Gevelsberg.
Es sind drei ungewöhnliche Männer. Martin Hirscher, Michael Neufang und Frank Richter haben einst auf dem Reichenbach-Gymnasium in Ennepetal Freundschaft geschlossen - und die hält immer noch. Schon das ist bemerkenswert. In diesem Jahr haben die drei Männer gemeinsam ihren 50. Geburtstag gefeiert. Rund 110 Gäste waren zu der Party auf Gut Braband nach Ennepetal gekommen. Auf Geschenke hat das Trio verzichtet und stattdessen 1569 Euro an Spenden für das Hospiz Emmaus in Gevelsberg gesammelt.
„Das ist uns näher als die Jugendarbeit“, erklärt Frank Richter den Grund für die Wahl. Sein Vater ist schwer krank und soll später einmal nicht im Heim diese Welt verlassen. Martin Hirscher hat als Lehrer an der Gesamtschule in Haßlinghausen ein krebskrankes Kind in seiner Klasse. Manchmal ist der Tod näher, als man denkt. Und im Gegensatz dazu steht: „Wenn man nach einem Geschenk gefragt wird, dann fällt einem doch nichts ein.“
Bunte Bilder von Sterbenden
Helga Grams, Leiterin der Einrichtung, empfängt die drei Herren mit der für ihre Einrichtung erfreulichen Idee. Private Spenden nimmt sie oft entgegen, „aber das ist schon außergewöhnlich.“ Die drei Geburtstagskinder bringen nicht nur einfach das Geld vorbei, sie interessieren sich für die Arbeit im ökumenischen Hospiz, die sich der Laie ganz anders vorstellt.
Bunte Bilder, gemalt von Sterbenden oder trauernden Angehörigen hängen an den Wänden. „Wir lachen hier auch viel“, sagt Helga Grams. Und fast im selben Atemzug berichtet sie vom Gegenteil, davon, dass vermehrt junge Mütter und Väter in den Tod gehen und dann die Frage beantwortet werden muss: „Wie sage ich es meinen Kindern.“
Dabei hilft Max. Max ist eine Puppe. Den Namen hat der Blondschopf von dem ersten Kind, dass das Hospiz beim Sterben begleitet hat. Max hört zu, wenn Kinder zum Beispiel erzählen, wie sie sich vor Angst unter dem Tisch versteckt haben und deshalb beobachtet mussten, wie die Sanitäter versucht haben, ihren Opa oder ihre Oma zu reanimieren: „Sie vergessen dann den Erwachsenen hinter der Puppe.“ Hirscher, Neufang und Richter sind von solchen Erzählungen sichtlich ergriffen.
Max bereitet die Kinder, die meist dabei sein wollen, auch auf die Beerdigung von Mutter oder Vater vor, damit sie nicht geschockt sind von den vielen weinenden und ratlosen Menschen am Grab.
Helga Grams ist mit Max einmal zu einer Beerdigung nach Wuppertal gefahren, weil es ein Kind so wollte. „Ich hatte kein Navi, kam in einen Stau und zu spät an.“ Die Kirchentür knarrte, die Trauergemeinde blickte sich um. Das Mädchen rief empört: „Max, du bist zu spät.“ Die Gemeinde musste trotz der großen Trauer lachen. „Kinder“, sagt Helga Grams, „sehen die Situation ganz anders.“
Zum Beispiel Nadine, eine elfjährige Grundschülerin, die sterben musste. Nicht nur ihre Lehrer, auch ihre Klassenkameraden kamen mit dem bevorstehenden Abschied nicht zu recht. „Wir haben ein Sargtuch ausgearbeitet“, sagt Helga Grams. Die Mitschüler hinterließen darauf den Abdruck ihrer linken Hände in Farbe: „Die Linke kommt vom Herzen.“ Jedes Kind hat noch eine Botschaft dazu geschrieben. „Nadine war inzwischen blind, ich habe ihr die Notizen vorgelesen. zu jedem Satz eines Mitschülers hatte sie eine Bemerkung.“
Nicht nur Kinder werden von dem Hospiz Emmaus in den Tod begleitet, auch Erwachsene, auch Hinterbliebene. Es besteht eine Rufbereitschaft rund um die Uhr. „Besonders nachts geraten die Leute in Panik, wenn jemand stirbt“, erklärt Helga Grams den drei Spendern. „Der Sterbende ist der König“, fügt sie hinzu und erklärt, was man bei der Begleitung auch für das Leben lernen kann: „Die Menschen, die sich im Leben nichts gegönnt haben, sind beim Sterben am meisten verbittert. Sie haben das Gefühl, etwas im Leben verpasst zu haben.“
Und Helga Grams zeigt den Spendern auch die Pläne für den Bau eines Beratungs-, Begleitungs- und Begegnungszentrums an der Hagener Straße. „Das wird absolut kein Limburg.“ Die ausrangierten Büromöbel der Sparkasse hat sich das Hospiz dafür gesichert. Endlich steht das enge Treppenhaus in der alten Herberge nicht mehr im Weg. Menschen, die auf dem Rollstuhl oder einen Rollator angewiesen sind oder einfach nicht mehr gut gehen können, haben dann keine für sie unüberwindbare Barriere mehr vor sich.
Die 1569 Euro von den Geburtstagskindern sind also gut angelegt. Davon waren Martin Hirscher, Michael Neufang und Frank Richter allerdings auch schon vorher überzeugt. Neufang hat der Besuch im Hospiz noch mehr ins Nachdenken gebracht. „Ich kann mir“, so überlegt der Jurist, „vorstellen, über eine ehrenamtliche Mitarbeit nachzudenken.“
PS: Auf der Feier zu ihrem 40. Geburtstag hatten Martin Hirscher, Michael Neufang und Frank Richter ihre Gäste um eine Spende für die Aids-Hilfe gebeten.