Gladbeck. . Die Leute von der Krugstraße pflegen schon lange ein gutes Miteinander. Beim großen Nachbarschaftsfest saßen sie bis nach Mitternacht zusammen.
- Im Jahr 1913 wurden die ersten Zechenhäuser an der Krugstraße in Gladbeck errichtet
- Bergarbeiter zogen dort ein – es lebten immer drei Familien in einem Haus
- Auch die heutigen Bewohner legen viel Wert auf eine gute Nachbartschaft
Eigentlich verläuft das Leben an der Krugstraße ruhig, so richtig lauschig-beschaulich. Aber verschlafen kann man die Menschen, die hier in den gut 100 Jahre alten Zechenhäusern wohnen, dennoch nicht nennen. Von wegen!
Ab und an tun sich nämlich Nachbarn zusammen und lassen unter den uralten Linden ein großes Fest steigen. Und dann kommt so richtig Stimmung auf, wie jetzt wieder beim Straßenpicknick.
Ziemlich spontan war den Organisatoren Jürgen Dreiskemper und Uli Schumann die Idee dazu gekommen.
Nach knapp einem Monat Vorbereitungszeit sei alles organisiert gewesen: Fassbier und Wasser hatten sie zentral geordert, ansonsten hieß die Devise: „Jeder verpflegt sich selbst, kann jedoch beim Nachbarn naschen.“
Treffpunkt war der Vorgarten südlich der Eiche“
Ein Angebot, von dem wohl jeder nur allzu gerne Gebrauch machte: Bei Nudelsalat und Wienern kommt man sich schließlich näher.
Treffpunkt war der „große Vorgarten südlich der Eiche“ – klingt etwas ungenau, doch in einer so kurzen Straße, in der die Hausnummern gerade einmal bis zur 15 vergeben (allerdings mit a, b . . .) sind, wusste jeder, wohin er zu gehen hatte. Gut 60 Erwachsene versammelten sich, und „jede Menge Kinder“, sagt Schumann, „einige Nachbarn hatten sogar ihre Enkel dabei.“
„Ich weiß nicht wieviel Thermomix-Geräte in den Küchen liefen“
Und körbeweise Essen. „Ich weiß nicht, wie viele Thermomix-Geräte am Vorabend in den Küchen liefen“, scherzt Jürgen Dreiskemper, der sich an den Grill stellte. Dips, Quark, Salate, Baguettes, Würstchen kamen auf die Tische.
Nicht zu vergessen das Prunkstück des Festes: ein großer Kuchen, verziert mit dem Logo „Nachbarschaft Krugstrasse Zweckel“. So gut versorgt, bewiesen die Anwohner der kleinen Allee Sitzfleisch: Bis zum frühen Morgen „quasselten“ sie.
Und genau darum ging’s bei diesem Fest, betont Rainer Lenz, der bereits vor vier Jahren ein großes Krugstraßenfest mit hunderten Gästen auf die Beine stellte. Der 58-Jährige lebt mit Frau und zwei Kindern hier in Zweckel seit 16 Jahren; Dreiskempers sind sogar seit 21 Jahren unter den Linden zuhause, und Schumann ist an der Krugstraße aufgewachsen. „Seit meinem fünften Lebensjahr wohne ich hier“, erzählt der 62-Jährige.
1913 wurden die ersten Zechenhäuser an der Krugstraße gebaut
Anno 1913 wurden die ersten Zechenhäuser an der Krugstraße im Grünen errichtet, Bergarbeiter-Familien zogen ein. Allerdings war’s damals, als die Männer auf Zeche Zweckel ihre Kohle verdienten, keinesfalls so komfortabel wie in modernen Zeiten. Drei Familien teilten sich ein Häuschen – heutzutage undenkbar. Liebevoll gepflegte Lauben, mit Sorgfalt und Sinn fürs Detail angelegte Gärten, in denen Blumen und Gemüse gedeihen; gemähte Rasenflächen, hier und da wehende Schalke-Flaggen: Die heutigen Bewohner haben sich ihr eigenes schmuckes kleines Reich geschaffen, schätzen aber dennoch die Nähe zum Nachbarn, Gartenzaun an Gartenzaun.
Nachbarschaftshilfe ist Ehrensache
„Es ist schön, hier zu wohnen“, sagt Jürgen Dreiskemper, „man trifft sich auf der Straße, quatscht mit einander. Und man hilft sich, wenn Not am Mann ist.“ Undenkbar, dass jemand von der Krugstraße allein auf weiter Flur bleibt: „Wir passen aufeinander auf, das ist das Schöne hier.“
Rainer Lenz rückt jedoch das Bild einer Riesen-Familie zurecht: „Wenn etwas ist, sind wir alle für einander da, aber wir hängen uns nicht ständig auf der Bude.“ Die Mischung aus Gemeinschaft und Nähe mache eben das gute Verhältnis unter Nachbarn aus. Königsblaue Fußball-Fans – es gebe nur wenige „Irrläufer“, also Anhänger anderer Vereine – kommen zur Tipp-Runde zusammen, andere feiern gemeinsam Silvester, und ein Schwätzchen vor der Haustür ist immer drin. „Es passiert auch mal, dass sich Schalke-Fans spontan zum gemeinsamen Fernsehgucken treffen“, sagt Lenz. Manche Einfälle, beispielsweise ein Ausflug, könnten in Null-Komma-Nichts umgesetzt werden.
Viele junge Familien sind hinzu gekommen
Die drei Alteingesessenen sind felsenfest überzeugt: „Wer einmal hierher gezogen ist, will auch nicht mehr weg.“ Folglich waren Leerstände eine Rarität. Aber ältere Nachbarn, die seit Jahrzehnten an der Krugstraße daheim waren, seien gestorben: „Nun sind etliche Familien hier neu eingezogen.“
Einander kennen lernen, Kontakte knüpfen, „Neulinge“ willkommen heißen – deswegen „haben wir die Nachbarn auf die Straße geholt“, so Dreiskemper. Rainer Lenz stellt fest: „Es waren selbst Leute da, die erst demnächst hier einziehen.“ Dreiskemper ergänzt: „Und viele mit Kinderwagen . . .“ Ein Zeichen dafür, dass sich die Gesellschaft im „Fürstentum Krugstraße“, wie Schumann mit einem Augenzwinkern witzelt, deutlich verjüngt. Die „Ureinwohner“ lassen keinen Zweifel daran, dass die „Zugezogenen“ sich in der Nachbarschaft einleben und wohl fühlen werden, wie sie selbst . . .
Der Erlös des Festes wird gespendet
Bei all der guten Laune vergessen die Herren Lenz, Dreiskemper und Schumann nicht, dass anderen Menschen Unterstützung gut tun würde. Der Erlös des Straßenpicknicks ist für den Kinderhospizdienst bestimmt. Wieviel Geld das sein wird? Das wissen die Festorganisatoren noch nicht. Sie rechnen mit einer dreistelligen Summe.