Ennepetal. Anna Eigelsperger (28) erkrankte an Corona und bekam parallel einen Ausschlag sowie einen gefährlichen Abszess. Mediziner verweigern Behandlung

Wer hilft mir eigentlich, wenn ich mit einer Covid-Infektion in der Isolation bin und plötzlich wegen einer anderen Geschichte dringend medizinische Hilfe benötige? „Niemand“, antwortet Anna Eigelsperger. „Dann ist man Mensch zweiter Klasse. Ich fühle mich wie eine Aussätzige.“ Die 28-jährige Ennepetalerin hat während ihrer Corona-Erkrankung einen stark brennenden Hautausschlag bekommen, außerdem einen Abszess im Mund, der im schlimmsten Falle eine Gesichtslähmung nach sich ziehen könnte. Behandelt ist sie auch nach mehr als einer Woche nicht. Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser lehnten sie als Patientin ab, so lange sie keinen negativen Covid-Test vorweisen könne.

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Die Leidensgeschichte der jungen Frau beginnt Ende 2020. „Da hatte ich eine schwere Bauch-OP, die meinen Körper extrem geschwächt hat“, erzählt sie. Bald darauf der nächste Eingriff. Diesmal entfernte der Zahnarzt ihr Karies. Eine Routinegeschichte, deren Folgen der 28-Jährigen nun erhebliche Angst bereiten. Wieder einige Tage später – exakt am 19. Januar – wurde die Ennepetalerin positiv auf Covid getestet. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat sie sich bei ihrem Lebensgefährten angesteckt, in dessen Firma das Virus grassierte. Ihre Isolationspflicht durch das Gesundheitsamt des EN-Kreises sollte bis zum 29. Januar andauern. „Ich hatte einen schweren Verlauf mit starken Fieberschüben, das hat meinen ohnehin geschwächten Körper richtig ausgeknockt. Eine Woche konnte ich nur liegen“, sagt die Zerspanungsmechanikerin.

Ohne negativen Test keine Hilfe

Dieser Ausschlag auf der Haut der jungen Frau brennt stark. Zusätzlich hat sie einen Abszess im Mund.  
Dieser Ausschlag auf der Haut der jungen Frau brennt stark. Zusätzlich hat sie einen Abszess im Mund.   © WP | Privat

Während sie mit den Auswirkungen ihrer Infektion kämpft, macht sich am Hals, im Schulter-, Achsel- und Brustbereich ein großflächiger Ausschlag breit. „Er hat gebrannt wie Feuer. Ich bin nicht zimperlich, aber das waren starke Schmerzen.“ Anna Eigelsperger meldet sich beim Gesundheitsamt des Ennepe-Ruhr-Kreises, schildert der Behörde, die ihre Quarantäne angeordnet hat, ihr gesundheitliches Problem. „Das ist genau der richtige Weg“, sagt Ingo Niemann, Pressesprecher des Kreises. Das Gesundheitsamt gestattete ihr, die Isolation für eine Behandlung des Ausschlags zu verlassen. Damit begannen die Probleme.

„Egal, wo ich nachgefragt habe, kein Arzt wollte mich wegen meiner Corona-Infektion behandeln“, sagt die Ennepetalerin. Dutzende Telefonate habe sie mit Hautärzten im nahen und weiten Umfeld geführt. Die Antwort sei immer die selbe gewesen: Nichts zu machen ohne negativen Corona-Test. Inmitten dieses Ärgers schmerzt plötzlich auch noch ihr Gesicht. Eine murmelgroße Schwellung an dem behandelten Zahn war plötzlich aufgetaucht und bereitete Probleme. Wie sich herausstellte, ist dies wohl ein Abszess. Wieder hängt sich Anna Eigelsperger ans Telefon. „Ein Arzt sagte mir, der müsse chirurgisch geöffnet werden. Sollte er sich von allein nach innen eröffnen, bestünde die Gefahr, einer Blutvergiftung, einer Gesichtslähmung und einer Nervenschädigung.“

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Der Hautausschlag rückte für die Ennepetalerin sofort in den Hintergrund. Nun telefonierte sie wegen des Abszesses. Ihr Zahnarzt ist für Corona-Patienten nicht ausgelegt. Die Zahnklinik der Universität Witten/Herdecke wies sie ab. Das Helios-Klinikum Schwelm verwies sie an das Schwesternhaus in Wuppertal. „Dort durfte ich aber auch nicht hinkommen.“ Oft sei sie barsch und aggressiv abgelehnt worden. Eine Besserung gab es auch nicht durch den Ablauf der Isolationspflicht. „Ich darf zwar wieder arbeiten gehen, bin nicht mehr ansteckend und gelte als geheilt, aber ohne negativen Coronatest will mich dennoch niemand behandeln.“ Doch nach einer Erkrankung kann es bis zu 30 Tage dauern, bis ein negatives Testergebnis zustande kommt. Ein solches liegt seit Donnerstagabend für sie vor, die nun auf eine zeitnahe Behandlung ihres Ausschlags und ihres Abszesses hofft.

Rettungsdienst hilft jedem

Doch ist das wirklich korrekt abgelaufen? Lassen die Mediziner jemanden mit akuten Erkrankungen weiter leiden? Die Redaktion hakte nach. „Der Rettungsdienst kümmert sich auch um Covid-Patienten, wenn diese beispielsweise einen Herzinfarkt haben. Alle haben die entsprechende Schutzausrüstung und es wäre sehr gut, wenn die Anrufer auf die Erkrankung hinweisen würden“, sagt Ingo Niemann.

Ebenso bezieht Prof. Dr. Stefan Zimmer, Zahnarzt in der Klinik in Witten, Stellung: „Wir behandeln alle Patienten, die in unserer Klinik vorstellig werden und einen akuten Behandlungsbedarf haben. Das gilt auch für SARS-CoV-2 Positive oder Verdachtsfälle. Wir sind allerdings kein Corona-Notfallzentrum mehr und verweisen daher Patienten, die anrufen, an die zuständigen Notfallzentren.“

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Auch hat das Helios-Klinikum Barmen auf die Anfrage der Redaktion reagiert und bedauert die Abweisung der 28-Jährigen: „Selbstverständlich betreuen wir auch SARS-CoV-2 positive Patienten, die sich aufgrund einer anderen Erkrankung an die Notaufnahme wenden. Wir haben auch bereits mehrfach appelliert, bei akuten Symptomen und Beschwerden einen Arzt beziehungsweise eine Notaufnahme aufzusuchen.“ Den Verantwortlichen sei es sehr daran gelegen, aufzuklären, warum Anna Eigelsperger nicht behandelt worden ist.

Hätte sie also ohne vorherige telefonische Terminvereinbarung einfach mit Corona-Erkrankung in eine Klinik gehen sollen? Die bisherigen Antworten scheinen das als einzige Lösung aufzuzeigen. Eine Antwort der kassenärztlichen Vereinigung zu diversen Fragen steht derweil noch aus. Wir werden weiter berichten.