Schwelm. Intensiv-Arzt Alexander Vogels macht Heiligabend seinen letzten Dienst im Krankenhaus, bevor er in Rente geht. Eine berührende Geschichte.
Der erste Gang führt ihn auch heute zur Umkleide. In Dienstkleidung nimmt Alexander Vogels die Treppen in die zweite Etage. Die Tür schwingt auf und er betritt die „Intensiv“ – eine Station, die bei vielen Menschen Unbehagen, Respekt und auch Ängste auslöst. Für den Arzt ist dieser hochsensible Bereich wie sein zweites Zuhause. So auch heute – an Heiligabend. Den 24. Dezember verbringt er seit vielen Jahren im Krankenhaus – zum Wohle der Menschen, die Hilfe brauchen. „Dienste an Feiertagen gehören dazu“, sagt Alexander Vogels selbstverständlich.
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Auf der Intensivstation erinnert ein wenig Weihnachtsdekoration an die Festtage, doch Zeit für ruhige Stunden gibt es hier nicht. „Manchmal können wir kurz zusammenstehen und Gedanken zum eigenen Weihnachtsfest austauschen, aber besinnlich kann es nicht sein“, erzählt Alexander Vogels. „Normalerweise haben wir auch immer versucht, zusammen zu essen und jeder hat etwas mitgebracht, aber das geht aufgrund der Pandemie nicht mehr. Dadurch ist etwas verloren gegangen.“ Denn „normal“ gibt es auch im zweiten Jahr in Folge nicht und auch keine „Stille Nacht“. „Krankheiten legen zu Weihnachten keine Pause ein und ebenso wenig unsere Intensivstation,“ sagt Vogels. 365 Tage und Nächte im Jahr ist man hier für die Patientinnen und Patienten im Einsatz und in Pandemie-Zeiten weit mehr gefordert als sonst.
„Die, die Kinder haben, sollen bei ihren Kindern sein!“
Alexander Vogels nimmt auch heute routiniert und professionell neue Patientinnen und Patienten auf. Um alle bestens zu versorgen, gibt das gesamte Intensivteam auch an den Weihnachtstagen alles. Während andere zu Hause die Familienzeit genießen, haben die Pfleger und Ärzte alle Hände voll zu tun. Ihr Ziel für die Patientinnen und Patienten: Dass es ihnen besser geht und dass sie im besten Fall gesund werden. Es geht nicht um den Heiligabend, sondern darum, die schönen Stunden auf die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt zu verschieben.
Der 66-Jährige arbeitet seit dem 1. Dezember 2008 im Helios Klinikum Schwelm. Seitdem ist die Schicht an Heiligabend jedes Jahr im Dienstplan fest verankert. Er hält anderen Kolleginnen und Kollegen damit den Rücken frei. „Die, die Kinder haben, sollen bei ihren Kindern sein“, beschreibt der Facharzt für Innere Medizin, Intensiv- und Notfallmedizin sein Herzensanliegen. Und auch im Team weiß man seit vielen Jahren: „Vogels macht Weihnachten!“ Mit seiner Frau und dem Rest der Familie feiert er immer am 25. Dezember das Fest der Liebe.
Abschied in den Ruhestand
Und obwohl die Feiertage im Dienst so ganz anders sind, Besuche nur eingeschränkt möglich und die Pandemie für alle enorm Kräfte zehrend ist, berichtet Alexander Vogels mit einem Lächeln im Gesicht von einem tollen Zusammenhalt im gesamten Team. Genau dieser wird ihm am meisten fehlen, wenn er heute Abend seinen Heiligabend-Dienst beendet und damit in den wohlverdienten Ruhestand geht. „Auch auf die Gefahr hin, dass das jetzt kitschig klingt, aber ich gehe wirklich wehmütig“, erzählt der sympathische Kollege. „Ich habe mich hier immer sehr wohl gefühlt. Aber das Alter ist jetzt nun mal da.“
Der in Solingen lebende Arzt hat sich ganz bewusst für diesen herausfordernden Beruf entschieden und es nie bereut. „Medizin ist schön, abwechslungsreich und macht unglaublich Spaß“, schwärmt Vogels. Doch er weiß auch um die Ängste und Belastung von allen. „Nicht jeder spricht es laut aus, aber natürlich haben wir hier Sorgen. Seit zwei Jahren gilt es, auch sich selbst besonders zu schützen. Natürlich denkt jeder darüber nach, wie es ist, wenn man sich mit dem Coronavirus infiziert. Wir haben einen Teil des Weges hinter uns, aber auch noch einen anstrengenden vor uns, sowohl im Privaten als auch im Beruflichen.“
Damit hat auch das Weihnachtsfest eine ganz andere Wertigkeit im Krankenhaus bekommen. Es gibt die „normalen“ Intensivpatienten, aber auch die Corona-Patienten, die intensivmedizinisch versorgt werden müssen. Und damit das alles gestemmt werden kann, ist das ganze Team mit vollem Einsatz dabei. „Ich schätze meine pflegerischen und ärztlichen Kollegen sehr. Wenn wir nicht solidarisch und kollegial miteinander umgehen würden, wäre das nicht zu schaffen. Der Einsatz jedes Einzelnen im gesamten Krankenhaus zählt.“
Jeder Patient ist besonders
Rückblickend ist jeder Dienst für ihn besonders und damit auch jeder Patient. „Man darf nicht alles zu sehr an sich heranlassen, aber man muss immer mit Herzblut dabei sein.“ Für seine Tätigkeit auf der Intensivstation hat ihm die Erfahrung aus der Notfallmedizin geholfen. Vor zwei Tagen war seine letzte Fahrt im Notarztwagen in diesem Jahr. „Doch mit dem Notarztdienst soll noch nicht Schluss sein“, erklärt Alexander Vogels – und so fällt der Abschied heute Abend vielleicht nicht ganz so schwer, wenn er sein zweites Zuhause verlässt…