Schwelm. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln auf Hochtouren. Signale und Weichen werden von Schwelm aus gesteuert.

Hat es von Schwelm aus einen massiven Angriff auf die Deutsche Bahn gegeben? Auch wenn sich die beteiligten Polizeipräsidien und Staatsanwaltschaften auf Nachfrage der Redaktion ausgesprochen zurückhaltend zeigen, so ist eines sicher: Unbekannte haben sich am vergangenen Sonntag illegalen Zutritt zum Stellwerk der Deutschen Bahn in Schwelm – und in zwei an deren Städten – verschafft und von dort aus den Bahnverkehr manipuliert. „In Essen-Kray, Leverkusen Küppersteg und Schwelm kam es zu kurzzeitigen Unterbrechungen in der Stromversorgung“, erklärt eine Bahnsprecherin. Brisant: Von Stellwerken aus können auch Weichen sowie Halte- und Fahrsignale gesteuert werden. Nicht zuletzt deswegen ermittelt der Generalbundesanwalt nun auch wegen verfassungsfeindlicher Sabotage.

Etwa 2600 Stellwerke bundesweit steuern den Verkehr auf Europas größtem Schienennetz. In den Stellwerken stellen Fahrdienstleiter und -leiterinnen die Weichen und Signale für die gut 51.000 Personen- und Güterzüge, die jeden Tag in Deutschland unterwegs sind. Das Schwelmer Stellwerk sowie diejenigen in in Essen-Kray, Essen-Stadtwald und Leverkusen-Küppersteg sind am vergangenen Sonntag, 29. Januar, Ziel von Sabotage-Versuchen gewesen, heißt es von Bahnseite aus. Auch wenn sich laut der Bahnsprecherin die Einschränkungen in Grenzen gehalten haben, untersuchen derzeit die Staatsanwaltschaft Essen sowie die Polizei Essen, wer hinter diesen Sabotage-Versuchen steckt.

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Zunächst lag das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft und Polizei Köln, seit Dienstagmittag ist es eine Angelegenheit der in Essen ansässigen Behörden, teilt ein Sprecher der Kölner Polizei mit. In der ersten Pressemitteilung der Polizei Köln vom 30. Januar heißt es, dass ersten Erkenntnissen zufolge Unbekannte am Sonntagmorgen gegen 8.45 Uhr in Leverkusen-Küppersteg mehrere Notausschalter betätigt und damit Teile des Schienennetzes stromlos gestellt haben. Infolge des Eingriffes stoppten Züge vereinzelt automatisch. Bereits um 5.11 Uhr hatte es gleiche Vorfälle in Essen-Kray gegeben, in Schwelm ging der Alarm um 11.50 Uhr. Auch von der Kreisstadt aus sollen Züge gestoppt worden sein. Hintergründe zu den Tätern oder den Motiven sind den Ermittlern derzeit nicht bekannt.

Die Staatsanwaltschaft Essen erklärt auf Nachfrage schriftlich: „Die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang und dauern an. Der konkrete Tathergang, die genaue Vorgehensweise des/der Täter und ob die Taten von denselben Täter/n begangen wurden, ist Gegenstand der Ermittlungen. Insofern kann zum jetzigen Zeitpunkt auch noch nicht gesagt werden, ob das Vorgehen einen sogenannten Nachahmer-Effekt hat“, erklärt die stellvertretende Pressesprecherin Marion Weise. Auch genaue Fakten zu dem Vorfall am Schwelmer Stellwerk liegen ihr bislang nicht vor.

Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt nun wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr. Das Gesetz sieht hierfür eine Strafe von bis zu zehn Jahren Gefängnis vor, für den Fall, „dass der Täter in der Absicht handelt, einen Unglücksfall herbeizuführen oder eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken handelt, oder durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren“, erläutert die Pressesprecherin. Eine Einschätzung, ob dieser Vorfall ein gezielter Angriff auf die kritische Infrastruktur war, wäre momentan reine Spekulation, fügt sie hinzu.

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Die Deutsche Bahn teilt mit, dass sie die Behörden vollumfänglich bei der Suche nach den Tätern unterstützt. „Für uns ist Sicherheit das oberste Gebot. Dazu gehört auch der Schutz der sensiblen Infrastrukturanlagen. Die DB und die Sicherheitsbehörden arbeiten im engen Schulterschluss und sorgen für individuelle Sicherheitskonzepte“, so die Bahnsprecherin. Eine flächendeckende und lückenlose Überwachung sei damit dennoch nicht umsetzbar. In Abstimmung mit der Bundespolizei setze die Bahn bereits seit dem vergangenen Jahr zusätzliche Sicherheitskräfte ein, um die Infrastruktur noch besser gegen Eingriffe zu schützen. „Ganz konkret heißt das, dass zusätzlich zu den 4300 Sicherheitskräften der DB, die Hand in Hand mit 5500 Beamten der Bundespolizei arbeiten, weitere mobile Präsenz- und Präventionsstreifen von DB Sicherheit bundesweit eingesetzt werden.“

Das – und auch die baulichen Voraussetzungen des Stellwerks – haben aber offenbar nicht ausgereicht, um die Täter davon abzuhalten, sich Zutritt zum Schwelmer Stellwerk zu verschaffen und am Herzen des Bahnverkehrs und somit an der Sicherheit tausender Reisender zu manipulieren. „Man muss sich schon Zutritt verschaffen zu dem Stellwerk und da gehen wir schon davon aus, dass diese Störung mutwillig produziert worden ist“, sagt Ulrich Bremer, Oberstaatsanwalt Köln.

Mehrere Experten fordern in Folge dieser Taten bessere Sicherheitsvorkehrungen, es dürfe nicht länger hingenommen werden, dass in teilweise sehr alte Stellwerkhäuser einfach eingedrungen werden könne. Als weiteres Problem gilt, dass viele Daten über die kritische Infrastruktur offen im Internet zu finden seien. Das betreffe neben der Bahn auch die Wasser- und Energieversorgung.