Ennepetal/Schwelm. Ralf Stoffels hat die Ennepetaler Firma groß gemacht. Nun hat Sohn Lutz übernommen. Ein Generationenwechsel, der nicht immer einfach verläuft.

Wenn Lutz (32) und Ralf Stoffels (60) über die Zukunft ihres Ennepetaler Unternehmens BIW diskutieren, dann kann das schonmal deutlich werden. Denn: Hier sitzen zwei Alphatiere am Tisch, zwei Unternehmer mit Leib und Seele; zwei, die klare Vorstellungen davon haben, wie sie ihrer Verantwortung für mehr als 650 Mitarbeiter gerecht werden. Aber die Sache hat auch noch eine ganz andere Dimension. An dieser Stelle treffen nämlich auch Vater und Sohn aufeinander.

Der eine hat dem anderen mit einem Weltmarktführer sein Lebenswerk übergeben und lernt loszulassen. Der andere emanzipiert sich als Chef und dabei treffen zwei Männer aus unterschiedlichen Generationen mit unterschiedlichen Vorstellungen vom Leben aufeinander. Klar ist aber auch: Kommt es hart auf hart, passt zwischen die Stoffels kein Blatt Papier. Im Gespräch mit der Redaktion reden die BIW-Leitwölfe über die 52 Jahre, die ihre Firma nun bereits besteht, den Kampf um Akzeptanz mit jedem Generationenwechsel und warum Unternehmer zu sein trotz sehr guter wirtschaftlicher Sicherheit kein Lebensmodell für jeden und jede ist.

Nach und nach wuchs das Ennepetaler Unternehmen immer weiter. Heute beschäftigt BIW mehr als 500 Mitarbeiter.
Nach und nach wuchs das Ennepetaler Unternehmen immer weiter. Heute beschäftigt BIW mehr als 500 Mitarbeiter. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Ein Unternehmen ist kein Wert, es ist eine Leihgabe für eine Generation. Und wenn ich mir etwas leihe, muss ich es in einem vernünftigen Zustand wieder zurückgeben“, sagt Lutz Stoffels, der aktuell an vorderster Stelle die Verantwortung für diese Leihgabe trägt. Um den tiefen Wert dieser Aussage für die Unternehmerfamilie zu verstehen, ist ein Blick in die Geschichte der Firma BIW notwendig.

Im Jahr 1971 ist Silikon ein ganz junger Werkstoff, als Werner Stoffels die Firma BIW aus einer Notfallsituation heraus gründet. Die Vorgängerfirma Bochumer Isolierstoffwerke dient als Namensgeber. Das Silikon und seine breitgefächerten Einsatzmöglichkeiten drängen die Glasseide als Werkstoff immer mehr in den Hintergrund, die Firma wächst stetig, zieht innerhalb Schwelms um.

Kein Platz mehr in Schwelm

Die bislang wohl größte Zäsur stellt das Jahr 1985 dar. Mittlerweile hat BIW 45 Angestellte, der junge Ralf Stoffels übernimmt immer mehr Verantwortung im Betrieb, gleichzeitig schläft die Konkurrenz in der prosperierenden Silikonbranche nicht. Ralf Stoffels erinnert sich: „Mein Vater hat zu mir gesagt: ,Entweder wir starten jetzt richtig durch oder wir müssen uns bei dem verschärften Wettbewerb kleiner setzen.“ Die Entscheidung fiel auf durchstarten. Dazu brauchte es mehr Platz. „Am liebsten hätten wir den in Schwelm gehabt, doch die Stadt hat das damals nicht interessiert.“

Anders sah das in der Nachbarstadt Ennepetal aus, die gerade das Gewerbegebiet Oelkinghausen erschloss. „Wir bekamen das Filetgrundstück oben auf dem Berg angeboten und haben zugegriffen“, sagt Ralf Stoffels, der sich nun voll und ganz auf die Firma konzentrierte. „Ich war 27 Jahre alt und habe sehr zum Schrecken meiner Frau zweistellige Millionen-Darlehen aufgenommen.“ Er investiert in Gebäude, kaufte die Anteile aus dem Rest der Familie auf, führte ein Management-System ein.

Tim Brandau mit Silikon-Schlauch – die Firma BIW ist mit deutlichem Abstand Marktführer in Europa.
Tim Brandau mit Silikon-Schlauch – die Firma BIW ist mit deutlichem Abstand Marktführer in Europa. © WP / | Stefan Scherer

BIW befand sich auf einem stetigen Wachstumskurs, expandierte in Ennepetal, national wie international. Mitten drin wächst Sohn Lutz auf, der schon früh eine enge Bindung und große Faszination für die Firma entwickelt. „Ich habe schon als Kind hier viel Zeit verbracht. Kam ich mit meinen Lego-Steinen nicht weiter, habe ich mit Silikon gebaut.“ Mit 14 Jahren hilft er regelmäßig mit, kennt jeden Winkel in der Firma, jeden Mitarbeiter – die Angestellten kennen ihn. Mit 18 Jahren stellt sich die Frage, wo ihn sein beruflicher Weg hinführen soll. „Fragen Sie mal einen 18-Jährigen, ob er Geschäftsführer werden will. Natürlich wollte ich das.“

Lutz Stoffels studiert Wirtschaftswissenschaften, ist aber immer auch in der Firma präsent, fest entschlossen, das Gesicht und der Kopf der nächsten BIW-Generation zu werden. Und er lernt den unschätzbaren Vorteil eines Familienunternehmens kennen. „Ich habe jede einzelne Maschine selbst bedient. So etwas ist in Konzernen gar nicht möglich.“ Vater Ralf unterstützt und fördert seinen Sohn, macht deutlich: „Eine gerechte Aufteilung unter den Nachkommen kann gar nicht funktionieren. Ich bin ein großer Befürworter des Kronprinzen-Modells. Der Rest der Familie muss – so hart sich das anhört – auf Gerechtigkeit hoffen.“ Doch Konflikte gab es im Hause Stoffels diesbezüglich nicht. „Endgültig klar war meine Position, als meine Schwester gesagt hat: ,Ich will Lehrerin werden, denn ich möchte auch ein Privatleben haben.’“

„Wirtschaftsprüfer hat mir einen Vogel gezeigt“

Vor zehn Jahren hat Ralf Stoffels seinem Sohn die ersten Anteile übertragen. „Mein Rechtsanwalt und mein Wirtschaftsprüfer haben mir zwar einen Vogel gezeigt, aber ich habe ihm mittlerweile 90 Prozent der Anteile ohne Rückforderungsrechte übertragen. Wenn jemand eine Firma führen will, muss er dazu auch formal im Stande sein“, sagt Ralf Stoffels, der seinen Sohn schrittweise an den Geschäftsführerposten herangeführt hat. Ein Weg, der mitunter schwierig war für den nachrückenden Kronprinzen, denn der hatte mitunter auch dadurch, dass viele Mitarbeiter ihn seit Kindesbeinen kannten, damit zu kämpfen, die notwendige Akzeptanz zu erhalten.

Lutz Stoffels resümiert seine Anfangstage auf dem Chefsessel: „Anfänglich war das sehr schwierig, vor allem bei den Führungskräften, die nie genau wussten, ob jetzt der Junior entscheidet, oder ob sie besser abwarten sollen, bis der Alte sich zu der Sache äußert.“ Regelmäßig spiegelt der Sohn dem Vater zurück, welche Wirkung sie auf die Mitarbeiter haben, beispielsweise, wenn sie vor ihnen kontrovers diskutieren. Und das können sie gut. Während sie über ihre Werdegänge sprechen, fallen auch Sätze wie: „Sehen Sie, das meine ich, wenn ich sage, dass ich nie ausreden darf.“ Irgendwie erfrischend normal zwischen Vater und Sohn, die nie einen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie zwar unterschiedlicher Meinung sein können, am Ende aber immer am selben Strang ziehen.

Ralf Stoffels und Lutz Stoffels sind nicht immer einer Meinung. Doch wer versucht, die beiden Unternehmergenerationen gegeneinander auszuspielen, wird Schiffbruch erleiden.
Ralf Stoffels und Lutz Stoffels sind nicht immer einer Meinung. Doch wer versucht, die beiden Unternehmergenerationen gegeneinander auszuspielen, wird Schiffbruch erleiden. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Es ist wie Tauziehen und ich brauche keinen Papa, der sagt: ,Der Junge hat Recht’. Wir ergänzen uns durch die Reibung zwischen uns. Und sollte jemand versuchen, uns gegeneinander auszuspielen, ist das sicherlich keine gute Idee“, sagt Lutz Stoffels, der als Repräsentant einer neuen, einer jungen Unternehmer-Generation gelten darf. „Ich habe Spaß daran, mir macht es nichts aus, viel zu arbeiten. Dennoch habe ich das Ziel, seit ich eine Tochter habe, mir mehr Freiheiten zu schaffen.“ Seine Priorität habe er aber bewusst auf das Unternehmen gesetzt. Eine Situation, mit der sich Ralf Stoffels bestens auskennt. „Wer ernsthaft ein Unternehmen betreibt, muss seinem Partner oder seiner Partnerin sehr früh klar machen: ,Du heiratest mich und die Firma.’ Findet das keine Akzeptanz, wird es schwierig.“

Zwei Dinge prägten zuletzt den Unternehmensübergang. Zum einen band die zunehmende Arbeit als Präsident der SIHK, der NRW IHK und als Vize-Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer immer mehr Zeit von Ralf Stoffels. „So bin ich von ganz allein immer mehr aus dem Tagesgeschäft ‘rausgekommen“, sagt dieser. Allerdings gab es eine Ausnahme: PCB.

Marktführerschaft ausbauen

Als BIW damit in die Schlagzeilen geriet, fällte Ralf Stoffels – da schon nur noch Inhaber der Minderheitsanteile – die Entscheidung, sich vor die Firma, vor seinen Sohn zu stellen. „Ich habe die gesamte Öffentlichkeitsarbeit übernommen, damit Lutz sich auf die Firma konzentrieren konnte.“ Und der entschied: Wenn gewünscht ist, dass wir unsere Produktion umstellen, dann stellen wir um.

Seit BIW wieder in ruhigerem Fahrwasser ist, kann sich der 32-jährige Schwelmer voll auf die Entwicklung des Unternehmens konzentrieren. Er hat Umstrukturierungen vorgenommen, optimiert Prozesse, und hat fest im Blick, die deutliche europäische Marktführerschaft der Ennepetaler Produkte weiter auszubauen. Eine Situation, in der sich Lutz Stoffels erfolgreich freigeschwommen hat, um dieses Ziel zu erreichen.

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