Schwelm. .

Die Nachbarschaft in der Schwelmer Sedanstraße ist ruhig. Die Mehrfamilienhäuser in dem Stichweg stehen dicht beisammen, Hunde bellen, Kinder fahren Fahrrad auf der Straße. Doch seit Mittwoch ist die heile Welt inmitten der Kreisstadt aus ihren Fugen geraten. Mordkommission und Spurensicherung geben sich die Klinke in die Hand. Nachbarin Waltraud F. (88) ist auf grausame Weise umgebracht worden.

Eine Mitarbeiterin eines Pflegedienstes und die eigene Tochter fanden sie am Mittwochmorgen geknebelt und gefesselt auf dem Rücken in ihrer kleinen Wohnung liegen. Da war sie, so geht es aus den Obduktionsergebnissen hervor, bereits seit mehreren Stunden tot – erwürgt. Die letzte Person, die Waltraud F. lebend gesehen hat, war die Pflegekraft, die ihr die Medikamente am Dienstagmorgen, 22. Oktober, brachte.

Furcht bei den Nachbarn

Waltraud F. war beliebt in dem Mehrfamilienhaus, in dem sie in der obersten Etage wohnte. „Sie war stets sehr nett“, sagt eine Nachbarin, die vollkommen fassungslos über die unglaubliche Tat an der alten Frau ist, die unter Demenz litt. „Sie hat öfter mal etwas auf dem Herd anbrennen lassen, weil sie die Töpfe vergessen hat oder eingeschlafen ist.“ Alle im Haus haben der netten 88-Jährigen helfen wollen, wo sie nur konnten. „Doch sie wollte sich ungern helfen lassen.“

Mitbekommen habe sie von dem Mord zwei Etagen über ihrer Wohnung nichts. „Es war kein Lärm im Haus, ich habe niemand Unbekanntes im Flur gesehen“, sagt die Frau.

Dass ihre Nachbarin nun im Haus getötet wurde, versetzt die anderen Bewohner in Schrecken. Vor allem eine 89-jährige Mieterin fürchtet sich nun sehr, allein in ihrer Wohnung zu sein. Die Hausverwaltung hat bereits das Schloss der Außentür wechseln lassen, denn noch ist unklar, wie der Täter überhaupt ins Haus und in die Wohnung von Waltraud F. gelangen konnte.

„Sie hat bereits öfter ihren Schlüssel verloren“, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Rahmer gestern Nachmittag auf der Pressekonferenz im Kreishaus, die er gemeinsam mit dem Leiter der zehnköpfigen Mordkommission, Thomas Hauck, sowie der Pressesprecherin der Kreispolizeibehörde des Ennepe-Ruhr-Kreis, Birte Boenisch, hielt. Denn Einbruchsspuren haben die Ermittler nicht festgestellt. „Es gibt zwar Hebelspuren an der Tür, doch die scheinen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älteren Datums zu sein und Türöffnungen zu entstammen, als Waltraud F. ihren Schlüssel in der Wohnung vergessen hatte“, sagte Oberstaatsanwalt Rahmer in diverse Fernsehkameras, die im Kreishaus mitliefen.

Familienmitglieder, die Schlüssel zur Wohnung haben, scheiden laut Staatsanwaltschaft aus dem Kreis der Verdächtigen aus. „Diesen Eindruck hatten wir zu keiner Zeit“, sagte Rahmer.

Die Mordkommission und die Spurensicherung gehen weiterhin ausgesprochen behutsam und sehr akribisch vor, die Wohnung ist polizeilich versiegelt. „Wir haben diverse Spuren gefunden, darunter auch DNA, die erst noch untersucht werden muss“, sagt Rahmer. Die gesammelten Spuren werden nun vom Landeskriminalamt untersucht. Außerdem setzen die Ermittler ihre Befragungen in der Nachbarschaft fort. „Wir haben im direkten Wohnungsumfeld begonnen und werden nun weiter nach außen gehen“, teilte Thomas Hauck mit. Heißt: Nach und nach werden die Nachbarn in der Sedanstraße befragt – stets in der Hoffnung auf einen Hinweis, der zum Täter führen könnte.

Neben dem Täter tappen die Ermittler auch beim Motiv im Dunkeln. In der durchwühlten Wohnung lag zwar ein geöffnetes, leeres Portemonnaie auf dem Küchentisch, doch über mögliche Beute kann derzeit nur spekuliert werden. „Wir wissen nicht, wie viel Bargeld oder Schmuck Frau F. im Haus hatte. Doch generell lebte sie in ausgesprochen bescheidenen Verhältnissen“, sagte Rahmer. Ein aus dem Ruder gelaufener Trickdiebstahl, eine geplante Tat – „alles ist derzeit möglich und denkbar“, so der Oberstaatsanwalt, der die Bevölkerung um ihre Mithilfe bittet (siehe unten stehender Bericht.)

Das beruhigt die Anwohner der Sedanstraße nur bedingt. Sie möchten vor allem eines zurück haben, was sie während der vergangenen Jahre in ihrem kleinen Stichweg, der plötzlich deutschlandweit in den Medien eine große Beachtung findet, stets geschätzt haben: Ruhe und Sicherheit