Ennepe-Ruhr. Nicht nur Rohstoffknappheit setzt den Handwerksbetrieben in Schwelm und Umgebung zu. Immer häufiger ist der Mensch der limitierende Faktor.

„Bauholz immer teurer und knapper“. Diese Schlagzeile war am Dienstag im Wirtschaftsteil dieser Zeitung zu lesen. Doch nicht nur Baustoffe sind dieser Tage Mangelware. Auch der Faktor Mensch gehört zum Flaschenhals, der einer weiter anspringenden Konjunktur im Wege stehen könnte. „Wir haben nicht nur Schwierigkeiten unser Material zu bekommen und den bekannten Facharbeitermangel in fast allen Branchen, sondern auch ein Nachwuchsproblem in der Ausbildung“, sagt Udo Vaupel. Der Ennepetaler Dipl.-Ingenieur ist Botschafter des Handwerks für den Ennepe-Ruhr-Kreis.

Die Statistik der Handwerkskammer Dortmund zur Ausbildungssituation im Ennepe-Ruhr-Kreis mit Stand April spricht eine deutliche Sprache. Danach wurden in diesem Jahr bisher 99 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Damit konnten sogar 21 Stellen mehr als im Vergleichszeitraum zum Vorjahr besetzt werden. Es sind aber noch 118 gemeldete Lehrstellen offen. Für den Kammerbezirk Dortmund mit 1009 geschlossenen Verträgen und 1044 offenen Stellenangeboten spiegelt sich ungefähr das gleiche Verhältnis wider. „Bisher konnten zu weniger als der Hälfte der angebotenen Ausbildungsplätze entsprechende Verträge abgeschlossen werden, wobei wir gleichzeitig eine Steigerung des Angebotes zum Vorjahr von fast 20 Prozent zu verzeichnen haben. Das Handwerk bemüht sich also um den Nachwuchs – leider oft vergebens“, sagt Udo Vaupel.

Der Fachkräftemangel bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Kunden. Zwei bis drei Monate seien im Moment schon die Regellieferzeit. Besonders ausgeprägt sei das Problem im Bereich Heizung, Sanität, Dachdecker und Rohbau – Notfälle einmal ausgenommen. „Bei einem Wasserrohrbruch kommt der Klempner sicherlich schneller ins Haus, als bei planbaren Arbeiten“, sagt der öffentlich bestellte und vereidigter Sachverständige.

Fachkräftemangel größer geworden

„Wir haben im Moment überall Probleme“, sagt Vaupel. Neben den Lieferschwierigkeiten für Material nennt der 66-Jährige den Faktor Mensch. „Der Fachkräftemangel ist in den vergangenen Jahren größer geworden“, sagt Vaupel und zieht dabei auch die Lehrlingssituation mit ein. „Wir bilden im Vergleich zur Industrie überproportional aus, aber die Leute wandern in die Industrie ab. Das Leben auf einer Baustelle ist etwas anderes als in einem Industriebetrieb oder im Büro.“ Am Einkommen liege es nicht, dass der Nachwuchs ausbleibe. „Das Handwerk kann bei den Löhnen durchaus konkurrieren. Die Ausbildungsvergütungen sind so hoch, da kann die Industrie oder auch der Dienstleister nicht konkurrieren“, so der Handwerks-Botschafter. Betonbauer oder Maurer verdienten als Auszubildende im Schnitt 1000 Euro monatlich. „Es sind einfach nicht genug Leute da, die sagen: Ich habe Spaß an einer handwerklichen Tätigkeit und die sich deshalb um einen Ausbildungsplatz bewerben“, bedauert Udo Vaupel. Die Corona-Pandemie hat die Nachwuchs-Gewinnung natürlich nicht einfacher gemacht. „Die persönlichen Gespräche fehlen. Ich habe in diesem Jahr erst vier Gespräche führen können. Im vergangenem Jahr waren es zu dieser Zeit bereits 20“. Auch im Handwerk gebe es 14-tägige Schnupperpraktika – und das sogar gegen Vergütung. „Handwerk ist immer krisensicher gewesen und wird es auch immer sein.“