Gelsenkirchen. Mit Spannung erwartet: ein Prozess um eine Schrottimmobilie. Die Richter fällten ein Urteil mit Signalwirkung – über Gelsenkirchen hinaus.

Die Stadt hat einen juristischen Erfolg im Kampf gegen Schrottimmobilien erzielt. Das hiesige Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Inhaber einer Schrottimmobilie den Abriss durch die Kommune hinnehmen muss. Streitobjekt in der Verhandlung vor der 6. Kammer unter dem Vorsitz von Peter Henke waren die beiden Hochhäuser an der Emil-Zimmermann-Allee 1/Horster Straße 201-203. Sie stehen seit rund 20 Jahren leer und verfallen immer mehr.

Die Stadt hatte dem Eigentümer auf Grundlage der Paragrafen 175 und 179 des Baugesetzbuches ein „Rück- und Entsiegelungsbaugebot“ auferlegt, gegen das sich der Besitzer gerichtlich wehrte. Mit dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist und das wahrscheinlich eine Prüfung durch höhere Instanzen erfährt, eröffnen sich der Stadt Gelsenkirchen diese Möglichkeiten: Erstens, den Abriss in Eigenregie durchzuführen. Und zweitens, den Lagewert des Grundstücks zur Begleichung zumindest eines Teils der Kosten dem Eigentümer in Rechnung zu stellen.

OB Karin Welge ist „sehr froh darüber, dass wir hiermit die Verantwortung der Immobilieneigentümer für unsere Stadt einfordern können“. Die SPD-Fraktion hob die „überregional große Bedeutung“ des Urteils für ebenso betroffene Städte hervor.

Im Falle der beiden Hochhäuser (Fläche: 3350 Quadratmeter) mit zusammen 39 Wohnungen belaufen sich die Abrisskosten nach Einschätzung der Stadt auf zwei Millionen Euro, demgegenüber steht ein Lagewert von rund 690.000 Euro.

Die Missstände und Mängel in den Häusern sind unstrittig

Das Gericht hatte im Kern darüber zu entscheiden, ob eine Modernisierung oder Instandsetzung der Immobilien dem Eigentümer abzuverlangen ist. Nach Meinung der Kammer ist beides wegen Unwirtschaftlichkeit unzumutbar - wodurch die städtische Verfügung als rechtmäßig anzusehen sei. Die Missstände und Mängel in den Häusern waren in der Verhandlung unstrittig.

Diskussionsstoff lieferten allerdings mehrere Kostenschätzungen und -berechnungen eines unabhängigen Gutachters für die beiden Objekte, die auf die Jahre 2019, 2021 und 2022 zurückgehen. Der Vorsitzende Richter Peter Henke bemängelte, dass „wild Zahlen hin und her geschoben“ worden seien und es in den Gutachten „eklatante Unterschiede“ gegeben habe. Hintergrund: Preissprünge von 80 bis 250 Prozent, dazu waren die Kosten in früheren Jahren deutlich höher als in der letzten Berechnung – obwohl in den vergangenen Jahren die Material und Baupreise geradezu explodiert sind.

Das fiel für die Urteilsfindung der Richter letztlich nicht ins Gewicht, weil unter dem Strich in allen Berechnungen der „Ertragswert der Hochhäuser extrem negativ ausfällt“ und eine Korrektur daran nichts geändert hätte.

Als „mysteriös“ stufte das Gericht die von der Stadt seit vergangener Woche dokumentierten Bautätigkeiten auf dem Grundstück in Buer ein, von denen die Eigentümerseite nach eigenem Bekunden „nichts weiß“ und diese auch nicht „in Auftrag gegeben hat“. Verwaltungsdirektor Hans-Joachim Olbering hingegen zeigte die am „Prozesstag gemachten Bilder“ während der Verhandlung. Auf dem Grundstück in Buer sei „ein Podest für einen Abrisskran“ aufgeschüttet worden, eine Dattelner Firma habe „Mannstunden und Geräte wie Bagger“ bereitgestellt und ein Herner Unternehmer sei dort im Auftrag des Besitzers tätig. Nachmittags waren Mensch und Material indes wieder verschwunden.