Gevelsberg. Diese Geschichte in Gevelsberg ist total irre. Es geht um ein betrunkenes Pärchen, einen Überfall, und einen Sturm der Entrüstung auf Facebook.

Manche Sachen kann man sich noch nicht mal ausdenken, so vollkommen irre sind sie. Wie die Geschichte des Gevelsberger Pärchens, in der es um Raub geht, in der Polizisten sich selbst erschießen sollen, in der ein Rettungswagen zweimal umsonst ausrückt, in der auf Facebook eine Welle der Entrüstung losgetreten wird, obwohl kein einziger Vorwurf stimmt. Eine Geschichte, die sich darauf gründet, dass die beiden Gevelsberger sich als erstes mal so richtig ordentlich einen hinter die Binde gekippt haben.

+++ Schwelm, Gevelsberg, Ennepetal: Nichts mehr verpassen mit unserem kostenfreie Newsletter +++

Das Ganze nahm am Montag um 19.40 Uhr seinen Anfang damit, dass das Telefon unter der 110 auf der Kreisleitstelle klingelte. Ein 34-jähriger Gevelsberger und seine 27-jährige Lebensgefährtin gaben an, überfallen worden zu sein. Mit schlimmen Schimpfworten beschrieben sie die Täter, die aus ihrer Sicht Migrationshintergrund haben und geflüchtet seien. Der Überfall habe sich am Gevelsberger Hauptbahnhof ereignet, der Mann sei zudem von den Angreifern verletzt worden. Wie bei einem solchen Hilferuf selbstverständlich, rückt ein Streifenwagen zum Tatort aus, einen Rettungswagen fordern die Beamten auf der Leitstelle für den Verletzten ebenfalls an.

Völlig verdutzte Polizisten

Als die Streifenwagenbesatzung, ebenfalls ein Mann und eine Frau, am Hauptbahnhof eintreffen, fällt eine Sache sofort auf: Das Paar ist extrem betrunken. Zunächst sind die beiden auch noch kooperativ, doch plötzlich wendet sich das Blatt. „Fickt Euch Ihr Affen! Erschießt Euch doch!“, brüllen sie die Beamten an, beleidigen diese in einer Tour. Die waren gerade dabei, die Anzeige wegen den Überfalls aufzunehmen, und wussten nicht, wie ihnen geschieht. Das Promille-Pärchen hat hingegen nun auch die letzte Lust verloren, mit ihren Freunden und Helfern zu sprechen. Als die nächste S-Bahn in Richtung Wuppertal hält, steigen sie ein und lassen die verdutzten Polizisten am Bahnhof stehen.

„Die Kollegen haben die Anzeige gegen unbekannt noch gefertigt, den Rettungswagen wieder weggeschickt und sind selbst dann auch gefahren“, teilt Sonja Wever, Pressesprecherin der Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr mit. Da ahnten sie noch nicht, dass die Geschichte noch lange nicht zu Ende war. Denn es dauerte nicht lange, da klingelte das Telefon unter der 112 auf der Kreisleitstelle der Feuerwehr. Ein Pärchen gab an, überfallen worden zu sein, der Mann sei verletzt, man sei nun zu Hause nahe des S-Bahnhofs West. Die Feuerwehrmitarbeiter gaben die Überfallmeldung an die Kollegen der Polizei weiter. Die wähnte sich in einem Déjà-vu und die selbe Streifenwagenbesatzung wie am Hauptbahnhof machte sich auf den Weg zu den vermeintlichen Überfall-Opfern.

Doch Freude, die Beamten zu sehen, die sie erst vor kurzer Zeit auf dem Bahnsteig hatten stehen lassen, kam bei dem 34-Jährigen und der 27-Jährigen nicht auf. Erneut nahmen die beiden kein Blatt vor den Mund, beschimpften und beleidigten die Polizisten auf unterstem Niveau und lautstark. „Sie waren sehr aggressiv und der Mann wollte sich auch nicht im Krankenhaus behandeln lassen“, sagt Sonja Wever. Erneut rückten die Beamten ab.

Zwei Anzeigen geschrieben

Von dem Pärchen hörte zwar niemand mehr etwas, aber auch jetzt ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Denn in der Facebook-Gruppe Blaulicht-Community Hagen – mit immerhin mehr als 18.000 Mitgliedern – machte eine Frau sich am Dienstagabend gegen 17.50 Uhr Luft. Ein befreundetes Pärchen habe ihr erzählt, dass die Polizei ihnen nicht habe helfen wollen nach einem brutalen Überfall. Die Beamten hätten sich lustig über das befreundete Paar gemacht und Anspielungen auf den Promille-Gehalt abgelassen. Mit Pathos und Hybris ereiferte die Frau sich darüber, wie weit es in diesem Land doch gekommen sei, wenn die Polizei sich so verhalte. Problem: Nichts von dem, was die Freunde dieser Frau offenbar nach ihrer Zechtour erzählt hatten, ist wahr.

Nachdem sich die Kommentarspalte bei Facebook zunächst mit Entrüstungen gefüllt hatte, stellte sich bald heraus, wie sich die Sache wirklich zugetragen hatte. Die Frau hat ihren Eintrag mittlerweile wieder gelöscht. Und zum Schluss lässt sich sogar ihr Vorwurf entkräften, die Beamten hätten gar keine Anzeige aufnehmen wollen. Sie schrieben nämlich sogar zwei: eine wegen des Überfalls gegen unbekannt und eine gegen das ihnen nun gut bekannte Pärchen wegen Beleidigung.