Essen. Nach dem Unfall auf der Gevelsberger Kirmes wirbt der Schaustellerbund um Vertrauen in die Volksfeste: Fahrgeschäfte würden in Deutschland äußerst streng kontrolliert. Auch der TÜV betont, dass Karussells in Deutschland sicher seien. Das NRW-Bauministerium will den jüngsten Unfall untersuchen.

Im September 2009 gerät eine Elfjährige mit dem Bein unter das "Höllentaxi" auf der Kirmes in Moers - sie schwebt anschließend in Lebensgefahr, verliert ihren Fuß. Ende Mai 2010 stürzt auf einem Schützenfest in Lüdenscheid die Gondel des Fahrgeschäfts "Commander" ab - neun Menschen werden verletzt. Dasselbe passiert knapp zwei Jahre später in Bremen erneut, diesmal werden zwei Menschen leicht verletzt. Ebenfalls in Bremen löst sich im Oktober 2010 eine Gondel des Fahrgeschäfts "Krake", schleudert gegen ein Geländer und verletzt neun Menschen schwer. Und jetzt der Unfall auf der Gevelsberger Kirmes: Zwei Frauen werden schwer verletzt, fünf weitere Menschen leicht, weil sich eine Gondel im "Schlager-Express" löst. Fünf Unglücksfälle auf Volksfesten aus den vergangenen Jahren - fünf Fälle, die Kirmesbesucher verunsichern. Wie sicher sind unsere Karussells?

"Sehr sicher", sagt Albert Ritter. Er ist Präsident des Deutschen Schaustellerbundes und wirbt nach dem Unfall in Gevelsberg um Vertrauen. So etwas sei natürlich "der schlimmste Fall der Fälle", sehr bedauerlich - aber eben auch ein Einzelfall. Rund 10.000 Kirmessen, Rummel und Volksfeste mit rund 100 Millionen Besucher gebe es jedes Jahr in Deutschland, die allermeisten ohne Unfälle. Denn: "Wir haben in Deutschland die strengsten Sicherheitsvorschriften der Welt", betont Ritter.

Fahrgeschäfte müssen durch "enges Netz von Prüfungen"

"Fahrgeschäfte in Deutschland sind weiterhin sicher", beruhigt auch Frank Ehlert, Sprecher beim TÜV Rheinland. Durch ein "ziemlich enges Netz von Prüfungen" werde die "Sicherheit auf jeder Kirmes gewährleistet, sagt er. Sämtliche Karussells, Achterbahnen und andere Fahrgeschäfte, die auf Kirmessen und Volksfesten zum Einsatz kommen, müssen von Prüf-Institutionen wie dem TÜV zugelassen und anschließend regelmäßig abgenommen werden. Das regelt die Landesbauordnung.

Kirmesunfall in Gevelsberg

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    Rund 750 solcher "Fliegender Bauten" prüft der TÜV Rheinland nach eigenen Angaben alleine pro Jahr in Deutschland. Die Prüfer seien entsprechend qualifiziert und intensiv ausgebildet, betont Frank Ehlert. Zusätzlich zu den regelmäßigen grundsätzlichen Betriebsprüfungen gebe es für jedes Fahrgeschäft auf jeder Kirmes noch eine Bauabnahme.

    NRW-Bauministerium geht dem Gevelsberger Unfall nach

    "Fliegende Bauten müssen sicher sein", betont eine Sprecherin des NRW-Bauministeriums auf Anfrage. "Deshalb unterliegen sie hohen technischen Anforderungen und regelmäßigen Kontrollen durch die Bauaufsicht und den TÜV. Wir gehen dem Vorfall bereits nach."

    Absolute Sicherheit, das betonen alle Gesprächspartner, werde es jedoch niemals geben - auf Kirmessen genauso wenig wie etwa auch im Straßenverkehr.

    Polizei ermittelt in Gevelsberg "in Richtung Materialermüdung"

    Hätte der bereits Ende der 1970er-Jahre gebaute "Schlager-Express" wegen seines Alters längst aus dem Verkehr gezogen werden müssen? Die Kripo ermittelt nach dem Unfall in Gevelsberg "in Richtung Materialermüdung", bestätigte Polizeisprecher Dietmar Trust. Materialermüdung müsse man natürlich ernst nehmen, sagt Frank Ehlert, der Sprecher vom TÜV Rheinland. Gleichwohl spreche nichts gegen den Betrieb, "wenn ein Fahrgeschäft vernünftig und gründlich gewartet wird".

    Dass auf der Gevelsberger Kirmes ausgerechnet eine Raupenbahn verunglückte - Albert Ritter vom Schaustellerbund kann sich das "nicht erklären". Das Karussell vom Bautyp "Musik-Express" sei seit Jahrzehnten bewährt, stamme von einem grundsoliden Herstelle, gelte als Familienfahrgeschäft. Selbstverständlich werde man den Unfall gemeinsam mit Vertretern der Landesbauämter im "Arbeitskreis Fliegende Bauten" analysieren und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen.

    So lange aber habe er weiter "absolutes Vertrauen" in die Sicherheitsvorschriften und Prüfroutinen in Deutschland, betont Ritter. Am Donnerstag, sagt er, habe er einen Termin auf einer Kirmes in Berlin - und werde da auch selbst wieder "Musik-Express" fahren.