Schwelm. Der Ennepe-Ruhr-Kreis erklärt, warum es bei Corona zu verschiedenen Risikobewertungen kommen kann bzw. kommen muss
Seit dem Ende der Sommerferien vor fünf Wochen sind die Schulen im Ennepe-Ruhr-Kreis wieder in den Regelbetrieb gestartet. Seitdem treten dort regelmäßig Coronafälle auf. Einige Eltern, Lehrer und Schüler fragen sich, wieso das verantwortliche Gesundheitsamt bei diesen Fällen sehr unterschiedliche Vorgaben für die Betroffenen macht. Darauf reagiert die Kreisverwaltung jetzt, erklärt ihre Strategie und erläutert, warum es an Schulen zu verschiedenen Risikobewertungen kommen kann, kommen muss.
Nach einem positiven Test auf das Coronavirus bei einem Schüler oder Lehrer recherchieren die Mitarbeiter des Infektionsschutzes sehr genau, in welcher Form die Person Kontakt mit anderen Menschen an der Schule, insbesondere in Klasse und Kurs, Pausen und offenen Ganztag hatte.
Jeder Fall ist eine Einzelbetrachtung
Die Fragestellungen lauten beispielsweise, ob der Infizierte und seine Kontaktpersonen eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen haben, ob das Umfeld die gängigen Abstands- und Hygieneregeln beachtet hat und ob die Räume gut durchlüftet waren. Ermittelt werden die Größe der Klasse und der Räume, ausgewertet werden die Sitzpläne der Klasse, gezogen werden Rückschlüsse auf die Enge der Kontakte.
Von großer Bedeutung ist zudem die Dauer des Kontaktes. Einzelstunden gehen hier anders in die Bewertung ein als Doppelstunden oder noch längere Unterrichtsblöcke. Die Bewertung der jeweiligen Situation und damit die Zahl der zu testenden Personen hängt auch stark davon ab, ob ein Schüler permanent im Klassenverband ist oder ob er - wie beispielsweise in der Oberstufe - in einem Kurssystem über einen Schultag hinweg immer wieder mit neuen Personen in Kontakt kommt.
Ähnliches gilt für die Lehrer. Sind sie in vielen verschiedenen Stufen im Einsatz oder bieten sie gar noch Zusatzangebote neben dem eigentlichen Unterricht an, kann dies beispielsweise nicht ohne Folgen für die Anzahl der notwendigen Tests sein.
Alles zusammen ist für die Verantwortlichen des Gesundheitsamtes Grundlage für ihre Bewertung. „Jede Lage und jede Schule und damit jede Risiko- und Umfeldanalyse sind anders und sehr individuell“, macht Amtsärztin Dr. Sabine Klinke-Rehbein deutlich. „Wir versuchen stets, die Situation sehr differenziert zu betrachten, schicken nicht pauschal eine ganze Klasse in Quarantäne. Wenn dies aber beispielsweise wegen einer beengter Raumsituation oder schwer zu überblickenden Kontaktsituationen nötig ist, ordnen wir aber auch das an.“Bis diese Entscheidungen möglich sind, sind Aufwand und Arbeitszeit, die in das Nachverfolgen von Infektionsketten investiert werden, aber immer enorm. „Dies ist“, so Astrid Hinterthür, Leiterin des Krisenstabes, „allerdings ohne Alternative. Um die Bildungschancen aller Schülerinnen und Schüler zu bewahren, ist es notwendig, die Fallzahlen an Schulen möglichst niedrig zu halten. Schließungen von Schulen sollen soweit wie möglich vermieden werden.“
Nach dem Ergebnis der Umfeldanalyse entscheidet das Gesundheitsamt auf Basis der aktuellen Richtlinien des Robert Koch-Instituts, auf jeden Einzelfall abgestimmt, was zu machen und zu veranlassen ist. Die Spannbreite des Denkbaren ist dabei groß. Während an einer Schule nur wenige Abstriche vorgenommen werden müssen, kann es an einer anderen notwendig werden, sehr viele Schüler oder gar flächendeckend zu testen. Letzteres Szenario musste im Ennepe-Ruhr-Kreis allerdings noch nicht in die Tat umgesetzt werden.