Schwelm/Ennepetal. Wird der Einsatz für Polizeibeamte immer ruppiger und gefährlicher? Zwei brandaktuelle Vorfälle in Schwelm belegen diesen Eindruck.

Gaffer an Unfallstellen, die für ein Handyfoto fast bis in den Rettungswagen klettern und so Notärzte und Sanitäter bei ihrer überlebenswichtigen Arbeit behindern. Autofahrende Krawallbrüder, die sich einen Spaß daraus machen, Feuerwehrfahrzeugen auf ihrem Weg zum Einsatzort die Durchfahrt zu blockieren und so Leib und Leben anderer Menschen aufs Spiel setzen. Oder Testosteron-gesteuerte Zeitgenossen, die bar jeder Vernunft auf Polizisten losgehen, wenn diese Kriminelle aus dem Verkehr ziehen wollen. Vom Bauchgefühl her nehmen Übergriffe auf Einsatzkräfte seit Jahren immer mehr zu. Zwei aktuelle Vorfälle aus Schwelm unterstreichen diesen Eindruck.

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Der erste Vorfall, der für zwei Polizeibeamte übel endete, ereignete sich am Montagmorgen in Schwelm. Die Polizei hatte einen Tipp bekommen. Es ging um eine angebliche Fahrt unter Drogeneinfluss. Die Streifenbesatzung lag schon auf Lauer, als der 28-jährige Fahrer mit seinem Motorrad gegen 7.45 Uhr an der Wohnanschrift in der Schwelmer Innenstadt erschien. Der Mann wurde angesprochen, ein Drogenvortest durchgeführt, und weil der positiv ausfiel, wurde der 28-Jährige zur Polizeiwache in Ennepetal gebracht.

Ohne Fahrerlaubnis unterwegs

Der Motorradfahrer fuhr ohne Fahrerlaubnis. Die war ihm kürzlich aufgrund einer Verkehrsunfallflucht entzogen wurde. Dem 28-jährigen wurde auf der Wache eine Blutprobe entnommen und anschließend wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. Soweit nichts Ungewöhnliches.

Eskaliert ist die Sache kurze Zeit später. Die Polizei erhielt erneut einen Hinweis. Der 28-Jährige befinde sich jetzt in seiner Wohnung und habe angekündigt, sich das Leben nehmen zu wollen. Als die Streife an der Wohnanschrift erneut auf den Schwelmer stieß, zeigte der sich aber nicht verzweifelt und auch nicht hilflos, sondern äußerst aggressiv. Die Beamten wiesen den Mann an, ruhig zu bleiben und zuzuhören, weil man ihm helfen wolle. Doch statt sich zu beruhigen und auf das Angebot einzugehen, zeigte sich der 28-Jährige uneinsichtig und wollte fliehen. Als die Polizisten ihn daran hindern wollten, hob der Mann seine Arme. Die Beamten gingen aufgrund der Körperhaltung von einem Angriff aus und setzten Pfefferspray ein. Doch auch das verfehlte die erhoffte Wirkung. Der 28-Jährige war laut Polizei unbeeindruckt und lief zurück in seine Wohnung. Hier kletterte er aus dem Fenster und lief auf ein Vordach. Von dort kam er jedoch wieder zurück zu den Beamten und ließ sich dann endlich widerstandslos in Gewahrsam nehmen. Laut Kreispolizei wurde er in ein Krankenhaus gebracht, wo sein psychischer Allgemeinzustand geprüft wurde.

Für die beiden eingesetzten Polizeibeamten verlief der Einsatz jedoch äußerst bitter. Beide wurden beim Einsatz des Pfeffersprays durch das Reizgas leicht verletzt und waren nicht mehr dienstfähig.

Gewaltbereiter Zeitgenosse

Mit einem aggressiven und diesmal auch durchaus gewaltbereiten Zeitgenossen bekamen es Beamte der Kreispolizeibehörde noch am selben Tag ebenfalls in Schwelm zu tun. Auch hier begann alles mit einem Hinweis, diesmal auf eine Trunkenheitsfahrt. Eine Streifenwagenbesatzung entdeckte gegen 23.30 Uhr das gemeldete Fahrzeug samt Fahrer auf dem Parkplatz von McDonald’s an der Talstraße.

Als die Beamten mit dem 49-jährigen Ennepetaler das Gespräch suchten, ging es gleich zur Sache. Stark alkoholisiert, wie die Kreispolizei später mitteilte, legte der Mann nicht nur verbal aggressiv gegen die Streifenwagenbesatzung los, sondern näherte sich ihnen auch in drohender Haltung. Den Beamten blieb – auch zum eigenen Schutz – nichts anderes übrig, als den Ennepetaler mit körperlicher Gewalt zu fixieren und ihn anschließend zu fesseln. Zur Verhinderung weiterer Straftaten wurde er in das Polizeigewahrsam nach Ennepetal gebracht.

Gewalt und Widerstand

Die Polizei unterscheidet zwischen Widerstand gegen Polizeibeamte und Gewalt gegen Polizeibeamte.Widerstand geht immer von Jemanden aus, gegen den sich der Einsatz der Polizei richtet.Gewalt gegen Polizisten kann auch von Außenstehenden ausgehen, also z.B. von Gaffern oder von Anwesenden, die sich in den Einsatz einmischen.

Doch damit nicht genug. Während der Fahrt zur Wache versuchte der 49-Jährige einen der beiden Beamten im Streifenwagen zu treten und mit einem Kopfstoß zu verletzen. Dies gelang ihm zum Glück nicht. Außerdem beleidigte der Ennepetaler während der gesamten Fahrt unentwegt beide Polizisten. In der Wache in Ennepetal wurde ihm schließlich eine Blutprobe entnommen. Bei Überprüfung seiner Personalien wurde festgestellt, dass der Ennepetaler nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist. Diese Trunkenheitsfahrt dürfte den 49-Jährigen damit teuer zu stehen kommen. Für die beiden Polizisten ist der Einsatz hingegen weiterer Beleg dafür, dass der Alltag im Dienst immer ruppiger wird.

Immer weniger Respekt

Kreispolizeisprecherin Sonja Wever widerspricht da erstmal nicht. „Wenn Sie die Kollegen vom Außendienst fragen, werden sicherlich viele sagen, dass der Respekt gegenüber Polizistinnen und Polizisten während der vergangenen Jahre gesunken ist.“ Für sie ist das ein deutliches Zeichen für die Verrohung unserer Gesellschaft. „Was die beiden aktuellen Fälle betrifft, darf man aber nicht vergessen, dass es sich einmal um eine möglicherweise psychische Ursache handelt und das andere mal um eine stark alkoholisierte Person. Aber natürlich bleibt es Gewalt gegen Polizeibeamte“, sagt Sonja Wever.

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Dem Eindruck, dass der Widerstand gegen Polizisten im Einsatz immer mehr zunimmt, will die Kreispolizei nun auf dem Grund gehen. Zahlen sollen zeigen, ob das Bauchgefühl trügt oder ob es stimmt.