Gevelsberg. Esoteriker aus ganz Europa reisten nach Gevelsberg um sich mitten im Wald mit Ayahuasca zuzudröhnen. Plötzlich stand die Polizei vor der Tür.
Der Weg zur halluzinogenen Selbsterkenntnis führt über Durchfall und Erbrechen – zumindest für diejenigen, die auf die Jahrhunderte alte Indiana-Droge Ayahuasca schwören. Die allein ist schon illegal in Deutschland, doch noch größer ist das Problem für zwölf Esoteriker, die aus ganz Europa am Donnerstag nach Gevelsberg gereist waren. Ihren „Tee des inneren Friedens“ wie sie den Sud gegenüber der Polizei nannten, hätten sie im Lockdown auf gar keinen Fall gemeinsam zu sich nehmen dürfen. Genau das allerdings passierte im Alten Forsthaus.
Ayahuasca ist seit einigen Jahren so etwas wie ein hipper Trend in esoterischen Kreisen wird aber auch unter Normalbürgern immer beliebter. Der Pflanzensud aus dem Amazonasgebiet gilt als eine der stärksten schamanischen Substanzen überhaupt und ist in Deutschland verboten. Nebenwirkungen: heftiges Erbrechen, Durchfall, Schweißausbrüche. Außerdem ist es extrem halluzinogen. Ein Nutzer bringt diese Wirkung im Gespräch mit der Frauenzeitschrift Brigitte wie folgt auf den Punkt: „LSD ist wie Popcorn dagegen.“ Dieses Gemisch aus heftigen Reaktionen des Körpers und der starken Bewusstseinstrübung macht es in entsprechenden Kreisen als reinigendes Mittel zur Selbstfindung beliebt. Jeder bekommt einen Eimer neben seine Matratze gestellt, ein Schamane passt auf, dass niemand seine Nebenleute belästigt oder beschmutzt und dann geben sich Krämpfe im Magen-Darm-Trakt mit buntesten Visionen und Horrortrips die Klinke in die Hand.
Dazu bieten dutzende Agenturen Seminare an. Oft in Südamerika, oft in den Niederlanden, manchmal auch ganz offen in Deutschland. Der Weg zu sich selbst ist dabei nicht günstig und kostet im Schnitt etwa 500 Euro pro Seminartag. Ein solches Seminar wollte auch eine Münchnerin in Gevelsberg abhalten und hatte dazu für Donnerstag, 17. Dezember, ins Alte Forsthaus geladen, das sie zuvor gemietet hatte. Warum Gevelsberg? Vielleicht war es Zufall, vielleicht die Abgeschiedenheit mitten im Wald. „Darüber lässt sich nur spekulieren“, sagt Sonja Wever, Pressesprecherin der Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr.
Polizei trifft auf zwölf Teilnehmer
Auf jeden Fall trafen die Teilnehmer zunächst auch unbemerkt am Tagungsort ein und bereiteten sich auf das gemeinsame Erbrechen und Halluzinieren vor. Ein Interessent allerdings war nicht erschienen. Er war ebenso wie die Teilnehmer, die sogar aus Finnland und Spanien anreisten, im Internet auf die kollektive Bewusstseinserweiterung aufmerksam geworden und mit Blick auf die Pandemielage schien ihm das derart falsch zu sein, dass er die Polizei über den esoterischen Zirkel im Wald informierte.
Die fackelte nicht lange und stand nur Minuten später vor dem Alten Forsthaus im Twiesack in Gevelsberg, um in zwölf erstaunte Gesichter zu blicken. Die Seminarleiterin erklärte den Beamten, man labe sich am „Tee des inneren Friedens“. Die Polizisten hingegen sahen zwei große Hindernisse bei diesem Vorhaben: das Betäubungsmittelgesetz und die Coronaschutzverordnung.
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Gleichzeitig trat ein neues Problem auf: Wenn die Versammlung laut Coronaschutzverordnung aufgelöst wird, sitzen womöglich völlig zugedröhnte Menschen hinterm Steuer und fahren mit dem Auto durch die halbe Republik. „Wir haben uns in Absprache mit dem Ordnungsamt der Stadt Gevelsberg dazu entschlossen, dass die Teilnehmer sich über das Haus verteilt aufhalten sollen, bis sie wieder dazu in der Lage sind, die Heimreise anzutreten“, teilt Sonja Wever auf Nachfrage dieser Zeitung mit.
Für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer – insbesondere für die Veranstalterin – wird die Sache aber ein strafrechtliches, zumindest aber teures Nachspiel haben. Während das hinzugezogene Ordnungsamt die Auflösung der Veranstaltung anordnete und Ordnungsgelder wegen des Verstoßes gegen die Coronaschutz-Verordnung verhängte, hat die Polizei auch Anzeigen wegen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gefertigt.
Anruf beim Verein Sozialtherapeutische Kinder- und Jugendarbeit in Wuppertal. Der vermietet das Alte Forsthaus als Seminarstätte und teilt am Freitagmittag mit, die Expertin für die Vermietung sei schon im Wochenende, aber generell sei man nicht dafür zuständig, dass die Mieter des Gebäudes sich an Coronaregeln sowie Recht und Gesetz halten würden und stehe im Rahmen der Pandemie in engem Austausch mit dem Ordnungsamt der Stadt Gevelsberg.
Dieses kontrollierte die Abreise der Teilnehmer noch abschließend. In welchem Maße eine körperliche Reinigung und eine Selbstfindung stattgefunden haben, ist indes nicht bekannt.
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Ayahuasca ist, je nach Zubereitung, ein faulig-bitter oder süßlich schmeckendes Getränk.
Der Trank ist ein wässriger Auszug aus der Liane Banisteriopsis caapi unter Zugabe von DMT-haltigen, halluzinogenen, Pflanzen.
Die Angehörigen diverser Amazonas-Ethnien gebrauchen Ayahuasca in rituellen religiösen Zeremonien, um sich in einen Trance-Zustand zu versetzen.
Quelle: Wikipedia