Fröndenberg. . „Münte“ macht müde Genossen munter. In Fröndenberg hingen sie an seinen Lippen. Warum es so gut funktionierte.
Eines war vorher schon klar. Dem heimischen Bundestagsabgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) war ein Coup gelungen. Der Kandidat hatte für eine Abendveranstaltung in Fröndenbergs Kulturschmiede keinen Geringeren als den ehemaligen sozialdemokratischen Vize-Kanzler Franz Müntefering verpflichtet. Die Diskussionsrunde „Demokratie hat keinen Schaukelstuhl“ sollte dem verzagten Wahlkampf der Genossen Schwung geben. Die Rechnung ging auf. Dafür gibt es gute Gründe. Eine Analyse.
Montag, 19 Uhr. Der Tag nach dem TV-Duell. CDU-Kanzlerin Angela Merkel hat gegen SPD-Herausforderer Martin Schulz gepunktet. Verzagtheit hängt im Raum. Mancher spricht es hinter vorgehaltener Hand sogar deutlich an. Was motiviert die Sozis? Die Hoffnung ruht auf „Münte“.
Der 77-jährige Star-Gast kommt pünktlich. Mit seinem 30 Jahre jüngeren Gastgeber Oliver Kaczmarek betritt er den rustikal-schicken Markus-Lüpertz-Saal. Das Duo wirkt wie Vater und Sohn. Kaczmarek sieht einen gut gefüllten Raum. Moderatorin Babette Horschler wird die Menge später auf „70 bis 80 Leute“ schätzen. Über Kaczmareks Gesicht huscht ein Lächeln.
Klare Meinung zu Lobbyisten
Viele graue Häupter sind dabei. Aber genaueres Hinsehen lohnt. Die Jusos haben den Abend organisiert. Vorsitzender Sebastian Kratzel: „Wir sind mit zwölf Leuten da.“ Am Ende wird sich Juso Torben Böcker zu Wort melden. Er berichtet von europakritischen jungen Leuten. Bei aller Sympathie für die EU hat der 23-Jährige eine klare Meinung: „Der Lobbyismus muss beschränkt werden. Es kann nicht sein, dass Lobbyisten mehr Einfluss auf Gesetze haben als die Bürger.“ Dafür erntet Böcker den lebhaftesten Applaus an einem Abend, der weithin an ein politisches Wohlfühl-Seminar erinnert.
Abteilung Attacke hat Pause
Das ist gewollt. Wahlkampf der Abteilung Attacke bleibt draußen. Müntefering hält sich dran. Er gibt den weisen Staatsmann.
Dennoch gelingt dem einst starken Mann der SPD ein Kunststück. Der 77-Jährige, drahtig und fit wie viele Jüngere nicht, wirkt keineswegs abgehoben. Im Gegenteil: Er ist ansprechbar, nahbar, sucht beinahe Tuchfühlung mit der durchweg sozialdemokratischen Gästeschar. Für sie ist er „der Franz“.
Der Weckruf
Am besten kommt der Meister der kurzen Sätze an, wenn er – wie er selbst mal sagte – „klare Kante“ zeigt. Zu jungen Wählern sagt der kernige Neheimer: „Ihr seid 3x7, Ihr müsst selbst wissen, was Ihr macht.“ Noch deutlicher äußert er sich zu Rechtspopulisten: „Es bringt wenig, wenn wir sie beschimpfen. Wir müssen selbst gut sein.“ Plötzlich wird der müde Abend munter. Der Saal hat sich nach einem Weckruf gesehnt.