Hagen. Die Hagener Philharmoniker und der Philharmonische Chor Hagen interpretieren unter GMD Florian Ludwig Mendelssohns „Elias“ kontrastreich und klangschön. Das Publikum bedankt sich mit vielen Bravo-Rufen.

Das Volk umtanzt seine Götzenbilder, während der einsame Prophet von einem einzigen, einem unsichtbaren Gott predigt. Der Konflikt zwischen der Sehnsucht nach Spiritualität und den Verführungen des Materiellen prägt Felix Mendelssohns „Elias“. Er macht das Oratorium heute im Zeitalter neuer Glaubenskriege so aktuell.

Schon bei der Uraufführung am 26. August 1846 in Birmingham konnte der „Elias“ politisch gelesen werden. Denn während sich die bessere Gesellschaft zum Musikfest einfindet, wo der Chor „Die jungen Kinder heischen Brot“ anstimmt, müssen in der britischen Industriestadt, dem Zentrum der Kinderarbeit, viele Kleinen wahrhaftig hungern. Generalmusikdirektor Florian Ludwig interpretiert den „Elias“ jetzt mit den Hagener Philharmonikern und dem Philharmonischen Chor Hagen in einer beeindruckenden und berührenden Aufführung als dramatisches, tief religiöses Werk mit vielen Bedeutungsebenen. Das Publikum feiert die großartige Leistung mit begeistertem Beifall.

Zwischen Bach und Händel

Ludwig setzt bei überwiegend getragenen Tempi auf klug disponierte Klangregie, um das gewaltige Opus zu gliedern: Die kraftvollen Naturschilderungen werden in unerwarteten Wechseln den auskomponierten Klang-Symbolen gegenübergestellt. So macht der GMD bereits zum Beginn die Verstörung hörbar, die der Geschichte zugrunde liegt: Der schräg klingende Tritonus, das Fluchmotiv, grollt in bedrohlichen Blechbläserakkorden und kündigt die Dürre an.

Geschickt tariert der Dirigent das Verhältnis von wuchtigen Chorsätzen, Arien und Ensembles aus, darunter so exquisite Nummern wie das Doppelquartett „Die Engel“. Florian Ludwig macht zudem deutlich, wie stark sich Mendelssohn an Bach und Händel orientiert hat und trotzdem einen eigenen Weg beschreitet. Die breit angelegten Szenen etwa beim Regenwunder sind regelrechte Theatercoups. Celina Igelhorst ist der von den Toten auferweckte Knabe, der die in tiefster Not erflehte Wolke erspäht, während im glanzvoll aufgelegten Orchester der Wolkenbruch zum Hörbild wird.

Der Wuppertaler Bariton Kay Stiefermann legt den Elias mit ausdrucksstarker Stimmkultur als komplexen Charakter an: ein Visionär, ein Fanatiker, ein lästiger Zeitgenosse und ein frommer Mensch. In der Arie „Es ist genug“ liegen diese Farben ganz nahe beieinander, mit denen Stiefermann vom Klagelied der Celli begleitet das Psychogramm des Propheten zeichnet: der Zorn über die Stumpfsinnigkeit des Volks, die Verzweiflung über das eigene Scheitern und schließlich die Hingabe an Gottes Plan.

Der Chor hat die Hauptrolle

Der „Elias“ wäre nicht denkbar ohne die Geburt der Singvereine im frühen 19. Jahrhundert. Mit ihnen hat Mendelssohn als Dirigent am Karfreitag 1829 Bachs „Matthäus-Passion“ wiederentdeckt. Sie bilden die Basis eines kulturell-politischen Aufbruchwillens, der einen enormen Bedarf an Musikstücken hervorruft. Im „Elias“ hat der Chor die Hauptrolle, er ist das Volk Israel, die Baalpriesterschaft und die Gemeinschaft der Seraphim zugleich. Mit dem Philharmonischen Chor hat Florian Ludwig ein Instrument, solche Kompositionen adäquat aufzuführen. Die weit über 100 Sängerinnen und Sänger agieren ebenso stimmstark wie flexibel, sie können die schwierigen Fugen sauber intonieren und beherrschen meisterlich die mitreißenden Turba-Einsätze wie „Aber der Herr sieht es nicht“. Wie ein Fenster ins Himmelreich wirkt daneben das Schutzengel-Terzett, „Hebe deine Augen auf zu den Bergen“, ein wunderbarer romantischer Satz, mit beglückender Innigkeit gesungen und von Florian Ludwig mit zartestem Ernst dirigiert.

Der GMD hält den Spannungsbogen in dem langen Werk, er kann die beiden Teile zusammenführen: Denn das biblische Historiendrama wandelt sich zur Passion. Elias muss erfahren, wie der Lobpreis des Volkes in blanken Hass umschlägt, und bei der Himmelfahrt im feurigen Wagen zieht das Orchester alle Register seines Könnens. Die Schlussapotheose mit der Verheißung des Heilands endet schließlich nicht in krachendem Jubel. Florian Ludwig lässt die letzten Akkorde stattdessen in stiller Andacht ausklingen.