Ennepetal. Wie fühlt sich die erste Kulturveranstaltung mit Publikum nach dem Corona-Lockdown an? Ein Selbstversuch bei der Kultgarage in Ennepetal.
Seit ein paar Jahren darf ich an dieser Stelle über Kulturveranstaltungen in der Region schreiben. Am 13. März war ich in der letzten Vorstellung des Schwelmer Leo-Theaters vor dem Lockdown. Danach übernahm auf einmal dieser Virus Covid 19 die Hauptrolle. Als vorsichtiger Mensch habe ich unnötige Kontakte vermieden. Es geht ohne die Schokolade, wenn sie beim Großeinkauf vergessen wurde – aber ohne Kultur? Die ersten Entzugserscheinungen traten ein – mein Kopf langweilte sich.
Mein Auto und ich fuhren in die Autokinos, verfolgten auf dem heimischen Laptop die empfohlenen Live-Streams der Kulturgemeinde Ennepetal oder den Kultursommer von WDR4. Ich sehe dort die Bilder vom Publikum und bin mir sicher, dass ich auf meinem Sofa bleibe. Aber dann heißt es, die Kultgarage eröffnet im Haus Ennepetal wieder. Upps – was nun?
Sehnsüchte werden wach
In den vergangenen Jahren war ich immer mit dabei – Erinnerungen, Sehnsüchte werden wach. Richtig live – handgemacht. Klar, warum nicht – aber im selben Moment fallen mir ganz viele Antworten auf diese Frage ein. Ist das wirklich sicher? Wie soll das gehen?
Es kommt die Kölnerin Tina Teubner mit ihrem Pianisten Ben Süverkrüp. Die Frau, die selbst ihr Programm mit „Lieder, Kabarett und Unfug“ beschreibt. Sicherlich ein Garant für einen gelungenen Abend. Ich kenne sie aus dem Fernsehen, die Frau hat Biss – und ich habe sie noch nie live gesehen. Das macht die Entscheidung jetzt nicht einfacher. Mein Bauch sagt Ja (er ist definitiv der mutigere), mein Kopf sagt Nein. „Wir“ machen uns erst einmal schlau.
Ich rufe Erika Schneider (Veranstalter) an. Mein Kopf rechnet mit allem. Schließlich wurde mir vor ein paar Tagen bereits die Entscheidung (Verschiebung der Eröffnung) abgenommen (wir berichteten). Aber nun strahlt sie mich förmlich durchs Telefon an: „Alles bestens. Wir haben ein sehr gutes Hygienekonzept – es läuft.“
88 Karten im Vorverkauf
Es sprudelt nur so aus ihr heraus: „Im Saal sind Zweier-Sitze gestellt, jeweils 1,50 m Abstand, versetzt, und von der Bühne 4 m Abstand. Wir haben den Einlass entzerrt; beginnen um 19 Uhr und Sie können sofort in den Saal durchgehen. Auf ihren Plätzen dürfen sie die Maske ablegen, essen und trinken. Es gibt eine Naschbar.“ Der Hörsaal sei auf, Desinfektionsmittel vorhanden, die Lüftung liefe und maximal 100 Personen dürften teilnehmen. Im Vorverkauf seien es 88 Karten (davon 58 Abonnenten), aber die Abendkasse sei noch auf. „Ich freue mich, dass es endlich wieder los geht. Das wird super. Also bis gleich.“
Weiter geht’s mit Kabarettistin Dagmar Schönleber
Weiter geht es in der Kultgarage im Haus Ennepetal am 18. September mit der Kabarettistin Dagmar Schönleber und ihrem Programm: „Respekt von, für und mit Dagmar Schönleber“.
Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr (Einlass 19 Uhr).
Karten für den Schönleber-Auftritt sind im Vorverkauf für 15 Euro und an der Abendkasse für 17 Euro erhältlich.
Sie werden an der Tourist-Info, Rathaus-Info und über www.reservix.de verkauft. Kontakt Erika Schneider: 02333 9880-35.
Tja, da fällt meinem Kopf nichts mehr zu ein – die Frau kann einen mitreißen, und in der Vergangenheit hatte ich sie als perfekte Gastgeberin kennengelernt, die mit ihrem Team alles im Griff hat und ihre Augen überall. Daher packe ich meine Tasche. Auf dem Parkplatz wird es mir wieder mulmig – will ich das wirklich? Da erinnert sich mein Kopf an „Wir müssen lernen mit dem Virus zu leben.“ (keine Ahnung, welcher Virologe es gesagt hat), und später werde ich von der Bühne hören: „Das Leben kann man nicht verlängern, nur verdichten.“
Bevor ich es mir anders überlegen kann, spricht mich eine Frau an „Wissen Sie, wo es hier zur Kultgarage geht?“ „Ja, aber wieso wollen Sie dahin?“ Die Wuppertalerin Adelheid erklärt „wenn man wieder die Gelegenheit hat, die Künstlerin live zu sehen, da muss man dabei sein.“ Und: „Nein, ich habe keine Angst.“
Vor Ort ist alles, wie von Schneider beschrieben, Kontaktformulare und Kugelschreiber liegen aus – in der Pause wird sogar ganz großzügig gelüftet. Die Zuschauer achten selbst beim Gehen auf ihre Abstände, tragen das liebevoll genannte „Schnüffeltuch“. Es ist alles sehr entspannt. Als das Licht erlischt, nehme ich meine Nachbarn nicht mehr wahr – sie sind soweit weg. Es ist, als ob Teubner nur für mich auf der Säge spielt. Ein tolles Erlebnis. Für sie ist es heute auch wieder das erste Mal. Allerdings erwische ich mich bei dem Wunsch, mal eben ein Stück zurück zu spulen („Was hat sie jetzt gesungen?“), wie auf dem Computer – aber es ist live und ich bin anscheinend etwas „Corona eingerostet“ und muss „flotter zuhören“.
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Am Ende treffe ich Adelheid wieder – sie ist begeistert von dem luftigen Saal, dem sicheren Ablauf, der Atmosphäre, der Gemeinschaft und selbstverständlich vom Programm. Ich verstehe sie. Definitiv erscheint mir der Kauf von Toilettenpapier risikoreicher als der Besuch der Kultgarage. Das Publikum weiß die Bemühungen und viele zusätzliche Arbeit der Veranstalter und Künstler zu schätzen und würdigte dies mit seinem rücksichtsvollem Verhalten. Gerne wieder!