Gevelsberg. Ein Gevelsberger soll eine Frau sexuell bedrängt haben. Bevor sein Prozess beginnt, flieht er ins Ausland. So geht das Gericht nun damit um.

Eigentlich sollte der 32-Jährige aus Gevelsberg sich schon am 22. Juni vor dem Hagener Landgericht einfinden. Die Anklage wirft ihm vor, eine Frau auf einer Gartenliege begrapscht und sexuell belästigt zu haben. Der ursprünglich geplante Prozessauftakt platzt allerdings, weil kein Geringerer als der Beschuldigte selbst fehlt.

„Die Verteidigerin hat einen Anruf bekommen, dass der Vater seinen Sohn eingepackt hat und nach Italien gefahren ist“, erklärt Christian Potthast, Sprecher des Landgerichts. Gegen den Sohn – also den Beschuldigten – erlässt das Gericht einen sogenannten Unterbringungsbefehl. Wegen seiner psychischen Verfassung würde er bis zur Verhandlung nämlich nicht in Haft kommen, sondern in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden.

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Aber auch zum neuangesetzten Prozessauftakt am 6. Juli: Fehlanzeige. Die Behörden konnten den Gevelsberger bislang nicht fassen. „Die Kammer hat die Termine erstmal aufgehoben“, so Sprecher Potthast zum weiteren Verlauf der Verhandlung. „Sobald der Beschuldigte aufgegriffen wird, versucht man, so schnell wie möglich einen neuen Termin zu finden.“

Vorwurf: Frau auf Liege belästigt

Der Vorfall, um den es bei der Verhandlung geht, liegt bereits einige Jahre zurück. Im Juli 2018 soll der 32-Jährige in Gevelsberg eine Frau beobachtet haben, die sich mit einem Sommerkleid bekleidet auf eine Gartenliege gelegt haben soll, um ein Sonnenbad zu nehmen.

Er soll daraufhin seine Hose geöffnet und sich entblößt haben. Anschließend soll er zu der Liege gegangen und sich über die Frau gebeugt haben. Obwohl diese ihn aufforderte wegzugehen, soll der Gevelsberger sie an beiden Handgelenken gepackt und versucht haben, ihr Kleid nach oben zu schieben und sich ihr immer weiter zu nähern.

Flucht an sich nicht strafbar

„Niemand muss sich freiwillig einem Verfahren stellen“, erklärt Christian Potthast, Sprecher des Hagener Landgerichts. Das bedeutet: Dass der 32-jährige Beschuldigte aus Gevelsberg vor seiner Gerichtsverhandlung ins Ausland flieht und versteckt, ist an und für sich nicht strafbar. Entscheidend ist, dass er bei seiner Flucht keine weiteren Straftaten begeht.

Die Verfolgung einer Person durch die verschiedenen involvierten Behörden würde später – wenn es tatsächlich zum Verfahren kommt und die Person im Anschluss nach richterlicher Entscheidung die Kosten des Verfahrens tragen muss – zu den Verfahrenskosten hinzugerechnet.

„Mit normalen Strafverfahren sind zum Teil hohe Kosten verbunden“, weiß Sprecher Potthast. Die Rede ist dabei von hohen vierstelligen bis hin zu fünfstelligen Summen. Und wenn die Person diese Kosten nicht zahlen kann, zieht die Staatsanwaltschaft die Summen ein, sobald sie wieder zu Geld kommt. „Das ist klassische Zwangsvollstreckung“, sagt Christian Potthast.

Die Frau soll sich aber lautstark gewehrt haben. Der Mann ließ laut Anklage erst von ihr ab, als schließlich auch noch die Liege unter seinem Gewicht zusammengebrochen und der Hund der Zeugin laut gebellt haben soll. Der Beschuldigte soll dann im Hausflur verschwunden sein. Durch die Tat soll die Frau eine Handgelenkdistorsion und Hämatome am rechten Handgelenk erlitten haben.

Eine Frage der Schuldfähigkeit

Vor Gericht wird auch die Frage eine Rolle spielen, inwieweit der 32-Jährige – sollte das Gericht ihn für schuldig befinden – überhaupt zur Verantwortung gezogen werden kann. Nach dem vorläufigen Gutachten eines Sachverständigen soll bei ihm zum Tatzeitpunkt eine mittelgradige Intelligenzminderung mit stark eingeschränktem Vermögen zu einem planvollen und abwägenden Handeln bestanden haben.

Bei einer gleichzeitig hochgradig eingeschränkten Hemmfunktion im Rahmen eines starken sexuellen Verlangens.

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Es sei davon auszugehen, dass bei ansatzweise gegebener Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben war, so das Gericht bereits vor dem ersten angesetzten Prozessstart. Es soll zu erwarten sein, dass der Beschuldigte in einer ähnlichen Situation vergleichbar handeln würde.

Jetzt geht es aber ohnehin erstmal darum, den Gevelsberger zu finden und überhaupt vor Gericht zu bringen.

Europaweite Suche nach Mann

Landgerichtssprecher Christian Potthast erklärt das Prozedere in solchen Fällen: Das Landgericht sendet die Akte mit dem Haftbefehl – hier Unterbringungsbefehl – an die Staatsanwaltschaft mit der Bitte, diesen zu vollstrecken. Von dort geht es weiter zur zuständigen Kreispolizei und bis zur Wache vor Ort in der Stadt, in der der Beschuldigte wohnt.

Dort schauen die Beamtinnen und Beamten regelmäßig an der entsprechenden Adresse vorbei, um zu gucken, ob der Gesuchte dort anzutreffen ist oder auch, wer dort ein und ausgeht. „Wer dauerhaft im Ausland ist, wird dann mit einem europäischen Haftbefehl gesucht“, so Christian Potthast. „Der Letzte, den wir so gesucht haben, ist uns bei einem Grenzübertritt ins Netz gegangen. Die Europäischen Staaten kooperieren da sehr gut.“