Fröndenberg. Keine Kita, keine Schule, kein Vereinsleben: Die Situation in Familien ist angespannt. Eine Beratungsstelle hat ein Krisentelefon geschaltet.

Eltern und Kinder kommen aktuell Zuhause schnell an ihre Grenzen: Die Nerven liegen blank, die Geduld ist am Ende und der Kopf gefüllt mit Fragezeichen. Die psychologische Erziehungsberatungsstelle des Kreises Unna ist für Fröndenberg zuständig und bietet ab sofort telefonisch Rat und Hilfe an.

"Die Eltern sind aktuell mit vielen eigenen existenziellen Themen beschäftigt", sagt die Leiterin der Beratungsstelle Inga Richter. Die Corona-Krise bringt viele Unwägbarkeiten mit sich: In vielen Familien ist der Leidensdruck aktuell hoch. Eltern müssen wegen Kita- und Schulschließungen die Betreuung ihrer Kinder selbst organisieren. "Bei vielen sind die Großeltern ein fester Bestandteil des Systems. Dieser fällt nun weg."

Verbale oder körperliche Gewalt verhindern

Oft können Eltern wegen des strengen Kontaktverbotes und den massiven Einschränkungen ihrer Arbeit nicht in vollem Umfang nachgehen - einige sind in Kurzarbeit oder haben wegen ausbleibender Aufträge gravierende Einkommenseinbußen. Noch dazu wollen die Kinder Zuhause bespaßt werden. Fünf Wochen ohne Kita und Schule, ohne Fußball, Musikschule und Verabredungen. "Die Eltern sind dann am Ende ihrer Kräfte und werden dann vielleicht laut oder unfair. Sie wissen nicht mehr, was sie noch tun sollen", sagt die Expertin. Es entstehe Gewalt, verbal oder körperlich. "Die Zahl steigt in solchen Krisen. Das ist in der Literatur bekannt."

"Es geht darum, Entlastung zu finden. Es hilft darüber mit einem Erwachsenen zu reden", sagt Inga Richter. Besonders Elternteile, die niemanden zum Reden haben, sollten ihre Sorgen nicht mit den Kindern besprechen, sondern sich lieber an das Krisentelefon wenden. Die Experten versuchen dann, Lösungswege aufzuzeigen und hören geduldig zu. "Keine Frage ist doof", sagt Inga Richter. Im Notfall könne Richter auch Kontakte zu anderen Hilfen wie dem Allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes vermitteln. "Wir haben kurze Wege."

Auch Kinder und Jugendliche können sich melden

Auch für den Nachwuchs ist die aktuelle Situation nicht leicht. "Man muss ihnen die Lage erklären. Kinder merken, dass aktuell ein absoluter Ausnahmezustand herrscht", sagt Inga Richter. Doch anders als Erwachsene könnten sie damit nicht rational umgehen und die Tragweite verstehen. Das sei okay und völlig normal. "Kinder vermissen ihren Alltag. Sie können die Situation nicht richtig einschätzen. Sie sagen dann 'Ich will aber zum Fußball gehen' und das immer wieder. Das bringt Eltern zum Verzweifeln."

Kinder und Jugendliche dürfen sich gerne bei der Hotline melden, wenn sie Angst haben oder überfordert sind mit der Situation zuhause. Wenn Mama die ganze Zeit weint und sie nicht weiter wissen beispielsweise. "Wir werden die Situation dann einschätzen und schauen, wie wir damit umgehen", sagt Inga Richter.

Tipps für den stressigen Alltag

Die Erziehungsberatungsstelle des Kreises Unna ist von Montag bis Freitag erreichbar. Wichtig: Alle Gespräche werden vertraulich behandelt und die Beratung ist kostenlos. Sie findet unabhängig von Glauben, Konfession und Weltanschauung statt. Eltern müssen keine Angst haben, dass ihnen die Kinder weggenommen werden, wenn sie sich an die Beratungsstelle wenden und von ihren Problemen erzählen.

Generell rät die Expertin den Druck aus der Situation zu nehmen. "Der Haushalt muss nicht perfekt sein, die Wäsche nicht gebügelt. Und heute Abend reicht vielleicht auch eine Tiefkühlpizza als Abendessen für die Familie, wenn es mit dem Einkauf nicht gut geklappt hat. Das ist okay", sagt Inga Richter. Es könne in einer so belasteten Situation nicht alles sofort klappen. "Es ist normal überfordert zu sein."

Familien sollten an Ritualen festhalten, die dem Tag eine Struktur geben. Das helfe den Kindern und entspanne auch die Eltern. Wenn sich eine Situation dennoch extrem hochschaukle, dann helfe es, diese für einige Minuten zu verlassen. "Man kann versuchen sich zehn Minuten Pause zu verschaffen. Je nachdem wie alt die Kinder sind."

Finanzielle Unterstützung für Eltern in Not

Die Bundesregierung reagiert auf die Corona-Krise und hat ein Notfall-Maßnahmenpaket beschlossen, dass Familien helfen soll. Eltern, die wegen wegbrechender Einnahmen in Not geraten, können künftig unbürokratisch einen Notfall-Kinderzuschlag beantragen. Diese Leistung soll Geringverdiener mit Kindern vor dem Abrutschen in Hartz IV bewahren. Der Zuschlag beträgt bis zu 185 Euro und wird zusätzlich zum Kindergeld gezahlt.

Als Nachweis reicht für den Zeitraum bis Ende September dieses Jahres der Einkommensbeleg aus dem vergangenen Monat statt der bisher üblichen Belege der letzten sechs Monate. Diese Regelung soll befristet bis zum 30. September 2020 gelten. Der Antrag kann online gestellt werden.

Der Kontakt

Die Nummer des Krisentelefons der Beratungsstelle lautet 02301/945940. Geschaltet ist es montags bis donnerstags von 8 bis 15.45 Uhr und freitags von 8 bis 12.30 Uhr.