Ennepe-Ruhr. Der Ennepe-Ruhr-Kreis kürzt die Finanzierung seines Frauenhauses – obwohl immer mehr Frauen und Kinder diesen Schutz brauchen.
Einen Schlag ins Gesicht verteilten die Politiker des Kreistags des Ennepe-Ruhr-Kreises den Betreibern des Frauenhauses. Denn: Obwohl die Anzahl derer, die Schutz vor ihren Peinigern suchen, steigt und die Gewalt, die ihnen auf allen Ebenen angetan wird, immer brutaler wird, reduziert der Ennepe-Ruhr-Kreis seine Zuschüsse für diese Institution erheblich.
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AfD, CDU, FDP, SPD und Grüne votierten in der vergangenen Sitzung des Kreistags geschlossen dafür, dem Frauenhaus sowohl bei den Sach- als auch bei den Personalkosten den Geldhahn ein Stück weit zuzudrehen. Die Summen muten vor den vielen hundert Millionen, die allein die Bauprojekte des Kreises verschlingen, unerheblich an. 15.000 Euro sollen an Sachkosten gespart werden. Davon werden Erstausstattungen wie Hygieneartikel bezahlt, wenn die Frauen und Kinder ohne diese Dinge im Frauenhaus ankommen. Zudem spart der Ennepe-Ruhr-Kreis Zuschussgelder.
Das Land finanziert eine weitere Stelle, um eben den vielen Kindern gerecht zu werden, die mittlerweile mit ihren Müttern hier ankommen. Weil der EN-Kreis eine eben solche Stelle längst eingerichtet hat, und selbst bezuschusst, hat sich die Verwaltung dazu entschieden, keine volle zusätzliche Stelle zu schaffen, sondern den eigenen Aufwand gegen den Zuschuss des Landes zu rechnen und so Kosten zu sparen.
Angst bei den Verantwortlichen
Bei Kathleen Schmalfuß, die als Sozialarbeiterin des Vereins „Frauen helfen Frauen“ auch für die Finanzierung des Frauenhause zuständig ist, und ihren Kolleginnen lösen diese Pläne Angst aus. Denn schon jetzt ist die Finanzierung kaum auskömmlich, um den Frauen und ihren Kindern, die unter schwerster körperlicher, sexueller, psychischer und ökonomischer Gewalt leiden, angemessen zu helfen.
Für die Verwaltung lautet das klare Ziel, weshalb sie diesen Schritt gehen will: „Im Ennepe-Ruhr-Kreis erfolgt die Finanzierung über den Tagessatz. Dieser wird nach Vorlage der Zahlen des Trägers von der Verwaltung festgesetzt.“ Der weit überwiegende Teil der Frauen, die dort Schutz suchen, sind keine Selbstzahlerinnen, weil sie eben nicht auf eigene Gelder zurückgreifen können. Heißt: In diesen Fällen übernimmt das Jobcenter die Finanzierung dieser Hilfe.
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Dazu kommt: Die meisten Frauen, die in diese Einrichtung kommen, sind von außerhalb des Ennepe-Ruhr-Kreises, so dass die Jobcenter der Kommunen, aus denen sie in den EN-Kreis geflüchtet sind, für sie aufkommen müssen. „Daher ist es wichtig, dass der Tagessatz auskömmlich ist, aber finanzierbar bleibt. Der Tagessatz steigt von bisher 43,65 auf 55,58 Euro“, teilt Lisa Radtke, Pressesprecherin des Ennepe-Ruhr-Kreises mit. Und: Zahlen die auswärtigen Kommunen nicht komplett, muss der EN-Kreis selbst die Kosten für die Unterbringung im Frauenhaus stemmen.
Erläuterungen, wie in diesem Zusammenhang „finanzierbar“ definiert ist, gibt es nicht. Der Unterschied lässt sich allerdings berechnen. Hätte der EN-Kreis nicht den Rotstift angesetzt, läge der Tagessatz nun bei 66,15 Euro. Laut Aussage von Kathleen Schmalfuß bietet das Frauenhaus 25 Plätze. Sind diese 365 Tage im Jahr belegt, bedeutet das bei einer Differenz von 10,57 Euro Mehrkosten von 96.451,25 Euro pro Jahr. Mehrkosten, die überwiegend von anderen Jobcentern beglichen werden. Mehrkosten, die die Kreisverwaltung nicht produzieren will.
Damit fand sie bei allen Parteien Gehör. AfD-Fraktionsvorsitzender Matthias Renkel, sein Grünen-Pedant Karen Haltaufderheide-Uebelgünn, SPD-Kreistagsmitglied Barbara Lützenbürger und CDU-Mann Christian Brandt argumentierten in seltener Eintracht damit, wie wichtig dieser finanzielle Beitrag für den desolaten Haushaltsplan des Ennepe-Ruhr-Kreises sei. Zur Einordnung: In diesem plant die Verwaltung Ausgaben in Höhe von 754,4 Millionen Euro, eine knappe Millionen Euro sollen daraus als Sitzungsgelder und Fraktionsaufwendungen in die Taschen der ehrenamtlichen Politiker und auf die Parteikonten wandern. Die hier geplanten Erhöhungen, die zuletzt bis zu 10.000 Euro pro Fraktion und Jahr betragen haben, sind ohne kontroverse Diskussion beschlossen worden.
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„Es ist uns wirklich wichtig, deutlich zu machen, dass Frauen und Kinder auch in prekären Situationen Schutz und Begleitung erfahren“, teilte Barbara Lützenbürger mit, machte aber auch klar, dass die SPD keine Kritik an den Verwaltungsplänen übt und diese mitträgt. Die Kurzfristigkeit sei entscheidend, denn wenn nun nicht zugestimmt werde, würde der Tagessatz zunächst gar nicht steigen. Eine Argumentation, der auch Karen Haltaufderheide-Uebelgünn folgte. Die Frage, warum die Verwaltung so kurzfristig mit diesen Plänen auf die Politik zutrat, stellten beide in der öffentlichen Sitzung des Kreistags allerdings nicht. Einzig Eleonore Lubitz von den Linken machte sich stark dafür, die Zuschüsse nicht zu streichen und in der Folge den Tagessatz auf 66,15 Euro anzuheben.
Die Politik beauftragte die Kreisverwaltung, die Entwicklung des Tagessatzes jährlich zu prüfen und eine detaillierte Abrechnung der Mittelverwendung beziehungsweise Offenlegung der Ausgaben vorzulegen, die der Träger zuliefern muss. Bei drei Gegenstimmen der Linken und der Freien Wählern, entschied sich die restliche Politik des Ennepe-Ruhr-Kreises geschlossen dafür, ab sofort am Frauenhaus zu sparen.
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