Gevelsberg. .

Für die Verteidigung war es bis zuletzt ein zähes Ringen um einen Freispruch. Aber für die Richter der 9. Großen Strafkammer des Hagener Landgerichts stand fest: Der 29-jährige Angeklagte ist der Mann, der eine Frau brutal mit einer Bierflasche attackiert hat, weil er an ihre Geldbörse wollte. Das Gericht hat den Mann gestern wegen versuchten besonders schweren Raubes zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Bis auf einen Antrag alle abgelehnt

Die Verteidigung hatte bis zuletzt alles getan, um zu beweisen, dass ein Unbekannter den brutalen Überfall im Dezember verübt hat. Dazu beitragen sollten sechs am vorhergegangenen Verhandlungstag gestellte Beweisanträge. Unter anderem sollten weitere Zeugen geladen werden, eine Besichtigung des Tatorts war beantragt, um zu zeigen, dass ein Täter jederzeit unerkannt in eine der vielen, engen Nebenstraßen hätte entwischen können. Aber alle Anträge wurden bis auf einen abgelehnt. Die Begehung des Tatorts lehnten die Richter zum Beispiel ab, weil die Bewegungen der Zeugen und auch die zeitliche Abfolge des Geschehens heute kaum noch zu rekonstruieren seien. Auch eine in Tatortnähe gefundene Mütze, die nicht dem Angeklagten gehört, sei als Beweisstück unnütz.

Die Verteidigung blieb bis zum Schluss dabei, dass ihr Mandant lediglich der erste Helfer am Tatort gewesen sei – so wie der 29-Jährige es in seiner Einlassung beteuert hatte. „Wir haben nicht den zwingenden Schluss, dass der Angeklagte der Täter war“, beharrte die Verteidigung während ihres Plädoyers.

Es seien während des Verfahrens immer wieder Rückschlüsse zu Lasten ihres Mandanten gezogen worden. „Dass er als erster Zeuge am Tatort war, nur polnisch sprach und sich nicht erklären konnte, wurde ihm zum Verhängnis“, so die Verteidigung.

Richter sahen Zweifel nicht

Aber aus Sicht der Richter war es klar, dass der 29-Jährige auch der Mann war, der der 71-jährigen Frau eine Bierflasche auf dem Kopf zertrümmert hatt und dass der betrunkene Mann sie auf diese Weise schwer verletzen wollte, um an ihre Geldbörse zu kommen. Die „vielen Ungereimtheiten und Zweifel“ der Verteidigung sahen die Richter nicht. Sie zogen als ein Beispiel die heftige Gegenwehr des Angeklagten heran, der sogar noch tobte, als ein Polizist kam, der seine Sprache sprach. „Warum hat er da nicht erklärt, dass sie den Falschen haben? Es ist unrealistisch, sich weiter zu wehren, wenn man doch klarmachen will, dass man es nicht war“, erklärte der Vorsitzende Richter gestern Nachmittag in der Urteilsbegründung.

Unglaubhafte Geschichte

Dass ein Mensch unerkannt im dunklen Straßengewirr verschwinden kann, taten die Richter zwar nicht ab, hielten aber die Geschichte des Angeklagten vom südländischen Unbekannten, der der wahre Täter sei, für völlig unglaubwürdig. Eine derartige Täterbeschreibung sei „wenig originell“.

Besonders schwerwiegend sahen die Richter die Folgen der Tat für das 71-jährige Opfer. Die Frau leidet nach wie vor unter großen Ängsten, traut sich nicht allein auf die Straße. Vor Gericht klagte sie über Missempfindungen und dass die Kopfwunde schlecht verheile, die sie infolge des wuchtigen Schlages mit der Flasche erlitten hatte.

Am Ende lautete das Urteil sechs Jahre Gefängnis wegen versuchten besonders schweren Raubs und gefährlicher Körperverletzung. Damit folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Weil beim Angeklagten eine Alkoholsucht besteht, die laut eines Sachverständigen mit Sicherheit zu weiteren Taten führen werde, veranlassten die Richter zudem eine Unterbringung des 29-jährigen Mannes in einer Entziehungsanstalt.