Ennepetal. Stadtbetriebe und Infrastrukturbetrieb Ennepetal gibt es ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr. Die Rekommunalisierung ist dann vollzogen.

Ennepetal. Mit dem Ende des Jahres 2020 endet auch die zehnjährige Geschichte der Stadtbetriebe (SBE) und des Infrastrukturbetriebs Ennepetal (ISBE). Ab dem 1. Januar 2021 sind die beiden Einrichtungen wieder Teil der Stadtverwaltung. Hauptgrund für diesen Schritt war eine Änderung des Umsatzsteuerrechts, das der Stadt bei einer Fortdauer der Ausgliederung erhebliche finanzielle Nachteile gebracht hätte. Der Erste Beigeordnete Dieter Kaltenbach, der in Personalunion als Kämmerer die Ausgründung federführend vorangetrieben hatte, hält die damals im Zuge der Finanzkrise getroffene Entscheidung nach wie vor für richtig. Er sieht aber auch den Zeitpunkt für die nun vollzogene Rekommunalisierung als passend an.

Die Ausgründung

Die Finanzkrise 2009 traf die Stadt Ennepetal hart. Hatten die Gewerbesteuereinnahmen 2008 noch bei 52 Millionen Euro gelegen, brachen sie 2009 auf 15,8 Millionen Euro ein. Die Stadt war gezwungen ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen und strikte Sparmaßnahmen einzuleiten. Vor diesem Hintergrund wurden Überlegungen angestellt, einige Aufgabenbereiche und Vermögenswerte der Stadtverwaltung aus der Stadt herauszulösen und als eigenständige Einheiten weiterzuführen. „Zum einen ging es darum, die Arbeit bestimmter Bereiche besser zusammenzuführen und zu zentralisieren“, erklärt Dieter Kaltenbach rückblickend. „Zum anderen war unser Hauptanknüpfungspunkt, dass unser Anlagevermögen wie Straßen, Gebäude, Grundstücke und das Kanalnetz im städtischen Haushalt deutlich geringer bewertet war als anderswo.“ Durch das Überführen in eine rechtlich und wirtschaftlich weitgehend selbstständige Einrichtung konnte das Vermögen neu bewertet werden. Dadurch wurden stille Reserven in einem Umfang von etwa 40 Millionen Euro gehoben. Mit dem entsprechend erhöhten Eigenkapital wurde die Stadt wieder handlungsfähig. „Damit wollten wir den Zeitraum überbrücken, bis es wirtschaftlich wieder besser geht“, sagt Dieter Kaltenbach. So gut wie vor der Finanzkrise wurde es nicht mehr, die Gewerbesteuereinnahmen lagen bis heute stets mehr oder weniger deutlich hinter dem damaligen Niveau. Immerhin konnte der zum Ausgleichen der Haushaltsdefizite erforderliche Verbrauch des Eigenkapitals deutlich gestreckt werden. „Rein wirtschaftlich gesehen hat sich die Ausgründung gelohnt“, so der Erste Beigeordnete.

Die Politik hatte dem Schritt zugestimmt, so dass zum 1. Dezember 2010 die eigenbetriebsähnliche Einrichtung „Infrastrukturbetrieb Ennepetal“ (ISBE) gegründet wurde. Darin eingebracht wurde das Vermögen von Ennepetaler Stadtentwässerung, städtischem Gebäudemanagement sowie Straßenbau und Betriebshof der Stadt. Das operative Geschäft für die ISBE, die außer dem Betriebsleiter (zugleich Vorstand der SBE) kein Personal hatte, wurde von den gleichzeitig als Anstalt öffentlichen Rechts gegründeten Stadtbetriebe SBE geführt. Dazu zählen unter anderem Planung, Bau und Unterhaltung der städtischen Straßen und Wege, Grün- und Parkanlagen, Spiel- und Sportplätze sowie der städtischen und angemieteten Gebäude, Beschaffung, Bereitstellung und Unterhaltung des Fuhrparks, verschiedene Serviceleistungen für die Stadt (z. B. zur Durchführung von Wochenmärkten und Sonderveranstaltungen, zu Wahlen und Maßnahmen des Umweltschutzes), kaufmännische Tätigkeiten wie Buchhaltung, Kostenrechnung, Vorbereitung des Jahresabschlusses sowie Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge für Investitionen des ISBE. Zudem waren die SBE für die Abwasserbeseitigung, die Abfallentsorgung (an AHE bzw. Fischer & Co. vergeben), die Straßenreinigung und den Winterdienst sowie das Friedhofswesen zuständig.

Zehn Jahre Geschäftsbetrieb

Die beabsichtigte Schaffung von Synergien sei durchaus gelungen, betont Dieter Kaltenbach. Insofern sieht er in der Ausgründung nicht nur in finanzieller Hinsicht einen positiven Effekt. Kaltenbach betont, dass nun bei der Reintegration etwa 90 Prozent der AöR als neuer Fachbereich 4 "Bauen und Betriebshof" weitergeführt würden. Nur einige Verwaltungsstellen seien in den Fachbereich Finanzen und Interner Service sowie in den Fachbereich Stadtentwicklung und Bürgerdienste (die Friedhofsverwaltung wurde ans Standesamt angedockt) gewandert.

Ganz geräuschlos verlief die Arbeit der SBE allerdings nicht. Immer wieder bemängelte das Rechnungsprüfungsamt Ausschreibungen, Vergaben, Abrechnungen, Abnahmen von Leistungen und anderes mehr. „Es war eine sehr kurzfristige Gründung, da wir schnell sein mussten, um das noch 2010 vollziehen zu können“, erklärt Dieter Kaltenbach. Trotzdem hätte er es im Nachhinein nicht anders umgesetzt. „Vieles zeigt sich eben erst im laufenden Betrieb“, so der Erste Beigeordnete. Das Thema habe ganz viele Facetten. So müsse das Rechnungsprüfungsamt natürlich darauf achten, dass alles den Bestimmungen entspreche. Andererseits müssten viele Dinge auch sehr schnell entschieden werden, beispielsweise bei unerwarteten Problemen auf einer Baustelle.

2015 wurde schließlich der dreiköpfige Vorstand abgelöst und durch Wolfgang Schrey als alleiniger Chef ersetzt. Der Dreier-Vorstand sei aus der damals angestellten Überlegung heraus entstanden, die Kluterthöhle und Freizeit GmbH & Co. KG im Jahr 2012 in die ISBE/SBE zu überführen, sagt Dieter Kaltenbach rückblickend. Zu diesem Zeitpunkt sei der Vertrag von Wolfgang Kern, dem Geschäftsführer der Kluterthöhle und Freizeit GmbH ausgelaufen, man habe auf weitere Synergien setzen wollen. Doch dann sei die Entscheidung in die andere Richtung gefallen, die Gesellschaft blieb bestehen.

Wolfgang Schrey verlängerte seinen Zwei-Jahres-Vertrag als Vorstand der SBE und Betriebsleiter der ISBE nicht und wechselte zur Kluterthöhle und Freizeit GmbH & Co. KG. Ihm folgte zum 1. April 2017 Joachim Hübner. Schrey beklagte zur Begründung seines Abschieds nicht zuletzt fehlendes Vertrauen der Politik in die Arbeit der SBE.

Die Gründe für die Rekommunalisierung

Eine zum 1. Januar 2021 bevorstehende Änderung des Wettbewerbsrechts, mit der Deutschland EU-Recht umsetzt, führte dazu, dass sich die Politik im Laufe des Jahres 2018 intensiv mit einer möglichen Rekommunalisierung der SBE und ISBE befassen musste. Kurz gesagt müssen selbstständig geführte Stadtbetriebe für Leistungen, die sie für ihre Kommune erbringen, künftig Umsatzsteuer berechnen. Das hätte laut Berechnungen einer von der Stadt beauftragten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft zu einer jährlichen Mehrbelastung des städtischen Haushalts von mehr als zwei Millionen Euro geführt. Außerdem stand aus der Politik ohnehin die Forderung im Raum, die SBE auf den Prüfstand zu stellen, weil die Synergieeffekte nicht so groß wie gewünscht gewesen seien und die Leistung nicht den Erwartungen entspreche. So traf der Rat schließlich die Entscheidung für die Rekommunalisierung.

Die Auflösung der SBE und ISBE

„Ich habe es mir schwieriger vorgestellt, aufgrund der vielen Diskussionen vor der Gründung“, meint Dieter Kaltenbach zur Reintegration von ISBE und SBE. Nach dem Beschluss zur Rekommunalisierung habe man Arbeitsgruppen gegründet, um die aufwendige Zusammenführung von Wirtschafts- und Haushaltsplänen zu stemmen, auch die IT habe viel geleistet. Tim Strathmann als Leiter des Fachbereichs Finanzen und Interner Service wurde zum weiteren Vorstand der SBE bestellt und somit das Bindeglied zwischen Verwaltung und AöR. Teilbereiche – insbesondere aus der Verwaltung der SBE – überführte man bereits vorzeitig in die Stadtverwaltung. „Die Rückführung des Personals lief gut“, meint Dieter Kaltenbach. Das sei besonders bemerkenswert, weil viele Mitarbeiter erst nach Gründung der SBE hinzugekommen seien.

Wenn die ISBE und SBE am 1. Januar nun Geschichte sein werden, ist der Rückführungsprozess aber noch nicht endgültig abgeschlossen. „Es wird noch das eine oder andere Gefecht geben, zum Beispiel bei laufenden Bauprojekten, bei denen der ursprüngliche Auftraggeber dann ja nicht mehr existiere. Auf derartigen Dingen soll übrigens ein Hauptaugenmerk des künftigen Leiters des Fachbereichs 1 (Finanzen und Interner Service) liegen. Dieses Amt übernimmt – als Nachfolger des gerade zum Kämmerer bestellten Tim Strathmann – jemand, der über größtmögliche Erfahrung in dieser Hinsicht verfügt: der bisherige SBE-Vorstand Joachim Hübner. Leiter des neuen Fachbereichs 4 wird Thomas Pflug, bisheriger Technischer Leiter der SBE.

Ausblick

Die Stadt Ennepetal hat 2016 das Strom- und Gasnetz rekommunalisiert, das Gleiche ist für das Trinkwassernetz vorgesehen. Wäre es nicht denkbar, dies alles mit den im Fachbereich 4 gebündelten Liegenschaften und dem Betriebshof zu bündeln und daraus so etwas wie die „Ennepetaler Stadtwerke“ zu machen? „Man kann nie sagen: ,Das ist es jetzt‘“, meint Dieter Kaltenbach und wagt den Blick in die Glaskugel. Neue Räte und neue Menschen an bestimmten Stellen in der Verwaltung könnten seiner Meinung nach durchaus den Gedanken entwickeln, dass es eine gute Entscheidung wäre, eine derartige Einrichtung zu installieren. In seiner Amtszeit als Beigeordneter, die 2026 enden wird, sehe er das aber nicht.