Ennepetal. Die fünf Bewerber für das Landtagsmandat im Wahlkreis 104 präsentieren sich und ihre politischen Positionen im „Haus Ennepetal“.
Zugespitzt könnte die These lauten: In gut drei Wochen wird in NRW ein neuer Landtag gewählt und kaum jemanden interessiert’s. Gerade einmal 30 Personen – darunter reichlich Lobbyisten-Vertreter und Politiker – lauschten am Mittwoch im „Haus Ennepetal“ gegenüber der Kluterthöhle den Kandidaten der fünf im Düsseldorfer Parlament vertretenen Fraktionen, die im Wahlkreis 104 (Gevelsberg, Ennepetal, Breckerfeld, Haspe, Wehringhausen, Eilpe und Volmetal) das Direktmandat des verstorbenen Genossen Hubertus Kramer erobern wollen. Dabei hinterließen weder Alexander Ebbert (CDU) und Ina Blumenthal (SPD) als Topfavoriten noch Daniel Böhler (FDP), Petra Backhoff (Grüne) oder gar AfDler Carl-Dietrich Korte nur annähernd den Eindruck, als ob ihnen die Schuhe des langjährigen SPD-Platzhirsches passen könnten.
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Bei frühlingshaftem Balkon- und Terrassenwetter bemühten die Kandidaten zunächst leider allzu häufig das gefürchtete Rhetorik-Instrument der Phrasendrescherei, während das feine Florett konzeptionell geprägter Argumentationsstränge im politischen Diskurs auf der Strecke blieb. Angesichts dieser Erfahrungen in der 95-minütigen Talkrunde wurde zumindest die Eröffnungsfrage des Moderatoren-Duos Ralf Stoffels (SIHK-Präsident) und Stefan Scherer (Redaktionsleiter WP/WR-EN-Süd) zur fehlenden Wahlkampfdynamik von den Protagonisten am gelebten Beispiel eindringlich beantwortet. Wobei man den Kandidierenden zugestehen muss: Im Schatten von Energiepreisexplosion, Inflation, Corona und dem Ukraine-Krieg hat es Landespolitik ohnehin schwer – selbst wenn es um die Macht im bevölkerungsstärksten deutschen Bundesland geht.
Viele drängende Fragen
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Themen gibt es allerdings auch in NRW und im hiesigen Wahlkreis mehr als genug. Die SIHK und die Lokalredaktion hatten einige heiße Eisen im Feuer: Kann NRW noch Krisen bewältigen? Wie soll der Wahlkreis mit bezahlbarer und versorgungssicherer Energie ausgestattet werden? Wie wollen die Kandidaten die Innenstädte erhalten, wie Angsträume bekämpfen? Die Kandidaten schwankten zwischen eigenen Schwerpunkten und übergeordneter Parteilinie.
Zumindest versuchte der gebürtiger CDU-Bewerber Ebbert („Ich möchte machen und anpacken“) sich als Vorkämpfer für eine Verbindung von Wirtschaft und Klima, Freund der Wasserstoff-Infrastruktur, Stärker des Ehrenamts, Verfechter einer gezielteren Fachkräfte-Ausbildung und als passionierter Sicherheitspolitiker zu profilieren: „NRW ist so sicher wie schon lange nicht mehr.“
Seine Hauptgegnerin, Ina Blumenthal, als Ex-Mitarbeiterin von Kramer schon mit Landtagsaffinität, plädierte derweil für einen Schuldenschnitt in den Kommunen, um vor Ort Luft für Gestaltungsfreiheit zu schaffen, kämpfte in puncto Sicherheit für mehr Bezirksbeamte und münzte beim Thema Fachkräftemangel das bewährte Hannelore-Kraft-Kinder-Credo kurzerhand um: „Wir können es uns nicht leisten, auch nur eine junge Frau oder einen jungen Mann zu verlieren.“
Einer der wenigen Punkte aus ihrem politischen Portfolio, die auch FDP-Mann Böhler (21), vehementer Vorkämpfer für eine Talentschule in seinem Wahlkreis, unterschrieben hätte: „Es kommt darauf an, wo Du hin willst, nicht woher Du kommst.“ Ansonsten stimmte er den erwartbaren FDP-Kanon des weniger Reingestaltens der Politik an, plädierte für den Vorrang des privaten Eigentums und zugleich für ausreichend Stromtrassen zum Gelingen der Energiewende.
Die einzelnen Standpunkte
Der einzige Ansatz, den auch Grünen-Vertreterin Petra Backhoff goutierte, die ihren Schwerpunkt als Sozialarbeiterin auf dem Terrain der Kinder- und Jugendpolitik sieht und gegen den Klimawandel durch mehr Solar- und Windkraft kämpft, den 1000-Meter-Abstand für Windräder hinterfragen und zur Wiederbelebung der Städte dort die Aufenthaltsqualität für die Menschen verbessern möchte.
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Der Ex-Pfarrer und Oberstudienrat Carl-Dietrich Korte präsentierte sich als Ex-CDUler diesmal im AfD-Mäntelchen sowie als Vorkämpfer für breite Steuerentlastungen, eine Renaissance des Leistungsprinzips an den Schulen sowie eine konsequente Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern.
Ironie und Süffisanz kommen spät
Ein bisschen bissig wurde es dann am Ende doch noch auf dem Podium: Mit Süffisanz und Ironie durften sich die Kandidaten gegenseitig Fragen stellen, außerdem die Wahlkampfslogans der eigenen und vor allem der anderen Parteien erklären beziehungsweise auseinandernehmen. Nun kam das Salz in die Suppe, das die Zuhörer im Saal und im Live-Stream vermisst hatten. Nach einem kurzweiligen Abend, der nach gut 90 Minuten beendet war, hat nun der Wähler das Wort. Wer sich im Nachgang die Veranstaltung anschauen möchte, kann dies auf dem Youtube-Kanal der SIHK tun, denn der komplette Abend ist aufgezeichnet worden.