Schwelm. Das Jugendzentrum Schwelm verzichtet wegen Corona auf offene Angebote im Gebäude und Ausflugsfahrten. Kinder erkunden Schwelm und die Natur

Wer in diesem Jahr beim Ferienspaß des städtischen Jugendzentrums mitmacht, der ist garantiert kein Stubenhocker. „Spielaktivitäten werden so viel wie möglich nach draußen verlegt, gehen viel in die Natur, um Aerosolen keine Chance zu geben“, sagt Dipl.-Pädagoge Jörg Sent. Gemeinsam mit seiner Kollegin Dipl.-Sozialpädagogin Andrea Douven und der angehende Psychologin Shireen Aslam managet das Trio das traditionelle Sommerferienprogramm der Stadt Schwelm für Kinder unter Corona-Bedingungen.

Abenteuer im Wald und auf dem Gelände der AG Umweltschutz Am Tannenbaum erleben die Kinder beim Ferienspaß des städtischen Jugendzentrums. Michael Treimer (AGU) erklärt den Kindern den Wald.
Abenteuer im Wald und auf dem Gelände der AG Umweltschutz Am Tannenbaum erleben die Kinder beim Ferienspaß des städtischen Jugendzentrums. Michael Treimer (AGU) erklärt den Kindern den Wald. © WP | Bernd Richter

Der Ferienspaß in Zeiten der Virus-Pandemie ist kein gewöhnlicher Ferienspaß. Andrea Douven hat eine gewisse Verunsicherung bei den Eltern festgestellt: „Wegen eines möglichen Ansteckungsrisikos lassen viele Eltern ihre Kinder lieber zu Hause.“ Zwar sind auch in diesem Jahr die Aktionswochen fast ausgebucht, aber aus Sicherheitsgründen wurde die Obergrenze der Teilnehmerzahl auf 18 Kinder gesenkt, um eine kleine und übersichtliche Gruppe zu erhalten. In normalen Zeiten tollen 33 Mädchen und Jungen herum.

Auch die Kinder müssen sich an bestimmte Sicherheitsregeln halten, die die Coronaschutzverordnung hergibt. „Die Kinder müssen im Jugendzentrum eine Alltagsmaske tragen. Die Sicherheitsabstände sollen bei allen Situationen eingehalten werden. Der offene Bereich entfällt innerhalb der Sommerferien, damit die Gruppe homogen bleibt und von außerhalb nicht gemischt wird. Zusätzlich wird alles permanent durchgelüftet“, berichtet Jörg Sent von seinem Alltag.

Die großen Tagesausflüge der letzten Jahre wurden komplett gestrichen und werden durch kleine fußläufige Mikroangebote in der näheren Umgebung ersetzt, z.B. Schach in Martfeld, Stadtführung mit Heike Rudolph, Besuch des Hauses Martfeld, Exkursion in den Wald mit Michael Treimer usw. „Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln werden vermieden – genauso der Besuch von touristischen Menschenansammlungen. Zudem bietet die nahe Umgebung in und um Schwelm vieles, was es zu entdecken gilt, auch ohne weit zu reisen“, so Sent.

Eltern Ängste und Sorgen nehmen

Der Dipl.-Pädagoge berichtet von vielfältigen Reaktionen der Eltern und Angehörigen im Umgang mit dem Corona-Virus. Statt beim Ferienspaß, würden einige ihre Kinder z.B. durch die Oma und andere nahe Verwandte betreuen lassen. „Andererseits erhalten wir als Jugendzentrums-Team sehr viel positive Feedbacks dafür, dass wir in dieser Zeit überhaupt eine Sommerferienbetreuung durchführen, da viele Eltern ihre Urlaubstage ausgeschöpft haben und ihre Kinder sich nach der Zeit ohne Freunde wieder sehr auf das Jugendzentrum freuen“, sagt Sent. Urlaubstechnisch spiele auch die Situation am Arbeitsmarkt, z.B. Kurzarbeit o.ä., eine Rolle. Wenn es für die Familien dennoch in Urlaub gehe, dann zumeist zur Ostsee, Nordsee und Feriengebiete in Deutschland. Das, wie Jörg Sent sagt, „Ausnahmejahr“ habe die Erkenntnis gebracht, dass kleinere, „entschleunigte“ Gruppen einen wertvollen Beitrag leisteten, um die Corona-Krise zu meistern. Dies ermögliche auch, eigenes Handeln und pädagogische Prozesse besser zu reflektieren. Wichtig sei, mögliche Ängste und Sorgen der Eltern ernst zu nehmen und im eigenen Handeln mit zu bedenken und zu entkräften. „Wir wollen für Eltern und Kindern eine Brücke bilden, um wieder in den routinierten Alltag zurückzufinden“, sagt Sent.

Als die Pest nach Schwelm kam…

Zum Programm des Sommerferienspaßes des Schwelmer Jugendzentrums gehört auch immer eine Stadtführung, zu der sich die jungen Teilnehmer und ihre Betreuer mit Schwelms Pressesprecherin Heike Rudolph treffen. Nachdem über die erste Besiedlung und die spätere zweimalige Verleihung der Stadtrechte gesprochen worden war, ging es nach dem Motto „immer an der alten Stadtmauer entlang“ durch die Brauereigasse bis zur Altstadt.

Die Kinder staunten, wie klein das Schwelm z.B. des Jahres 1722 gewesen war, verglichen mit seiner heutigen Ausdehnung. Sie mochten kaum glauben, dass Schwelm damals im Osten in Höhe des Bürgerplatzes endete, nämlich am Ostentor, vor dem das selbstständige Dorf Möllenkotten lag.

Gesprochen wurde u.a. über den früheren jüdischen Friedhof an der oberen Schulstraße/Brauereigasse. Einige der Kinder wussten schon, dass man früher als „steinreich galt“ wenn man es sich leisten konnte, ein Haus aus Stein zu bauen.

Auf dem Altmarkt zu Füßen der Christuskirche wurde die Bedeutung der Jahrmärkte betont, die die Städte dringend benötigten, weil diese mittelalterlichen Großveranstaltungen sie wirtschaftlich voranbrachten. Ein Jahrmarkt bestand aus Viehmarkt, Warenmarkt, Unterhaltung und gewagter medizinischer Versorgung durch Bader und dauerte mehrere Tage.

In Zeiten von Corona bildete das Thema „Seuchen“ einen kleinen Schwerpunkt innerhalb der Stadtführung. Bekannt ist, dass in Schwelm im Jahre 1635/36 die Pest wütete und im Kirchspiel Schwelm 940 Menschenleben kostete. Dieses große Unglück traf die Menschen mitten im 30-jährigen Krieg, der ohnehin schon eine Qual war. Natürlich wurde auch über die Herkunft der Pest und ihre Übertragungswege gesprochen und darüber, wie Menschen die Krankheit in einer Zeit deuteten, in der man noch nicht in Körper hineinsehen konnte und stark vom Aberglauben geprägt war.

Über die Kirchstraße mit dem Thema „Pilgerweg“ ging es zurück zum Bürgerplatz. Während der Führung hatten die Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren munter mitgeredet. Viele hatten entweder Fragen oder brachten schon eigene Kenntnisse ein – ein schöner Dialog. Am Schluss wollte Heike Rudolph von den Kindern wissen, wo denn ihr Lieblingsplatz in Schwelm sei. Und die Antworten waren mannigfaltig: ein Mädchen liest mit Leidenschaft zuhause auf dem Sofa; ein Junge ist überall gern, wo Fische sind; ein anderer geht mit Vorliebe ins Freibad, und drei Mädchen flanieren mit Freude als Freundinnen durch „ihre“ Stadt.

Für die Herbstferien plant das Jugendzentrums-Team eine Ferienfreizeit für circa 10 Kinder im Alter von 7 -11 Jahren nach Grömitz/Ostsee. Sofern es die allgemeine Corona-Situation erlaubt, wird das Jugendzentrum in der üblichen Weise den offenen Bereich im JZ parallel dazu öffnen.