Ennepe-Ruhr. In Hagen sind Wölfe gesichtet worden. Wird es den Wolf auch im Ennepe-Ruhr-Kreis geben? Und welche Gefahr geht von den Raubtieren aus?

Gleich mehrere Male wurde in den vergangenen Tagen in Hagen ein Wolf gesichtet. Ist der Wolf mittlerweile auch im Ennepe-Ruhr-Kreis angekommen? Eine Spurensuche.

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Aktueller Sachstand

Alleine im vergangenen Jahr wurden mehr als 800 Wolf-Sichtungen dem LANUV gemeldet, nur etwa rund 120 haben sich bestätigt. Entweder per Genanalyse, wenn zum Beispiel ein Nutztier gerissen wurde und eine DNA-Probe an der Bissstelle genommen wurde, oder aber mittels eines Fotos oder Videos. Im Ennepe-Ruhr-Kreis hat es bisher keinen Nachweis für einen Wolf gegeben. Dennoch: Nach Auskunft des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) wächst die Population der Wölfe und damit siedelt sich das Tier auch in immer mehr Regionen wieder an.

Bestätigte Wolfssichtungen seit 2009.
Bestätigte Wolfssichtungen seit 2009. © WP Gevelsberg | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Was er dafür benötigt? „Eine gut strukturierte Landschaft mit Waldflächen, um sich zu verstecken, freie Landschaften, um zu jagen, keine großstädtischen Gebiete und ein großes Nahrungsangebot“, erklärt Wilhelm Deitermann, Pressesprecher im Landesministerium. Er erklärt, dass das LANUV ein sogenanntes „Wolfsmanagement“ betreibt. Dort werden Wolfssichtungen katalogisiert und überprüft. Unterschieden wird in Hinweise und tatsächliche Nachweise. Wilhelm Deitermann betont, dass es wichtig sei, jede Sichtung dem Amt zu melden, um Rückschlüsse über das Vorkommen ziehen zu könne, falls sich der Fall bestätigt.

Heimische Wolfsbeauftragte im Einsatz

Deshalb gibt es in jedem Kreis einen sogenannten Wolfsbeauftragten, der sich um diese Meldungen kümmert und das Geschehen vor Ort im Blick behält. Im Ennepe-Ruhr-Kreis hat Dietmar Grube diese Aufgabe. Er arbeitet für die Untere Naturschutzbehörde und bestätigt, dass es bislang keine belegten Wolfssichtungen im Kreis gab. Er betont aber: „Es ist aber nicht auszuschließen, dass ein Wolf das Gebiet durchstreift.“ Meist seien es Jungtiere, die unterwegs sind und bis zu 50 Kilometer in der Nacht zurücklegen können. Angst haben müssten Spaziergänger nicht. Wölfe seien scheu, erklärt Dietmar Grube und sagt, dass es wichtig sei, Ruhe zu bewahren und dem Wolf die Gelegenheit zu geben, zu flüchten.

Im NRW gibt es seit 2018 genetisch belegte Nachweise dafür, dass Wölfe nicht nur durch das Gebiet gezogen sind, sondern sich auch niedergelassen haben. Wenn es mehrere bestätigte Sichtungen innerhalb von sechs Monaten gibt, wird dieser Bereich als Wolfsgebiet festgelegt, erklärt der Sprecher des Landesministeriums. In NRW gibt es derzeit vier: in Schermbeck, in der Eifel, im Oberbergischen Land und im Senne-Eggegebirge in Ostwestfalen-Lippe. Eigentlich durchstreife der Wolf etwa 200 Hektar, ein Wolfsgebiet umfasse aber 800 bis 900 Hektar, zuzüglich einer Pufferzone.

Schutzmaßnahmen

Claudia Möllney von der örtlichen Kreisjägerschaft berichtet davon, dass Spaziergänger Anfang Januar Wölfe auch in Radevormwald gesichtet hätten. Sie sagt, dass es deutschlandweit 2000 Wölfe gibt. „Damit hat Deutschland mehr Wölfe als Schweden“, sagt Möllney.

Streng geschützte Art

In Deutschland gehört der Wolf zu den streng geschützten Arten. So ist es streng verboten, ihn zu fangen, zu verletzen oder gar zu töten.

Das zuständige Landesamt erklärt zur Rückkehr des Wolfes nach Nordrhein-Westfalen, dass diese eine große Herausforderung darstelle. „Ein großer Beutegreifer in der Kulturlandschaft birgt Konfliktpotenzial. In ungeschützten Viehbeständen, insbesondere in der Schafhaltung, kann der Wolf beträchtliche Schäden anrichten. Deshalb ist es wichtig, das Zusammenleben von Wölfen und Menschen möglichst professionell zu begleiten.“

Vor allem die Landwirte seien deshalb in Sorge. Schafe, Ziegen, Gehegewild, Rinder und sogar Pferde würden von Wölfen gerissen. Sie ist sich sicher, wenn der Wolf hier ankommt, „wird es zu Konfrontationen kommen“, Landwirte müssten sich vorbereiten. Da diese Tiere auch graben können, sei es wichtig einen Zaun auch 60 Zentimeter in den Boden zu setzen - und möglichst hoch zu ziehen. „Wölfe können auch gut springen“, sagt Claudia Möllney.

„Nutztierhalter könnten ihren Bestand mit Herdenschutz-Zäunen schützen“, erklärt Dietmar Grube. Bislang habe es aber keine entsprechenden Anfragen an den Ennepe-Ruhr-Kreis gegeben. „Wir würden diese an das LANUV weiter leiten“, erklärt der Mann von der Kreisbehörde. Es besteht auch die Möglichkeit, den Bau dieser besonderen Zäune, durch die Strom fließt, gefördert zu bekommen. Das aber bislang nur, wenn man in einem Wolfsgebiet seine Nutztiere hat. Das LANUV informiert, dass bei einem berechtigten Wolfsverdacht das Land NRW und der NABU Landesverband NRW unentgeltlich Herdenschutzsets mit Elektrozaun, Weidezaungerät und Fotofalle Nutztierhaltern ausleihen.

Aus Sicht der Landwirtschaft

Die Wolfsichtung in unmittelbarer Nachbarschaft besorgt den Vorsitzenden des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Hagen/Ennepe-Ruhr, Dirk Kalthaus. Auch er meldet sich zu dem Thema zu Wort. Für die heimischen Bauern und Nutztierhalter stellten die Raubtiere eher eine Bedrohung ihres Viehs denn eine Bereicherung der Natur dar, so der Landwirt.

„Wölfe bedeuten für unsere Betriebe ein großes Risiko.“ Er meint damit mögliche Attacken auf Rinder, Ziegen, Pferde und Schafe, wie sie in nahezu jedem Wolfsgebiet vorkommen. Deshalb plädiert Kalthaus für eine kontrollierte Bejagung der Wölfe, damit diese die Scheu vor den Menschen bewahren und sich im besten Fall auch von den Weideflächen der Landwirte fernhalten.

Der Wolf solle behandelt werden wie jedes andere Wildtier: „Der Schutzstatus, den die Wölfe genießen, ist unsäglich. Sie unterliegen nicht einmal dem Jagdrecht.“ Deshalb müsse der Gesetzgeber tätig werden und dafür sorgen, dass die Jäger dem Wolf ebenso nachstellen dürften wie jedem anderen Wild: „Schließlich sind Wölfe nicht vom Aussterben bedroht.“ Wolfszäune seien keine Ernst zu nehmende Alternative, so Kalthaus, der übrigens kein Jäger ist. Die zahlreichen und oft riesigen Weideflächen könne man unmöglich mit einem tief in die Erde eingegrabenen, zwei Meter hohen Zaun sichern. „Das ist weltfremd.“ Und natürlich könnten die Weiden auch nicht permanent überwacht werden. Zudem würden Zäune auch alle anderen wilden Tiere in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken, Rehe fänden nicht mehr ausreichend Grünfutter: „Nein, die einzige Möglichkeit einer Koexistenz mit dem Wolf wäre eine regulierte Bejagung. Geschieht das nicht, werden viele Bauern die Weidetierhaltung aufgeben und das Vieh dauerhaft im Stall lassen.“

Wie erkennt man einen Wolf?

Wie man einen Wolf erkennt? Claudia Möllney erklärt, dass viele davon berichtet hätten, dass der Wolf eine andere Kopfhaltung habe und sehr viel leichtfüßiger als Hunde laufe, gelbe Augen habe. „Wenn man ihn sieht, wird man ihn erkennen“, da ist sich Claudia Möllney sicher. In diesen Situationen sei es wichtig, den Hund angeleint zu haben, damit er nicht dem Wolf hinterher rennt. Im Wald sollte man sowieso den Hund an der Leine führen und im Blick halten, jetzt um so mehr. Wölfe sind stark geschützte Tiere, doch es sei wichtig, das Gleichgewicht zu erhalten. Wenn die Population weiter so rasant zunehme, sollte man sich Gedanken machen, ob der hohe Schutzstatus beibehalten werden könne, erklärt Möllney.

Sicht der Biologischen Station

„Soweit sind wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht“, sagt Dr. Britta Kunz. Es sei wichtig sachlich und faktenorientiert an das Thema zu gehen. „Fest steht: Bislang gab es keinen Übergriff auf einen Menschen“, sagt die Leiterin der Biologischen Station im Ennepe-Ruhr-Kreis. Sie ist sich sicher, dass es auch hier Wolfsichtungen geben wird, ob sich die Tiere ansiedeln, sei eine andere Frage. Der hiesige Lebensraum würde es jedenfalls möglich machen. Das Problem sei das Image vom großen bösen Wolf, dadurch würde das Thema emotional. Die Sorge der Tierhalter auf der einen Seite, der Artenschutz auf der anderen.

Um die Akzeptanz zu stärken, würde das Land bei Wolfsrissen Entschädigungen zahlen. Das würde bei anderen Wildtierrissen, etwa beim Fuchs, nicht passieren. Sie sagt, dass in NRW mehr Tiere durch Hunde als durch Wölfe getötet werden, auch das müsse man bei der Diskussion mit den Wölfen berücksichtigen. „Wir müssen den Umgang mit dem Wildtier Wolf erst einmal wieder lernen“, sagt sie. „Der Wolf hat das Recht hier zu sein, wenn er denn von sich aus wiederkommt.“