Gevelsberg. Zugemauert, stillgelegt und zugewuchert: Doch der Sildscheder Tunnel in Gevelsberg blickt auf eine faszinierende Geschichte zurück.

Zugemauert, stillgelegt und zugewuchert. So präsentiert sich der Silscheder Tunnel. Dort, wo früher die Elbschetalbahn verkehrte, haben sich mittlerweile Fledermäuse angesiedelt. Und das ist auch der Grund, warum die Entscheidung noch nicht gefallen ist, ob der Radweg, der Wetter und Gevelsberg verbinden wird, auch durch den Silscheder Tunnel führen soll (siehe Text unten). Ob das Bauwerk in Zukunft wieder eine Rolle spielt, hängt also von den Umweltbehörden ab. Dabei blickt der Tunnel auf eine bewegte Vergangenheit zurück.

Er ist 845 Meter Land und legt nach etwa 500 Metern eine Kurve hin - eine Seltenheit für solch ein Bauwerk. Dann hat sich vor dem Nordportal in der Bauphase auch noch eine große Menge Schiefergestein gelöst und den Eingang versperrt. Erst nach mehreren Jahren Bauzeit – nämlich im Jahr 1924 – wurde der Tunnel fertig gestellt und wurde Teil einer der für die damalige Zeit teuersten Bahn-Strecken in Deutschland. „Die Bauzeit war sehr lang, und weil die Trasse möglichst ohne Steigungen sein sollte, mussten gleich mehrere Bauwerke errichtet werden“, erklärt Bernhard Bösken und verweist nicht nur auf den Silscheder Tunnel, sondern auch auf das Viadukt Stefansbachtal oder den Klosterholztunnel.

Bernhard Böskendie hat die Geschichte des Silscheder Tunnels ausführlich rekonstruiert.
Bernhard Böskendie hat die Geschichte des Silscheder Tunnels ausführlich rekonstruiert. © Archiv

Der Silscheder engagiert sich seit Jahren in der Heimatforschung für seinen Stadtteil und hat in den vergangenen Jahren einige Hefte und Aufsätze zu verschiedenen Themen veröffentlicht. Wie viele Stunden er in Archiven und für die Recherche verbracht hat? „Das kann ich nicht mehr zählen“, sagt er und lacht. Mehr als 50.000 Seiten über Silschede hat er gesammelt und es so geschafft, die Geschichte des Silscheder Tunnels sehr ausführlich zu rekonstruieren.

Bau kostet 50 Millionen Reichsmark

50 Millionen Reichsmark habe der Bau der Strecke damals gekostet, so Bösken. Eigentlich sollte eine Entlastungsstrecke zwischen Köln und Dortmund gebaut werden, lediglich die etwa 22 Kilometer zwischen Witten und Schwelm wurden realisiert. Mit den Arbeiten begonnen wurde im Jahr 1911. Dann kam der Erste Weltkrieg und das Unterfangen geriet ins Stocken. Das erste Teilstück von Witten nach Wengern wurde erst 1926 freigegeben, 1934 dann der Rest. Nachdem Anfang der 30er Jahre der Bau im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme durch den Reichsarbeitsdienst beendet wurde. Bernhard Bösken hat herausgefunden, dass zwischen „1934 und 1939 23 Personenzüge täglich auf der Strecke unterwegs waren und dazu noch in einem erheblichen Umfang Güterzüge.“ So schreibt er es in seinem Heft „Geschichte der Silscheder Bahnstrecken.“

Die Flugzeugproduktion wurde 1944 in den Klosterholz- und Silscheder Tunnel verlagert.
Die Flugzeugproduktion wurde 1944 in den Klosterholz- und Silscheder Tunnel verlagert. © WP | Scherer/Repro

In der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde die Strecke, so Bösken, für andere Zwecke benutzt. „Dies war für die Silscheder ein einschneidendes Erlebnis.“ In den Klosterholztunnel und den Silscheder Tunnel wurde die Reparatur und Fertigung von Flugzeugen verlagert, um die kriegswichtige Industrie vor Bomben zu schützen. Die Fabrik Hansen siedelte aus Münster mit ihrer 400 Mann großen Belegschaft nach Silschede um, zum Teil wurden die Arbeiter in der Silscheder Grundschule untergebracht. Auch Zwangsarbeiter mussten mithelfen. Am Hedtstück gibt es auch heute noch eine Baracke aus dieser Zeit zu sehen. Die ehemalige Kantine stehe mittlerweile unter Denkmalschutz.

Ein Vorfall erschütterte die Gevelsberger noch vor Ende des Krieges. Bernhard Bösken erklärt, dass es von dem Ereignis zwei Versionen gebe. Die erste besagt, dass Zwangsarbeiter auf dem Bahngelände einen Zug überfallen haben sollen, um an Lebensmittel zu kommen. Dabei wurden 14 Menschen erschossen. Für wahrscheinlicher hält Bösken, dass zurückziehende Wehrmachtsoldaten die 14 russischen Zwangsarbeiter erschossen haben. Einige Gräber sind noch heute in der Nähe der alten Baracke zu sehen, der Rest auf dem Silscheder Friedhof. Ein Grabstein ist ihnen dort gewidmet.

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1945 wurde der Betrieb der Strecke wieder aufgenommen. Doch die Beförderungszahlen seien immer weiter zurück gegangen, so dass am 30. November 1979 der Personenverkehr eingestellt wurde. Im Januar 1980 ist die gesamte Strecke gesperrt worden. Bis jetzt.