Gevelsberg. Andreas Niehues spricht als neuer Vorsitzender von Pro City Gevelsberg über Ziele, die Entwicklung der Innenstadt und verkaufsoffene Sonntage.

Andreas Niehues hat vor kurzem den Vorsitz des Stadtmarketingvereins Pro City Gevelsberg übernommen. Damit löste er Susanne Schumacher ab. Im Interview mit dieser Zeitung spricht der neue Vorsitzende über die bisherige Arbeit von Pro City, seine Ziele und die Entwicklung der Innenstadt. Dabei verrät er auch, was aus seiner Sicht gut läuft und wo er noch Verbesserungsbedarf sieht.

Herr Niehues, würden Sie sagen, dass Gevelsberg und speziell die Mittelstraße Einkaufsmöglichkeiten für alle bietet? Oder denken Sie, dass es da noch Defizite gibt?

Andreas Niehues: Ich denke, dass es da noch Defizite und Ausbaumöglichkeiten gibt. Ich habe da aber vor allem die Öffnungszeiten im Blick. Ich glaube, das ist ein ganz dickes Brett, das es zu bohren gilt. Ein großer Vorteil von Gevelsberg ist, dass wir hier eine Innenstadt mit vielen kleinen persönlich geführten Geschäften haben – ich sage immer gerne: Es ist ein nicht überdachtes Einkaufszentrum. Das Problem ist aber: Wenn Sie eine One-Man-Show, also ein Solohändler sind, dann haben Sie natürlich Schwierigkeiten, von morgens, 7 Uhr, bis abends, 20 Uhr, durchgehend im Laden zu sein. Das muss man verstehen. Ich bin sicher, dass jeder Einzelhändler in Gevelsberg genau weiß, was er tut. Das sind alles Profis. Ich möchte denen als Pro-City-Vorsitzender auch nicht von oben herab sagen, was sie machen sollen. Aber ich möchte das gerne aufgreifen, weil ich als Autohändler am Rande der Stadt damit auch von meinen Kunden konfrontiert werde. Die gehen mittags in die Stadt und sagen, es sei nichts los und alles habe zu.

Wir müssen die Öffnungszeiten also erweitern?

Vereinheitlichen. Wir haben das eine oder andere Geschäft, das mittags zu macht. Das eine oder andere Geschäft hat mittags auf. Wir haben einen ganzen Blumenstrauß an Variationen, wer wann wie auf und zu macht. Ich habe da ganz großes Verständnis. Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich 15 Mitarbeiter oder ob ich ein, zwei Mitarbeiter habe.

Steckbrief: Andreas Niehues

Andreas Niehues ist 54 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder, davon sind zwei aus erster Ehe. Er kam in Werne an der Lippe zur Welt, wo er lange Zeit auch lebte. Vor 17 Jahren zog er nach Gevelsberg, zwischendurch wohnte er in Ahlen.

Er ist Standortleiter des Gebrüder-Nolte-Autohauses in Gevelsberg. Er war bereits vor seiner Tätigkeit als Erster Vorsitzender, genau seit 2016, im Vorstand von Pro City Gevelsberg aktiv.

Eine Sache, die mir darüber hinaus aufgefallen ist, ist, dass die Schaufenster in der dunklen Jahreszeit relativ schnell dunkel sind. Auch wenn die Geschäfte schon zu sind, kann man es ja zumindest dahingehend attraktiv gestalten, als dass man die Schaufenster noch für ein, zwei Stündchen mehr beleuchtet. Das ist aus meiner Sicht nicht unbedingt eine Kostenfrage, da will ich mal beim Handel gucken, wie weit man in dieser Sache kommen kann.

Wie sieht es denn mit dem Angebot in der Stadt aus?

Mir fehlen zum Beispiel ein Haushaltswarengeschäft oder ein Klamottenladen, in dem auch Jugendliche einkaufen können. Eine Idee wäre vielleicht auch – gerade im Hinblick auf die neue Zeit – ein Unverpackt-Laden. Am Ende entscheidet aber immer der Unternehmer anhand von bestimmten Marktfaktoren, ob er an einen Standort geht oder nicht. Gevelsberg ist eine tolle Stadt mit knapp 30.000 Einwohnern. Manchmal ist es aber ein bisschen zu groß für Kleine und zu klein für Große. Man muss Gevelsberg im Verbund mit der ganzen Region sehen.

Gerade im Hinblick auf Städte wie Wuppertal, Bochum oder Hagen.

Ganz genau, deswegen muss man Gevelsberg stärken, indem man den individuellen Einzelhandel stärker macht. Das geht auch, indem man kommunikativ anders auftritt. Wir werden nicht umhinkommen, stärker im Onlinebereich tätig zu sein – Social Media. Das hat sich auch während der Coronazeit bewährt.

Außerhalb der Stadt ist Gevelsberg auch für seine Mittelstraße bekannt. Es gibt aber Stimmen, die sagen, dass die Entwicklung dort nicht gut sei, weil sich quasi ein Imbiss an den nächsten reihen würde. Ist diese Sichtweise unfair oder sagen diese Stimmen vielleicht sogar etwas Wahres?

Ich glaube, es ist weder das eine noch das andere. Das ist einfach freie Marktwirtschaft. Wenn der Bedarf für zehn Imbisse da ist, ist der Bedarf für zehn Imbisse da. Wenn er für zwei da ist, ist er für zwei da. Der Markt reguliert sich da selber. Ich finde, wir haben in der Tat viele Imbisse in der Stadt. Ich glaube, dass wir da jetzt an einem Punkt sind, wo es auch gut ist. Eine lebendige Gastronomieszene ist für eine attraktive Innenstadt aber auch wichtig.

Wie kann Pro City die weitere Entwicklung beeinflussen?

Man muss bedenken, dass wir als Pro City immer nur Vermittler sein können. Wir können nur Gewerbe mit Vermietern zusammenbringen. Das ist auch ein Ansatz, den ich als Erster Vorsitzender im Blick habe. Wir haben mit Andreas Jähme zum Beispiel einen Immobilienhändler im Vorstand. Ich kann mir gut vorstellen, dass man versucht, vielleicht die Makler und die Vermieter, also die Immobilienbesitzer, die die Ladenlokale haben, mit Pro City an einen Tisch zu bekommen und Konzepte zu entwickeln.

Kurz und Knapp

Kaufen Sie auch schon mal
online ein?

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich das nicht tue. Ich tue das aber selektiv und selten. Wenn, dann nur das, was ich nicht in Gevelsberg kriege.

Was darf Ihrer Meinung nach in einer attraktiven Innenstadt auf gar keinen Fall fehlen?

Sauberkeit, ein gutes Angebot, Restaurants und die Möglichkeit, auch draußen zu sitzen.

Was macht gutes
Stadtmarketing aus?

Die Kommunikationsstärke mit allen Beteiligten in der Stadt. Die Fähigkeit, zuzuhören. Und eine Kenntnis der Gegebenheiten und Bedürfnisse in der Stadt.

Wobei man sagen muss, dass unsere Leerstandspolitik im Moment super ist. Wir haben nur fünf offizielle Leerstände. Wir sind da also noch gut unterwegs. Aber es wird schwieriger. Wenn wir später nicht nur Ein-Euro-Shops haben wollen, sondern einen breit aufgestellten Handel, der auch ein bisschen diversifiziert, dann braucht das Zeit und es braucht viele Gespräche.

Sie waren schon Jahre vorher im Pro-City-Vorstand tätig. An welche Punkte der bisherigen Arbeit für das Stadtmarketing möchten Sie anknüpfen?

Ich fang mal ganz vorne an, als Pro City im Jahr 2000 gegründet wurde. Da wurde alles komplett neu aufgebaut. Seit der Zeit ist kontinuierlich sehr gute Arbeit geleistet worden. Das waren einzelne handelnde Personen, aber auch – und das zeichnet Pro City aus meiner Sicht aus – die ganze Zusammenarbeit der verschiedenen Fraktionen. Der Stadt, der Unterstützer, der Sponsoren, der Mitglieder und eben des jeweiligen Pro-City-Vorstands. Da will ich auf jeden Fall anknüpfen. Daran, dass diese ganze Zusammenarbeit kontinuierlich gut weitergeführt und gepflegt wird. Das halte ich für exorbitant wichtig. Auch darin, dass Pro City nicht als etwas wahrgenommen wird, das außen nebenherläuft, so als unnahbar, sehe ich einen wichtigen Anknüpfungspunkt.

Was sind ein paar neue Ansätze, die Sie sich für Ihre Amtszeit als Ziel setzen?

Mehrere Dinge. Zunächst möchte ich aber sagen, dass es während meiner Zeit keinen radikalen Umbruch geben wird. Wenn wir die Veranstaltungen nehmen, egal ob es der Boulevard oder der Frühlingsmarkt ist, das sind alles etablierte Veranstaltungen, die in ihrem Konzept sehr erfolgreich sind. Wo man gucken muss, ist, wie man – zum Beispiel beim Boulevard – immer wieder punktuelle Veränderungen hinbekommt.

Ein sukzessiver Fortschritt quasi und nicht mit dem Vorschlaghammer.

Genau. Ich nehme mal das Beispiel des Pro-City-Gutscheins. Der Papiergutschein war sehr erfolgreich und hat sich kontinuierlich entwickelt. Wir sind dann hergegangen und haben gesagt, dass wir den Gutschein digitalisieren möchten. Das haben wir im November getan. Der digitale Gutschein entwickelt sich jetzt zu einer Erfolgsgeschichte und wir hoffen, dass es so bleibt. Damit haben in wir in Zukunft noch verschiedene Möglichkeiten. Und das ist auch ein Beispiel für alles andere. Das man wirklich punktuell guckt, wo man sukzessive zeitgerecht Veränderungen herbeiführt. Ich sehe keine Notwendigkeit, grundlegende Dinge zu ändern. Überhaupt nicht.

In Nordrhein-Westfalen sollen die Geschäfte in der zweiten Jahreshälfte zusätzlich an bis zu vier Sonntagen öffnen dürfen. So sollen wegen der Corona-Beschränkungen ausgefallene verkaufsoffene Sonntage nachgeholt werden – auch ohne Bindung an einen Anlass. Wie steht Pro City dazu?

Wenn die Tür dafür aufgemacht wird, sollten wir da ganz klar etwas unternehmen. Grundsätzlich ist aber das Infektionsschutzgesetz dominierend über allem, was da kommt. Große Veranstaltungen sind erstmal noch bis Ende Oktober untersagt. Bis dahin haben wir noch ein Vierteljahr. Da muss man überlegen, was man in der Zeit noch machen kann. Ich bin für die zusätzlichen verkaufsoffenen Sonntage. Wir müssen dem Handel die Chance einräumen, das mitzunehmen, was er mitnehmen kann. Ich bin aber momentan nicht in der Lage zu sagen, wie das aussehen könnte. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das so einfach geht, ohne die Gewerkschaften mitzunehmen. Und wenn, glaube ich trotzdem, dass es immer im Zusammenhang mit einer Veranstaltung sein muss. Damit haben wir schon den Konflikt: Veranstaltung geht nicht wegen des Infektionsschutzgesetzes. Und verkaufsoffener Sonntag wird nicht ohne Veranstaltung gehen können. Wenn Verdi allerdings zustimmen sollte, werden wir uns da mit Sicherheit etwas überlegen.