Ennepetal/Hagen. .

Der gefährliche Mix aus Drogen, Alkohol und Tabletten trieb eine 27-jährige Ennepetalerin immer wieder dazu, Straftaten zu begehen. Im Rausch wurde die suchtkranke Frau zur Angreiferin, Diebin und zum Risiko für den Straßenverkehr. Jetzt stand sie vor dem Hagener Landgericht. Ihr drohte die Unterbringung in der Psychiatrie oder im Entzug.

Der Lebenslauf der jungen Ennepetalerin erinnert an die klassischen Drogenkarrieren vieler Suchtkranker.

Gemobbt und falsche Freunde

Als Teenager von ihren Mitschülern gemobbt, begab sich die damals 16-Jährige auf die verzweifelte Suche nach Freunden. Sie fand „Freunde“, die sie auf die schiefe Bahn brachten. Schnell waren der erste Joint geraucht und weitere Drogen ausprobiert. Schließlich konsumierte die 27-Jährige alles, was sie in irgendeiner Form berauschen konnte.

2005 geriet sie zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt, danach regelmäßig. Erschwerend hinzu kamen eine Persönlichkeitsstörung und Epilepsie. Unzählige Versuche, die psychische Erkrankung und die Sucht zu behandeln, scheiterten. Für ihre Betreuerin wurde es letztlich fast unmöglich, eine Einrichtung oder eine Klinik zu finden, die bereit war, die Ennepetalerin aufzunehmen. Zuletzt erhielt sie Methadon, konsumierte dennoch weiter Alkohol, Drogen und Tabletten. Nicht umsonst erklärte sie ihrer Betreuerin unlängst: „Ich bin bald tot.“

Im Jahr 2011 beging die Ennepetalerin gleich eine ganze Reihe von Straftaten. Ostern stahl sie aus einer Tasche, die während eines Gottesdienstes in der Sakristei einer hiesigen Kirche lag, eine Spielekonsole inklusive Spielen. Im September fuhren sie und ein Sozius mit einem Roller durch die Stadt, obgleich sie für den Transport eines Beifahrers einen Führerschein benötigt hätte. Nahezu überflüssig zu erwähnen, dass sie bei dieser Fahrt außerdem unter dem Einfluss berauschender Mittel stand. Nur wenige Tage später leistete sie der Polizei, die sie nach einem ignorierten Platzverweis in Verwahrung nehmen wollte, erbitterten Widerstand, schlug um sich und traf dabei einen Beamten. Zuletzt, nur einen Tag später, warf sie auf dem Stadtfest eine Bierflasche in die Richtung ihres Ex-Freundes und dessen Begleiter, verfehlte die Männer jedoch glücklicherweise. Wieder erschien die Polizei, wieder leistete sie Widerstand.

Die traurige Bilanz: Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzliche Körperverletzung und versuchte gefährliche Körperverletzung – begangen im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit. Zunächst befasste sich das Amtsgericht Schwelm mit ihren Taten, kam jedoch zu dem Entschluss, dass im Fall der Ennepetalerin eine Unterbringung in der Psychiatrie in Frage komme. Damit war das Amtsgericht nicht mehr zuständig und verwies das Verfahren an das Landgericht.

Die 9. Strafkammer verhandelte die Sache jetzt – und stand vor einem Problem. Zwar räumte die Angeklagte ihre Taten ein, soweit sie sich an die Vorfälle erinnern konnte und äußerte sich auch ansonsten offen zu ihrem massiven Suchtproblem. Allerdings konnte die Unterbringung in der Psychiatrie oder im Entzug nur dann angeordnet werden, wenn weitere erhebliche Straftaten von der 27-Jährigen zu erwarten waren. Und genau das war der Knackpunkt: Sicherlich, daran bestanden überhaupt keine Zweifel, würde die junge Frau immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Jedoch nicht in einem so erheblichen Ausmaß, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorhanden gewesen wären.

Das bemerkenswerte Engagement ihrer Betreuerin offenbarte die Lösung: Gerade erst erhielt sie die Zusage, dass ihr Schützling einen Platz in einer Therapieeinrichtung in einem anderen Bundesland erhalten könne. Voraussetzung: eine vorherige Entgiftung in einem Krankenhaus.

Das Gericht entschied, der Ennepetalerin eine letzte Chance zu geben, verurteilte sie zu einem Jahr Haft auf Bewährung und erteilte ihr die Auflage, die Therapie anzutreten. Eine offenbar tatsächlich letzte Gelegenheit, dem ansonsten relativ sicheren Drogentod zu entkommen. „Dann wünsche ich Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute“, so der Vorsitzende Richter Dieter Krause.