Schwelm. Schwelms Dacho-Vorsitzende Christiane Sartor tritt noch einmal zur Wahl an, will aber nicht mehr die volle Amtszeit durchziehen.

Die „Stadt der 13 Nachbarschaften“ hat ein „bitteres Jahr“ hinter sich, resümiert Jochen Stobbe, als er mit Christiane Sartor zusammensitzt und das Kirmesjahr 2020 Revue passieren lässt. Der Stellvertreter der Obernachbarinnen und Obernachbarn und die 1. Vorsitzende des Dachverbandes der Schwelmer Nachbarschaften möchten einen weiteren coronabedingten Ausfall ihres geliebten Heimatfestes, dem jährlichen Höhepunkt der Kreisstädter und ihren 13 Nachbarschaften, tunlichst vermeiden.

Ein hartes Jahr 2020

Neben den Absagen des Heimatfestzuges sowie der Kirmes im vergangenen Jahr suchten die Nachbarschaften dennoch Wege, um zusammen zu kommen und in ihrer Stadt zumindest einen Hauch des Kirmesflairs zu versprühen. So kam es zu der spontanen Bollerwagentour, die bis zum finalen Termin „undercover“ blieb, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und keine Menschenansammlungen zu forcieren. „Die Tour hatte uns Nachbarn sehr bewegt. Wir sind ja schließlich nur im Standby-Modus“, bedauert Stobbe. „Sonst waren die Nachbarschaften immer ganzjährig unterwegs, weshalb bei allen Mitgliedern Entzugserscheinungen auftreten“, so der ehemalige Bürgermeister nachdenklich und denkt an die Events, die übers Jahr hinweg für ausgelassene Stimmung und Unterhaltung sorgten.

Am 10. März kommen die Obernachbarinnen und Obernachbarn zur Jahreshauptversammlung der Dacho über digitalem Wege wieder zusammen. Zuletzt wurde sich im vergangenen Jahr noch von Angesicht zu Angesicht ausgetauscht, bevor wegen Corona jegliche Treffen in größeren Gruppen unmöglich wurden.

Veränderung an Dacho-Spitze

Bei der Versammlung im März wird eine große Veränderung angekündigt: Christiane Sartor wird ihre zwölfjährige Amtszeit als Vorsitzende der Dacho beenden. Christiane Sartor wird sich noch einmal zur Wahl aufstellen lassen, doch keine vollständige Amtszeit von drei Jahren durchziehen. Es ist ein großer Einschnitt, doch der Vorstand will sich in diesem ruhigeren Jahr auf eine Übergangsregelung einigen. Mit dem Vorsitz soll nach dem Heimatfest im September Schluss sein.

Dass sich das Heimatfest in diesem Jahr realisieren lässt, hat für Christiane Sartor daher einen noch viel größeren Wert. Sie wolle nämlich ausdrücklich „keinen Abschied ohne Heimatfest!“.

Von den Wahlen abgesehen, soll auch über den Umgang mit dem Ausfall und die mögliche Umsetzung der Events in den Nachbarschaften debattiert werden, zu denen neben dem Osterfeuer auch die Sommerfeste zählen.

Die Herausforderung

Die Konsequenzen aus dem letzten Jahr machen sich in diesem Jahr auch in den Geldbeuteln der Nachbarschaften bemerkbar, da große Einnahmequellen weggebrochen sind. Zu bezahlen sind ja nicht nur die Wagen, die in monatelanger Vorbereitung bis zum finalen Auftritt im September fertiggestellt werden, wie Jochen Stobbe erklärt: „Viele vergessen, dass wir Grundstücke pachten. Das sind alles laufende Fixkosten, die getragen werden müssen“, macht er auf die unterschätzte Problematik aufmerksam. Die finanzielle Situation sei für viele Nachbarschaften derzeit ein Knackpunkt, denn: „Es ist zwar noch nicht landunter, aber langsam müssten wir anfangen zu schwimmen, wenn das so weiter geht.“ Glücklicherweise blieben Sponsoren erhalten, doch das Startkapital für einen Bau der Wagen würde fehlen, wenn zum jetzigen Zeitpunkt das Werkzeug in die Hand genommen werden müsste.

Zusammenhalt ist gewachsen

Wenn die Pandemie wenigstens eine positive Begleiterscheinung hatte, dann ist es die Stärkung des Zusammenhalts der Nachbarschaften. Die gegenseitige Unterstützung wurde immer größer geschrieben. Vom Konkurrenzkampf sei schon seit einigen Jahren immer weniger zu spüren. Stattdessen besuchen sich die Nachbarschaften vermehrt gegenseitig auf den Veranstaltungen und freuen sich aufrichtig und ehrlich über die verdienten Gewinner, die den Titel für den besten Kirmeswagen einfahren, auch wenn es nicht der eigene war.

Mitverantwortlich für diesen positiven Stimmungswandel ist ohne Zweifel auch Christiane Sartor gewesen, die das Amt der 1. Vorsitzenden des Dachverbandes der Nachbarschaften bekleidet. „Mir war immer wichtig, dass wir da hinkommen“, sagt die 72-Jährige rückblickend, die ihr Amt bis heute mit Herzblut ausführt. „Der Dachverband besucht alle Nachbarschaften gleichermaßen in diesen schwierigen Zeiten und erkundigt sich nach ihren Nachbarschaften. Wir wollen auch rüberbringen, dass alle gleich wichtig sind.“ Sartor, dessen Herz nicht erst durch ihre Amtszeit für Schwelm schlägt, freut sich umso mehr, dass die Nachbarschaften vor allem jetzt zusammenhalten. Mit der Absage der Festivitäten sitzen schließlich alle in einem Boot und blasen Trübsal.

Mehr Mitglieder

Eine weitere positive Entwicklung für die Nachbarschaften sei die des Mitgliederzuwachses, den einige Nachbarschaften registrieren. Dennoch gesteht Stobbe: „Wir leben von den Rentnern, die genug Zeit haben, das Ehrenamt auszuführen. Außerdem kommt es bei ihnen nicht mehr zu großen Veränderungen wie bei der Jugend, die ihre Schule abschließen oder zur Uni gehen oder umziehen“, meint er. „Trotzdem greifen beide Generationen ineinander, weil die Älteren den Weg für die Jugend ebnet.“

Um vor allem Jüngere für die Arbeit in einer Nachbarschaft und den Bau eines Kirmeswagens als Höhepunkt der gemeinschaftlichen Arbeit in der Nachbarschaft zu faszinieren, sollen Workshops angeboten werden, bei denen die Kids erlernen können, wie man Akkuschrauber & Co. richtig und sicher händelt.

Bis dahin muss sich die Situation jedoch zunächst einmal weiter beruhigen. Vielleicht wird dann auch die Hoffnung auf die Umsetzung des Heimatfestes größer. Es wäre für Christiane Sartor ein gebührender Abschied.