Schwelm. Interview mit Propst Norbert Dudek über die Vorgaben des Vatikans und die Folgen für die Kirche vor Ort.

Missbrauch-Skandale ohne Konsequenzen, das aus der Zeit gefallene Nein der Glaubenskongregation zur Segnung homosexueller Paare – die katholische Kirche zerstört ihr ohnehin arg angekratztes Image während der vergangenen Wochen massiv selbst. Das hat direkte Folgen vor Ort, wo Propst Norbert Dudek – gleichzeitig Kreisdechant für das Dekanat Hattingen Schwelm – ohnehin schon mit Austritten, Finanzproblemen und einem Pfarrentwicklungskonzept zu kämpfen hat, das nicht bei allen Schäfchen auf Gegenliebe trifft. Wie er mit den Vorgaben aus dem Vatikan umgeht, wie sie sich auf das Engagement Homosexueller in der Kirche vor Ort auswirken und was ihn trotz knapper Kassen und vieler polarisierender Themen dennoch optimistisch in die Zukunft blicken lässt, darüber spricht Norbert Dudek recht offen.

Wie stehen Sie zum Nein aus dem Vatikan, homosexuellen Partnerschaften ihren Segen zu erteilen?

Propst Norbert Dudek: Hier tritt die Schwierigkeit deutlich zu Tage, die wir immer haben: Theologie ist nicht deckungsgleich mit der pastoralen Wirklichkeit. Wenn ein solcher Ansatz verfolgt wird, kann man ihn den Menschen kaum noch erklären. Dennoch darf man auch nicht vergessen, dass die Kirche auf der gesamten Welt agiert, als global Player vernetzt ist. Was – wie in diesem Fall – Moral und Ethik anbelangt, da herrschen ganz unterschiedliche Vorstellungen. In Afrika zum Beispiel teilen die Menschen strenge Ansichten oft, nur halten sie sich nicht daran.

Wie gehen Sie selbst mit der Maßgabe aus Rom zur Segnung um?

Natürlich segne ich auch Homosexuelle. Ich habe auch schon schwule Partnerschaften gesegnet. Segnen heißt nichts anderes als „Gutes sagen“. Und das ist genau das, was mein Job ist. Wenn mich jemand um meinen Segen bittet, dann segne ich. Homosexuelle Paare wissen, dass sie nicht in der Kirche heiraten dürfen, und für die meisten ist das auch ok. Dennoch verspüren gläubige Homosexuelle den Wunsch, dass ihrer Partnerschaft ein Segen erteilt wird. Und dann spreche ich einen Segen. Das ist genau der Ansatz, den ich mir auch aus Rom wünschen würde.

Wie reagieren die Homosexuellen in Ihrer Gemeinde auf derartige Vorgaben aus Rom?

Unterschiedlich. Wir haben natürlich auch homosexuelle Paare in der Pfarrei. Diese sind sehr unterschiedlich aktiv in unseren Gemeinden und Gremien. Deutlich zu merken ist aber: So etwas trifft uns vor Ort.

Was sind das für Auswirkungen?

Die Menschen treten vermehrt aus der Kirche aus. Immer wenn ein Skandal auftritt, kann man auch bei uns im Dekanat zeitversetzt sehen, dass die Austrittszahlen steigen. Ich unterschreibe jeden einzelnen Brief persönlich und sehe, was die Menschen dazu bewegt, der Kirche den Rücken zu kehren. Darunter sind auch absolute Aktivposten im Gemeindeleben, die auch weiterhin bei uns ehrenamtlich aktiv bleiben, mir aber klipp und klar sagen: „Mein Geld kriegt die katholische Kirche nicht mehr.“

Seit 2014 Propst für Schwelm, Gevelsberg, Ennepetal

Norbert Dudek wurde 1968 in Köln geboren. Er ist seit dem Jahr 2014 Propst in der Propsteigemeinde St. Marien, Schwelm-Gevelsberg-Ennepetal und seit Januar des vergangenen Jahres zusätzlich Kreisdechant für das Kreisdekanat Hattingen-Schwelm.

Die Kreisstadt und die dort lebenden Menschen kannte der Propst bereits, bevor er sein jetziges Amt antrat. Als Diakon war er 1995 und 1996 in Schwelm.

Zu seinen Hobbys, das wissen die Gläubigen seit vielen Jahren, zählt Schottland. Norbert Dudek spielt hervorragend Dudelsack und ist ein Kenner, was den Whiskey aus dem Norden der britischen Insel anbelangt.

Theologie studierte Norbert Dudek in Bochum und Erfurt.

Nach seiner Priesterweihe 1997 war er Kaplan in St. Mariä Geburt Mülheim und geistlicher Leiter der KJG im Bistum Essen.

Gleichzeitig gehen mit den vom Ruhrbischof verordneten Sparmaßnahmen unpopuläre Entscheidungen wie Kirchenschließungen einher. Wie ist der aktuelle Stand beim Pfarrentwicklungsprozess?

Oben an liegt bei uns die Zukunft der Liebfrauenkirche in Gevelsberg. Es gibt Kaufinteressenten sowohl für das Gesamtensemble als auch nur für das Grundstück, auf dem diese dann eine Weiterentwicklung planen. Hier ist allerdings noch nichts spruchreif. Bei Herz Jesu in Ennepetal hat sich der Förderverein gegründet und der ursprüngliche Plan lautete, das Objekt ab dem Jahr 2025 zu vermarkten. Die Aktivitäten sind durch die Pandemie natürlich etwas eingeschränkt, aber wir sind weiter in Gesprächen und wollen erst eine Entscheidung treffen, wenn wir wissen, was der Förderverein sich vorstellt und wie das mit dem überein geht, was wir brauchen.

Stehen auch katholische Kindergärten zur Debatte?

Von den acht katholischen Kindergärten in der Pfarrei sind zwei in der Trägerschaft der Theresia-Albers-Stiftung und sechs im Zweckverband. Ich kann aus dem Stegreif nicht zu jedem Standort etwas sagen. Aber wir planen, alle Standorte zu halten, so lange der Bedarf für diese vorhanden ist.

Wie bewerten Sie die personelle Situation?

Die drei Stellen, die neu geschaffen sind für die Jugend, die Öffentlichkeitsarbeit erfahren wir alle als sehr bereichernd. Unser Sorgenkind ist nach wie vor die Gemeindeleitung in Ennepetal. Für diese Aufgabe haben wir nach wie vor niemanden gefunden. Nun gibt es erste Überlegungen, auch an dieser Stelle ehrenamtlich etwas auf die Beine zu stellen.

Wie sieht es mit geweihtem Priestern aus?

Neben mir sind dies noch Martin Steis und Matthias Fuchs, ansonsten unterstützen uns natürlich noch die beiden Pfarrer in Rente, Ulrich Bauer und Heinz Ditmar Janousek. Dazu kommt ein Team aus der Gemeinde, das hervorragend arbeitet.

Welche Herausforderungen stellt Ihnen die Corona-Pandemie?

Das Jahr verläuft in einer Wellenbewegung. Es war für uns zwischendurch sehr, sehr anstrengend. Ich spüre, dass die Belastung bei einigen gestiegen ist, dass es schwierig ist, ständig auf dem Stand zu bleiben, was umgesetzt werden darf und was nicht. Auch für mich persönlich als Gemeindemitglied mit besonderen Aufgaben ist es schwierig, auf Distanz zu bleiben. Ich möchte, ich brauche den Kontakt zu anderen Menschen, will gern wieder mit ihnen auf dem Gemeindefest ein Bierchen trinken.

Was sind die positiven Begleiterscheinungen der Pandemie?

Ganz klar die Ermutigung der Menschen, wenn Dinge gehen. Wir erfahren eine große Dankbarkeit, wenn wir Dinge möglich machen und sehr viel positive Rückmeldung, wenn wir Dinge schaffen, beispielsweise für Hochzeiten oder Taufen, mit denen die Menschen im Vorfeld nicht gerechnet hatten.

In wieweit ist Corona für die Kirche auch eine Chance?

Ganz klar werden uns gute Sachen in der Zukunft erhalten bleiben. Die Digitalisierung auch bei uns hat gezeigt, dass wir nicht mehr für jedes kurze Gespräch alle zu einem Ort fahren müssen. Außerdem haben wir erfahren, dass die vielen schönen Dinge nicht selbstverständlich sind. Ein Gemeindefest ist eben gerade nicht möglich und das erzeugt Dankbarkeit und diese besondere Lage erdet uns. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass vor allem diese neue Dankbarkeit der Menschen, für die Dinge möglich gemacht werden, eine sehr schöne Sache ist. Insbesondere bei Beerdigungen oder Krankensalbungen ist die zu spüren in den Gesprächen, die wir führen.

Welche Veränderungen kommen möglicherweise durch die Pandemie auf die katholischen Christen in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal zu?

Bislang halten wir uns an den Pfarrentwicklungsprozess und haben keinerlei andere Signale vom Bischof bekommen. Es gibt aber auch kein Extrabudget auf das wir zurückgreifen können. Unsere finanziellen Mittel sinken in erheblichem Maße, nicht zuletzt durch die bereits erwähnten Austritte aus der Kirche. Doch für uns ist das Konzept, das wir für den Pfarrentwicklungsprozess entwickelt haben und das vom Bistum gestützt wird, der Maßstab, nach dem wir handeln. Ich bin auch da dankbar, dass wir viele helfende Hände haben, die uns unterstützen und diesen Weg gemeinsam mit uns gehen.

Haben Sie persönlich noch Zeit für Seelsorge?

Natürlich habe ich mit den Immobilien, den Finanzen und viel Verwaltung einiges zu tun, doch das ist Teil meines Jobs. Dies gehört zu meinen Aufgaben. Natürlich habe ich an anderen Dingen mehr Freude, als an einigen bürokratischen Aufgaben. Dennoch gehören auch diese Bereich für mich dazu und generell erfülle ich meine vielfältigen Aufgaben sehr gern.