen. Seit 2011 zeichnet der Breckerfelder Dr. Jürgen Schalk, Mitglied im Lions Club Hagen-Harkort und zuletzt Leiter der Bodelschwingh-Förderschule als Vorstand für das „erfolgreichste Präventionsprogramm“ Deutschlands verantwortlich. Es rückt unter dem Motto „Erwachsen werden“ Kinder zwischen 10 und Jahren bzw. unter „Erwachsen handeln“ Jugendliche zwischen 15 und 21 Jahren in den Fokus.
Lions Quest richtet sich zunächst an Lehrer. Warum braucht es eine solche Initiative überhaupt?
Dr. Jürgen Schalk: Dem Gesetz nach ist Erziehung die Aufgabe der Eltern und auch des Staates, also der Schulen. Die Realität zeigt seit Jahren ein anderes Bild. Die Gesellschaft wird heterogener, Interaktionen komplexer. Der Druck, funktionieren zu müssen, erfüllt bereits Kinder. Viele sind hiermit überfordert. Das wiederum erhöht bei vielen die Bereitschaft zu Gewalt, zur Flucht in Drogen oder in die Kriminalität. Mit dieser Problematik sind Eltern, häufig aber auch die Schulen, überfordert.
Aber es muss doch Bestandteil der Ausbildung sein, Lehrern beizubringen, auf solche Herausforderungen zu reagieren.
Im Grunde ja. Aber aus meiner eigenen Erfahrung als langjähriger Prüfungsvorsitzender weiß ich: Grundstudienfächer wie Pädagogik, Psychologie und Soziologie werden immer mehr zurückgefahren und sind kaum noch Bestandteil der Lehrerausbildung. Dafür werden Lehramtsstudenten mit Fachwissen überfrachtet. Ich halte diese Tendenz für falsch, ja sogar für gefährlich. Durch unsere Programme erfahren Lehrer eine Unterstützung im pädagogischen Bereich des sozial-emotionalen Lernens und damit mehr Selbstsicherheit und Kompetenzen in ihrem Auftreten. Nach dem Einführungsseminar bieten wir den Lehrern, im Zuge der Nachhaltigkeit, zweimal im Jahr eine sogenannte Praxisbegleitung durch besonders geschulte Kollegen an.
Auf welche Art profitieren Schüler von den Programmen?
Unsere Einführungsseminare richten sich zunächst an die Lehrer. Sie, aber nicht nur sie, sondern im Grunde alle Berufe, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sind die Multiplikatoren des Programms. Sie erhalten das Know-how, das Programm Lions Quest im Unterricht umzusetzen. Dazu gehört ein hochwertiges Lehrerhandbuch mit fertigen Unterrichtsmaterialien, das im Eigentum der Lehrer verbleibt. Ideal ist es, wenn Lions-Quest im Stundenplan und damit fest im Unterricht für die Klassen 5 – 8 mit etwa einer Stunde pro Woche verankert ist. Wenn ich heute Schulen besuche, die unser Programm konsequent umsetzen, spüre ich das oft schon beim Betreten des Gebäudes.
Was sind die wesentlichen Inhalte?
Im Programmteil „Erwachsen werden“ geht es um eine gute Klassengemeinschaft, um ein gesundes Selbstvertrauen, um die bewusste Wahrnehmung eigener Gefühle, aber auch um Gefühle anderer, um die Fähigkeit, Freundschaften aufzubauen, um die Förderung kritischen Denkens, um die Bereitschaft, sich zu engagieren. In „Erwachsen handeln“ kommen die oben beschriebenen „Lebenskompetenzen“ altersgemäß wieder zum Tragen, darüber hinaus aber auch Fähigkeiten, die zur demokratischen Stabilität moderner Gesellschaften beitragen und eine Kultur der Menschenrechte fördern. Dazu gehören z.B. kritisches Denken sowie das Eintreten für die Belange anderer Menschen. Insofern haben wir die berechtigte Hoffnung, dass besonders Berufskollegs, die allgemeinbildenden Schulen im SEK II-Bereich und in einer zweiten Phase auch überbetriebliche Einrichtungen und Institutionen auf diesen Programmteil zurückgreifen. Stolz können wir darauf sein, dass „Erwachsen handeln“ seit 2013 unter der Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission steht.
Warum engagiert sich Lions auf diesem Gebiet?
Lions Quest ist das größte Projekt der Lions-Bewegung weltweit. Es wird in Nepal und Tansania genauso umgesetzt wie in Mitteleuropa. Dahinter steckt der Gedanke, dass es besser ist, in die Erziehung von Kindern- und Jugendlichen zu investieren, als später in die Resozialisierung von Erwachsenen. Soziale Kompetenzen, wie in Lions-Quest vermittelt und kognitive Kompetenz bedingen sich. Wer in der Schule ständig auffällig ist, „klinkt“ sich beim Lernen aus. Wenn es dann nach zehn Jahren Schulbesuch um die Ausbildungsreife von Schülern geht, beklagen Unternehmer immer wieder fehlende Belastbarkeit, Disziplin und Leistungsbereitschaft.
Wie reagieren Landesregierungen, wenn sich Lions einmischt?
Die Kultusministerien sehen unser Engagement positiv. Alle haben unser Programm anerkannt. Mit elf Ländern gibt es Kooperationsverträge, leider nicht mit dem Schulministerium in NRW. Lehrer werden für die dreitägigen Grundseminare freigestellt, Kosten größtenteils durch die Clubs übernommen.
An welchen Schulen findet Lions Quest statt?
In Hagen beteiligen sich nahezu alle Schulen im Sek-I-Bereich an dem Programm „Erwachsen werden“. Mit „Erwachsen handeln“ sind wir im Dezember erstmalig mit guter Resonanz gestartet. Ein weiteres Seminar zu diesem Programm findet vom 9. bis 11. März statt. Die Sekundarschule bei uns in Breckerfeld hat sich in den zurückliegenden Jahren intensiv an Lions-Quest beteiligt und wird das auch in der Zukunft tun. Schulen können sich, wenn vorgegebene Kriterien erfüllt sind, um das Lions-Quest-Qualitätssiegel bewerben. Im Wettbewerb um Schüler ist das ein Pluspunkt.