Schwelm. „Umweltpapst“ Michael Treimer zeigt Wege auf, mit welchen Mitteln Schwelm auf die Herausforderungen des Klimawandel reagieren kann.

Für Michael Treimer ist die Umwelt in Schwelm mit ihrem Klima und der vorhandenen Artenvielfalt noch nicht verloren. Das machte der ehemalige Rektor der Hauptschule West und Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz (AGU) in einem sehr lebendig gehalten Vortrag auf Einladung der Partei Bündnis 90/Die Grünen deutlich. Unter der Überschrift „Klimaschutz in Schwelm“ hatte die Umweltpartei Interessierte in den Berghauser Hof an der Hattinger Straße eingeladen – natürlich konform mit den Bestimmungen der Coronaschutzverordnung des Landes NRW.

Was geschieht durch den Klimawandel in unserer Stadt, können wir etwas dagegen tun? Michael Treimer gab auf diese Fragen Antworten, zeigte auch auf, was jeder einzelne Bürger in seinem Umfeld durch klimabewusstes Handeln erreichen kann.

Als Umwelt-Papst schlechthin, der weit über die Grenzen von Schwelm bekannt ist, kündigte Peter Stark, Sprecher der Grünen, den Referenten an. „Michael Treimer arbeitet im Hintergrund und wird laut, wenn es um die Umwelt und die Natur geht“, charakterisierte er den Vertreter der AGU. Mit seiner Ankündigung hatte Stark nicht zu viel versprochen. Ohne Unterbrechung und ohne schriftliches Manuskript hielt Treimer nicht nur Rückblick, sondern auch Ausblick, belegte mit Fakten, dass der von Menschen gemachte Klimawandel nicht mehr zu leugnen sei, sprach von den Auswirkungen und nannte Beispiele, wie den Klimaänderungen zu begegnen sei.

Bäume

Schon als Lehrer hat Michael Treimer den Umweltschutz in den Unterricht eingebracht. Als Ruheständler lebt er seine Passion.
Schon als Lehrer hat Michael Treimer den Umweltschutz in den Unterricht eingebracht. Als Ruheständler lebt er seine Passion. © WP | Bernd Richter

Michael Treimer spannte den Bogen von einem Rückgang der Artenvielfalt in der Insektenwelt, über das Stadtgrün und wie die Stadtplaner das künftig zu berücksichtigen haben, damit auch nachfolgende Generationen sich an Bäumen in der Stadt erfreuen können bis hin zu den Frischluftschneisen, die das Klima in der Stadt bestimmen.

Das, was in den achtziger Jahren Standardwissen der Stadtplaner gewesen sei, welche Bäume gepflanzt werden müssen, gelte heute nicht mehr. Der Klimawandel verdränge immer mehr die einheimischen Gehölze. „Es gibt heute Bäume, die das Klima vertragen“, sagt Treimer und nennt beispielsweise Amberbaum und Feldahorn, „Bäume, die wahrscheinlich den Klimawandel hinkriegen“. Der Amberbaum habe seinen Ursprung in Asien, doch schon vor der letzten Eiszeit habe es ihn hier gegeben. Amberbäume sind in Schwelm neu gepflanzt worden am Brunnen und in der Bahnhofstraße. „Eine Garantie, dass die Erkenntnis von heute in 50 Jahren noch Bestand hat, gibt es aber nicht“, so Michael Treimer selbstkritisch.

Ein ausgewachsener Baum braucht gut 13 m³ Raum für das Wurzelwerk. Die voll ausgebildete Krone gibt ungefähr das wieder, wie auch die Wurzel gestaltet ist. Und an heißen Sommertagen benötigt ein voll ausgewachsener Baum gut und gerne schon mal 350 bis 450 Liter Wasser pro Tag. Dank finanziellem Engagements der Erfurt-Stiftung konnte die AGU die Erarbeitung eines Leitfadens in Auftrag geben, mit dem Stadtplanern künftig ein Hilfsmittel für das Planen von Stadtgrün an die Hand gegeben werden kann. Der Leitfaden sei fast fertig gestellt und werde über die Grenzen von Schwelm hinaus Bedeutung erlangen, so Treimer. Als Pilotprojekt dient in Schwelm die Lindenstraße mit ihrem Baumbestand. „Sie ist die Blaupause für künftige Straßenbauplanung.“

Noch ist alles grün auf dem Parkplatz am Neumarkt. Im nördlichen Bereich spenden Platanen an heißen Sommertagen kühlenden Schatten. Noch! Denn die Tage der Bäume dort sind nach Auskunft von Michael Treimer gezählt. Sie seien nicht mehr klimaverträglich, vom Pilz befallen. „Die machen es nicht mehr lange“, so sein erschreckendes Urteil, das übrigens auch für die Bäume an der Barmer Straße gilt – „vor 30 Jahren gepflanzt und schon am Ende ihres Lebens.“

Frischluftschneisen

Klimatechnisch ist Schwelm zweigeteilt: die Linderhauser Senke mit ihrem nur geringen Luftaustausch und die Stadt mit ihrer Tallage und den bewaldeten Hängen, von denen die kühle Luft ins Tal strömt. Treimer erinnerte an den ersten Förster, der 1836 in Schwelm eingestellt wurde und Wälder gepflanzt hat und daran, dass seine AGU schon in der 1980er Jahren Temperaturmessungen im Stadtgebiet durchgeführt hat. „Die Wälder sind unser Schatz: an frischer Luft, an Wasser, unser Schutz vor Starkregen.“

Insektenschutz

Manchmal sind es schon die einfachen Dinge, die ein Problem lösen können. Das gilt auch für Insekten. In Schwelm müssen die Lebensräume geschaffen werden, in denen sich die kleinen Tierchen wohl fühlen. Das können Insektenhotels sein, Wiesen, auf denen das Gras in die Höhe wächst und die nur einmal im Jahr abgemäht werden oder auch Blühstreifen, die die Felder der Bauern umgeben und für die sich die AGU im Gespräch mit den Landwirten einsetzt. Bei der Aktion „Schwelm blüht auf“ bietet die AGU für kleines Geld Blütensamenmischungen für jedermann an. Was da in den Himmel wächst, erfreut nicht nur die Augen des Betrachters, sondern auch die Insekten. Was für Michel Treimer gar nicht geht, sind die zunehmenden Steingärten – für Insekten totes Land. „Als Umweltschützer muss man Dickbrettbohrer sein“, sagt Treimer, der in all den Jahren nicht den Mut verloren hat, gegen Umweltzerstörung vorzugehen. „Wenn wir die grüne Hängematte, in der wir alle hängen, kaputt machen, knallen wir alle auf den Boden“, sagt der AGU-Vertreter. „Ich lass mich nicht unterkriegen, vielmehr arbeite ich weiter daran, dass die grüne Hängematte hält.“

Am Anfang stand die Rettung Schwelmer Kröten

Die Rettung von Kröten an der Beyenburger Straße und am Weißenfeld im Frühjahr 1981 stand zu Beginn der Arbeit, die letztendlich zur Gründung der AGU führte. Michael Treimer wurde von seinen Schülern an der Hauptschule Ost auf dieses Thema angesprochen. „Nachdem wir an einigen Abenden die wandernden Tiere über die Straßen getragen hatten, entstand die Idee, dass wir uns als Arbeitsgemeinschaft (AG) zum praktischen Naturschutz zusammenschließen sollten“, schreibt Michael Treimer in seinem Aufsatz „Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz Schwelm (AGU)“.

Nach einem Aufruf in der Presse kamen am 11. Juni 1981 über 50 Personen in den Versammlungsraum der Sparkasse zur Gründungsversammlung. Im November des gleichen Jahres wurde dann der Verein Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz Schwelm (AGU) ins Vereinsregister eingetragen. Zur ersten Vorsitzenden wurde Petra Kraugmann gewählt, als Stellvertreter Michael Treimer.

Inzwischen ist die AGU ein von allen politischen Parteien und anderen Organisationen anerkannter Verein und wird immer wieder um Rat gefragt. So ist die AGU auch im Landschaftsbeirat vertreten, wo sie nach jahrelanger Arbeit, zusammen mit den anderen Naturschutzverbänden im Kreis, die Effektivität dieses Gremiums entscheidend verbessern konnten. Auch in der Biologischen Station des EN-Kreises ist ein AGU-Vertreter im Vorstand.