Schwelm. Der DRK-Kreisverband EN ist an der Organisation des Impfzentrums beteiligt. Vorsitzender Oliver Flüshöh stellt sich im Interview den Fragen.

Die Nerven liegen bei manch einem, der einen Termin im Impfzentrum für sich oder seine Angehörigen bekommen möchte, blank. Das ist nur eines von ungezählten Dingen, die im Verlauf der Corona-Pandemie für Unmut bei den Menschen gesorgt haben und weiter sorgen. Einer, der viele dieser Dinge quasi live miterlebt, ist der Schwelmer Oliver Flüshöh, der neben seiner politischen Tätigkeit als CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag vor allem als Vorsitzender des DRK-Kreisverbands seit dem ersten Tag der Pandemie in deren Bekämpfung an exponierter Stelle involviert ist. Er spricht im Interview über Pleiten, Pech, Pannen, Perspektiven und darüber, warum er befürchtet, dass die Impfungen für massive gesellschaftliche Spaltungen führen könnten.

Die Menschen verzweifeln gerade bei dem Versuch, einen Termin im Impfzentrum für sich selbst oder für ihre Angehörigen zu bekommen. Frust und Streit dominieren die Gespräche bereits vor der ersten Impfung. Wie bewerten Sie die Lage?

Oliver Flüshöh: Man konnte doch nicht ernsthaft erwarten, dass zum Start der Terminvergabe nach wenigen Tagen etwa eine Million Menschen, die sich überwiegend zum Beginn des Verfahrens melden, auch mit einem Termin versorgt werden können. Natürlich hätten Dinge besser koordiniert werden können, aber Stand Donnerstag, 9 Uhr, haben in NRW 442.251 Menschen 884.502 Termine erhalten. Ich halte das schon für eine ordentliche Leistung. Wer glaubt, dass eine Millionen Menschen in fünf Minuten einen Termin haben müssen, der hat sie nicht mehr alle.

Landrat Olaf Schade und alle neun Bürgermeister der Städte des Ennepe-Ruhr-Kreises zählen NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann in einem Brandbrief jedoch massiv für die Organisation der Terminvergabe an. Wie sehr darf die Pandemie zum Wahlkampfthema werden?

Wenn Dinge nicht funktionieren, müssen diese auch angesprochen werden. Ich habe aber als DRK-Chef gelernt: Es bringt gar nichts, wenn die öffentliche Hand auf die öffentliche Hand haut. Jeder, der mit Corona befasst ist, lernt an jedem Tag, dass es etwas zu verbessern gibt. Da müssen wir als Politik zusammenstehen. Selbst ich als CDU-Politiker, der nah an diesen Sachen dran ist, ärgere mich massiv darüber, dass die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten es nicht schaffen, eine einheitliche Linie zu fahren, den Menschen Halt zu geben. Diesen Fehler dürfen wir drei Etagen tiefer nicht wiederholen. Das spielt nach meinem Dafürhalten nur denjenigen in die Karten, die den Staat ohnehin verteufeln. An wem sollen sich die Menschen denn noch ausrichten, wenn die Politik sich darüber zerfleischt?

Nun sind Sie nicht dafür bekannt, mit Problemen, die Sie sehen, hinter dem Berg zu halten. Warum sehen Sie das hier anders?

Ich versuche immer, mein Gegenüber zu verstehen und arbeite lösungsorientiert. Natürlich gibt es genug Dinge, die hinterfragt werden müssen. Warum gibt es keinen ordentlichen Handyempfang am Impfzentrum? Warum können wir im Ennepe-Ruhr-Kreis kein zweites Impfzentrum eröffnen, wenn wir es organisiert und bezahlt bekämen? Wie, wann und durch wen werden diejenigen geimpft, die nun neu in die Altenheime kommen? Wir müssen aber Lösungen finden und nicht politisieren. Ich glaube ohnehin, dass noch spannendere Fragen auf uns als Gesellschaft zukommen.

Welche sind das?

Denken Sie mal acht bis zehn Wochen weiter. Ein Teil der Menschen ist geimpft, ein Teil hatte dazu noch keine Möglichkeit. Führe ich Lockerungen ein? Was mache ich mit Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen? Jeder der Verantwortung trägt – ob privat oder beruflich – muss sich mit dieser Frage beschäftigen, ob er anderen den Zutritt oder das Mitmachen verweigert, weil sie nicht geimpft sind. Das fängt dabei an, dass Eltern hinterfragen, mit welchen Kindern die ihren noch spielen dürfen und endet beim Zutritt zu Bundesligaspielen. Deshalb ist es unsere Pflicht, Akzeptanz und Verständnis für die Wichtigkeit der Impfung zu wecken.

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Welche Rolle spielt dabei der DRK-Kreisverband?

Im Prinzip sind wir im Impfzentrum für alle Abläufe zuständig, die nicht den eigentlichen Impf-Akt betreffen. Das fängt damit an, dass wir den Menschen zeigen, wo sie hinmüssen und endet mit der Betreuung derjenigen, die nach der Impfung vielleicht noch einen Moment der Erholung benötigen. Auch hier sage ich klar: Wir geben uns zwar die größte Mühe, aber es werden möglicherweise – wenn alle vier Impfstraßen laufen – Probleme auftreten, die zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand bedacht hat.

Wie sehen Sie das Impfzentrum aufgestellt?

Gut – und zwar in allen Belangen. Alle ziehen an einem Strang, die Altenheime werden bald durchgeimpft sein. Das Rote Kreuz aus Witten, der ASB und die Caritas kümmern sich weiter um Testungen sowohl im mobilen Sektor als auch stationär.

Wie sieht es personell aus?

Wir stellen hauptberufliches Personal ein, ansonsten wären diese Aufgaben nicht zu schultern. Im ehrenamtlichen Bereich bekommen wir ganz, ganz, ganz viel Hilfe. Es ist der Wahnsinn, wie viele Menschen sich engagieren, zu uns kommen und einfach fragen: „Wo kann ich helfen?“ Das ist bei all den aufgeheizten Debatten sehr beruhigend.

Was sind Ihre Wünsche als DRK-Vorsitzender für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam gut durch diese Situation kommen, dass jeder gesund bleibt. Für meine Leute beim DRK wünsche ich mir vor allem, dass wir wieder Alltag erlangen mit Treffen, mit Klönen mit Sanitätsdiensten, mit Zusammenhalt. Ich wünsche mir, dass die Folgen gering bleiben, denn wir wissen noch nicht, was diese Situation in den Köpfen der Menschen bewirkt. Das ist Stress für alle. Das merke ich, das merkt meine Frau, das merken unsere Kinder. Mit den Kindern generell fühle ich am meisten mit. Sie können nicht mal eben raus oder zum Fußballtraining oder, oder, oder. Ich wünsche mir daher am meisten, dass wir alle bald in die Normalität zurückkehren.