Hagen-Mitte. . Ein Reporter zieht durch die Hagener Weiberfastnacht. Beobachtungen zwischen jecken Jeföhlen und Kostümen, die fast schon zu sexy sind. Wie feiert Hagen Weiberfastnacht?

Mein Kostüm ist das Gegenteil von mir. Was man nicht zuletzt an diesem ausdefinierten Acht- oder Zehn-Pack erkennt, den ich da, wo eigentlich mein Bauch ist, vor mir her trage. Ich gehe als Hulk, dieses tiefgrüne Muskel-Monster aus den Marvel-Comics. Ich trinke Cola und starre dabei Rotkäppchen links von mir an und staune über die Detailverliebtheit seines Kostüms. Rotkäppchen trinkt Bier und tippt auf seinem Smartphone rum. SMS an die Großmutter mit den großen Augen? Dann lächelt sie rüber. Und geht. Wenn Rotkäppchen den Hulk anflirtet, hat man entweder einen richtig, richtig schrägen Traum oder es ist Weiberfastnacht. Diese Szene hier passierte gestern. Oder war’s schon heute? Egal.

An Weiberfastnacht gibt es kein Dazwischen. Man ist voll dafür oder voll dagegen, plötzlich in diese verkleidete Welt einzutauchen, in der sich alle lieb haben und in der man stündlich denkt, dass das allerletzte jemals in einer Bierlaune erdachte Lied vom roten Pferd, vom knallroten Gummiboot, von der superjeilen Zick oder zehn nackten Friseusen doch endlich gespielt sein müsste. Die Menschen, die gestern Nacht in Hagen feierten, sind voll dafür. Für das jecke Jeföhl. Für die Stimmung. Für die leichte Kontaktaufnahme an diesem Tag. Für die Hände zum Himmel und die Karawane zieht weiter.

Das Dingen läuft, die Stimmung ist da

In die Stadthalle zu kommen, wenn der Stripper gerade zu „Purple Rain“ den letzten eingeölten Hüftschwung schwingt, um dann unter tosendem Gekreische in die Umkleidekabine zu verschwinden, ist so, als wenn du beim Stand von 5:0 für deine Mannschaft eingewechselt wirst. Das Dingen läuft, die Stimmung ist da. Du kannst jetzt nichts mehr falsch machen.

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Gut, ich, der grüne Held, bin gegen 20.30 Uhr einer von ungefähr zehn Männern unter 500 Frauen. Was eine Gruppe Indianerinnen, alle etwa um die 40, dazu bringt, mich mit einem Lasso einzufangen. Blenden wir mal aus, dass das Lasso doch eher zum Cowboy-Kostüm gehört. Das, was folgt, ist so eine Mischung aus 50-Shades-of-Grey-Tanztechnik und Binden an den Marterpfahl. Auweia.

Unterdessen hat die „Undercover-Crew“ drei Lieder gebraucht, um „Atemlos“ von Helene Fischer zu spielen. Ein bisschen so, als wenn man beim 800-Meter-Lauf gleich auf den ersten 100 Metern zum Sprint ansetzt. Aber gut, die Menge goutiert es. Sie tanzt und schreit den Refrain. „Aaaaatemloooooos durch die Nacht“.

Sexy oder verkleidet?

Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen verkleidet und sexy? Beispiel Polizistinnen-Kostüm: Manches wirkt so überaus erotisch, dass Polizeipräsident Frank Richter einer Mitarbeiterin in diesem Aufzug sicherlich die gelbe Karte wegen übertriebener Sexyness zeigen würde. Das gilt übrigens auch für das Kostüm „Cat-Woman“ und „Super-Woman“. Das sind zwar keine Berufe, aber trotzdem weiß man nicht so ganz, was ihre Trägerinnen damit eigentlich zum Ausdruck bringen wollen. Übrigens: Männer können das auch ganz gut. Die Kostüme Pilot, Pirat und Hulk Hogan lassen Interpretationsspielraum von „original“ bis übertrieben anzüglich zu.

© Diese beiden Herren gingen als Kühe.

Es wird später und immer mehr Männer kommen in die Stadthalle. Einer von ihnen postiert sich fast bewegungslos in der Mitte des großen Saales. Baumwollhemd, Hände in den Hosentaschen. Irgendwie so unlocker. Oder ist das eine Verkleidung? „Was schreibst du da eigentlich auf. Bist du vom Ordnungsamt“, fragt mich eine junge Dame im Engelskostüm (Kategorie: Super-Woman und Polizistin.) Ja, wir vom Ordnungsamt gehen immer als Hulk verkleidet durch die Stadt und schreiben alle auf, die Spaß haben.

Ich bin keine Kellerassel

Rotkäppchen kommt. Sie sagt, was an diesem Abend noch mindestens zehn weitere Damen sagen: „Du siehst aus wie eine Kellerassel.“ Bitte? „Ja, oder Schildkröte.“ Mein lieber Schwan, entweder die haben alle nie die Marvel-Comics gelesen oder in den Cocktails ist ein Blindmacher drin. Kellerassel, na dann krabbel’ ich mal ‘ne Kneipe weiter.

Und zwar in den Feuervogel. Reinkommen, losschwitzen. Hier drin ist es so heiß, dass es eigentlich Zeit für einen Aufguss wäre. Auf der kleinen Brücke, die den Laden teilt, stehen einige Jungs und starren sich nach zwei hübschen Erdbeeren die Augen aus. Sie posieren in ihren, natürlich, Piloten-Kostümen. Nur ansprechen tut die Erbeeren niemand. Ich aber. Obwohl das ein Small-Talk mit ziemlich viel Sand im Getriebe ist, gibt’s ein sehr, sehr nettes Lächeln von den beiden.

Besonders in Erinnerung bleiben aber die 20 Hippie-Damen aus der Stadthalle, die mit mir ein Schunkel-Foto gemacht haben. Besonders deshalb, weil die Orte, von denen sie sich kennen, irgendwie komisch zusammenpassen: Arbeit, Handball und Bauchtanz. Keine Fragen.

Weiberfastnacht in Hagen?

Sollte man mal gemacht haben.

Und für nächstes Jahr ein Tipp: Gehen Sie doch als Kellerassel . . .