Hagen. Durch das einst als Pesthaus gegründete Mammut-Hospital weht der Geist einer fast 300-jährigen Medizin-Geschichte: Bis heute gilt die Charite´ als die Ruhmeshalle der deutschen Medizin.

15 000 Mitarbeiter kümmern sich an Europas größtem Uniklinikum nicht nur um die Patienten in 3500 Krankenbetten, sondern erforschen auch Grundlagen der medizinischen Zukunft und exportieren ihr Wissen in alle Welt. Umso außergewöhnlicher erscheint es, wenn Dr. Helmut Queckenstedt, Chefarzt der Unfallchirurgie und orthopädischen Chirurgie des Evangelischen Krankenhauses Haspe, jetzt die Chance erhielt, seine Operationserfahrung in Berlin einem internationalen Mediziner-Kollegium zu demonstrieren. Know-how-Transfer vom Mops an die Spree.

„Das ist schon spannend dort”, funkeln Queckenstedts Augen, wenn er sich an die Atmosphäre in dem altehrwürdigen Anatomie-Saal des Klinikums zurückerinnert, in dem er Mitte Juni den Einsatz einer Hüftgelenks-Prothese an einem Leichenpräparat der interessierten Workshop-Ärzteschaft vorführte. „Hier weht durchaus noch der Geist von Ferdinand Sauerbruch durch die Räume”, ist sich der 47-Jährige sicher, dass so manches Präparat in den schon etwas klapprig anmutenden Regalvitrinen bereits von dem legendären Pionier der Thoraxchirurgie als Anschauungsobjekt genutzt wurde. Heute trifft dort die Chirurgie des 21. Jahrhunderts auf ihre wissenschaftlichen Wurzeln.

Doch der legendäre Sauerbruch stammt noch aus jener Ära, als bedeutende Operateure sich über besonders große Skalpell-Schnitte definierten. Eine Methodik, die für den Patienten meist mit großen Schmerzen, langen Narben und zäher Heilungsphase einher ging. Queckenstedt reiste mit genau der umgekehrten Mission in die deutsche Hauptstadt: Der Hasper Chefarzt führte praktisch vor, wie er - im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Kollegen - einen hüftendoprothetischen Eingriff durch einen hinteren Zugang vornimmt.

Eine auf deutschen Operationstischen eher seltene Vorgehensweise. „Die meisten Kollegen lagern den Patienten auf dem Rücken und setzen das Implantat dann von vorne oder von der Seite ein”, weiß Queckenstedt. International sei es hingegen üblich, den zu Operierenden auf die Seite zu drehen und den chirurgischen Eingriff von hinten vorzunehmen. „So kommt man mit deutlich geringeren Muskelverletzungen aus.” Grundsätzlich hat sich die Schnittlänge durch verbesserte Operationstechniken in den vergangenen Jahren von den einst klassischen 20 Zentimetern um mehr als die Hälfte reduziert. „Dabei geht es nur in zweiter Linie um den Hautschnitt - wichtiger ist, dass auch in der Tiefe weniger Weichteilgewebe verletzt wird.”

Eine Entwicklung, die die Aufenthaltsdauer eines Patienten im Krankenhaus deutlich verkürzen kann. In Zeiten, in denen die Krankenkassen nicht mehr nach Tagen, sondern nach Fallpauschalen abrechnen, ein immer wichtiger werdendes Argument für die Krankenhaus-Geschäftsführungen. „Als ich vor acht Jahren nach Haspe kam, verbrachten Operierte nach einem Hüftgelenksersatz noch 18 bis 21 Tage auf der Station”, erinnert sich Queckenstedt, „heute gehen sie sechs bis zwölf Tage nach der OP zur Reha”.

Minimal-invasive Chirurgie - also Eingriffe mit möglichst kleiner Verletzung - lautet heute allerorten die OP-Maxime. Doch damit geht meist einher, dass der Blick auf das eigentliche Operationsfeld erheblich reduziert wird. Mit der von Queckenstedt praktizierten Methode („Da sind wir am Mops schon ganz gut.”) scheint hingegen die Quadratur des Kreises gelungen: „Mit dem hinteren Zugang zum Hüftgelenk fällt nicht nur der Schnitt kleiner aus und das Weichteilmanagement wird erleichtert, sondern es bietet sich dem Operateur auch eine bessere Sicht, so dass er sich über die optimale Lage des Implantats einen perfekten Eindruck verschaffen kann”, wirbt der Hasper Chefarzt nicht nur in Berlin für ein Umdenken an den OP-Tischen. „Traditionsbedingt setzen die deutschen Chirurgen auf den vorderen, seitlichen Zugang in Rückenlage, aber international betrachtet hat unsere Methode mehr Potenzial”, erwartet Queckenstedt, dass er einige Kollegen vom Charite´-Workshop - vorzugsweise Franzosen und Südamerikaner - bald wiedertrifft: beim Hospitationsbesuch am Mops.