Ennepetal. In Folge des Kapp-Putsches vor 100 Jahren starben auch zwei junge Männer aus Milspe, die für Demokratie und Freiheit einstanden.
Der Erste Weltkrieg war beendet, das Deutsche Kaiserreich ging unter, die Weimarer Republik startete ihr kurzes Leben. Aber nur ein gutes Jahr nach der Ausrufung der Republik begannen am 13. März 1920 rechtsnationale Kräfte einen Umsturzversuch gegen die erste Demokratie auf deutschem Boden. Der nach einem der Anführer benannte Kapp-Putsch führte auch zu Kämpfen und zahlreichen Todesopfern hier an Ennepe und Ruhr.
Damals, vor 100 Jahren, musste die Reichsregierung sogar aus Berlin fliehen. Die meisten Putschisten waren ehemalige Reichswehr-Angehörige, und sie wurden unterstützt durch Mitglieder der Deutschnationalen Volkspartei. Schon nach fünf Tagen brach der Aufstand zusammen – vor allem, weil es einen Generalstreik und bewaffneten Widerstand in Berlin und auch hier im Rhein-Ruhr-Gebiet gab. Zahlreiche Widerstandskämpfer wurden getötet, darunter zwei junge Männer aus Milspe.
Debatte um Inschrift
Die beiden 20-jährigen Artur Klee und Max Fuchs waren an den Auseinandersetzungen in Remscheid beteiligt und wurden dabei erschossen. Der Milsper Gemeinderat beschloss später, sie an dem Ehrenmal auf der Hardt für die in den Kriegen 1870/71 und 1914-1918 Gefallenen beisetzen zu lassen. Die Nationalsozialisten wiederum sorgten nach der Machtergreifung dafür, dass dieses Milsper Ehrengrab verschwand – so machten die Nazis es auch in anderen Städten wie Bochum, Hagen, Herdecke oder Wetter. Die beiden jungen Männer aus Milspe wurden exhumiert und am Rande des Evangelischen Friedhofs erneut beigesetzt. Erst nach dem Ende der Diktatur übernahm der Rat der jungen Stadt Ennepetal die Verantwortung für die Pflege dieser Ehrengräber, und so ist es noch heute.
Buch zum Thema
Wer sich näher über die damaligen Kämpfe im Ruhrgebiet informieren möchte, findet in einem Buch von Professor Dr. Rainer Pöppinghege interessante Auskünfte.
Das Werk ist im Ardey-Verlag erschienen und heißt „Republik im Bürgerkrieg - Kapp-Putsch und Gegenbewegung an Ruhr und Lippe 1919/20“. Es kostet 12,90 Euro.
Um die Inschrift auf dem Grabstein allerdings gab es zu Beginn der 1950-er Jahre noch einmal eine öffentliche Debatte. Dort auf dem Gedenkstein stand und steht nämlich der Satz, Artur Klee und Max Fuchs seien am 19. März 1920 „in Abwehr der Reaktion für die Erhaltung der Weimarer Republik für Demokratie und Freiheit gefallen“.
Auf einen entsprechenden Bericht in der örtlichen Tageszeitung reagierte der damalige Ennepetaler Bürgermeister Dr. Fritz Textor, ein ehemaliger Nationalsozialist, mit einer Stellungnahme in der Zeitung: Der Kapp-Putsch sei doch schon am 17. März 1920 beendet gewesen. Die Gefallenen starben aber erst am 19. März, sie könnten also keine Kämpfer für die demokratische Republik gewesen sein, sondern sie seien im Rahmen des Ruhrkampfes als Angehörige der linken Arbeiterschaft von Reichswehrsoldaten oder von Freicorps-Mitgliedern erschossen worden. Dabei sei es den meist kommunistischen Kämpfern in der so genannten „roten Ruhrarmeee“ hier im Westen Deutschlands gar nicht um den Erhalt der jungen Weimarer Demokratie, sondern um die Errichtung einer Räterepublik nach sowjetischem Vorbild gegangen. In Essen zum Beispiel war schon während des Kapp-Putsches ein zentraler Arbeiterrat gebildet worden, der in der Stadt das Sagen haben wollte. Auch Hagen hatte einen solchen Arbeiterrat. Die meisten Toten gab es in den Folgekämpfen nach dem Putsch übrigens in der Stadt Wetter.
Erläuternde Schrifttafel
Möglicherweise hatte Dr. Textor (FDP) damals mit seiner Argumentation zwar recht, aber den genauen Hergang der Kämpfe in Remscheid kann man heute nicht mehr rekonstruieren. Seit etwa sieben Jahrzehnten gibt es auf dem Milsper Friedhof das Ehrengrab an dieser Stelle und mit diesem Begleittext, und außer Fritz Textor scheint sich bisher niemand öffentlich daran gestört zu haben. Der Heimatverein Milspe hat erst kürzlich eine erläuternde Schrifttafel vor dem Doppelgrab aufgestellt, damit Besucher verstehen können, was es mit den Gräbern auf sich hat.
Hans Hermann Pöpsel ist Vorsitzender des Arbeitskreises Ennepetaler Stadtgeschichte und ehemaliger Lokalredakteur der Westfälischen Rundschau.