Ennepetal. Auf einer Länge von 400 Metern ist die Heilenbecke aus ihrem engen Bett geholt worden. Der Fluss durch Ennepetal wird renaturiert.
Freiheit für die Heilenbecke: Ein 400 Meter langes Teilstück des Flusses durfte am Mittwoch nach vielen Jahrzehnten sein enges Bett verlassen. Im Bereich der Firma A. W. Schumacher GmbH darf sich das Wasser nun seinen eigenen Weg durch die Mulde suchen und um die Gießerei herum fließen. Neben der ökologischen Verbesserung des Gewässers hat die Maßnahme die Verbesserung des Hochwasserschutzes zum Ziel.
Bürgermeisterin Imke Heymann setzte sich selbst ans Steuer des Baggers, um zumindest einen Teil des Damms vor dem trockengelegten Flusslauf aufzuschütten und den Durchfluss ins neue Bett zu öffnen. Schnell suchte sich das Wasser den neuen Weg durch die Auenfläche. „Wir haben ein Initialgerinne angelegt“, erklärte Björn Mayr, Projektverantwortlicher der Stadt im Fachbereich Bürgerdienste und Stadtentwicklung. „Das Wasser wird sich im Laufe der Zeit seinen Weg dann selbst suchen.“ Der Lauf der Heilenbecke schlängelt sich künftig durch den Bereich statt geradewegs parallel zur Heilenbecker Straße durchzurauschen.
„Durch die Laufstreckenverlängerung und den höheren Widerstand wird die Fließgeschwindigkeit verlangsamt“, erklärt Björn Mayr. Dadurch und durch die Rückstaumöglichkeit in die Aue leiste die Umgestaltung des Bereichs künftig einen wesentlichen Beitrag zum Hochwasserschutz, heißt es vonseiten der Stadt.
Zwei Wehre herausgenommen
Hinsichtlich der ökologischen Verbesserung konnten nicht zuletzt zwei Wehre, die Hindernisse für die heimischen Fische und wichtige Kleinstlebewesen darstellten, aus dem Wasserlauf herausgenommen werden. Die im Unterlauf liegende private Teichanlage am Grimmelsberg wird übrigens über einen neu zu gestaltenden Obergraben mit der Heilenbecke verbunden. „Darüber haben wir mit dem Eigentümer eine vertragliche Regelung getroffen“, erklärt Björn Mayr.
Im August soll die gesamte Baumaßnahme abgeschlossen sein. Dann soll die städtische Biotopfläche im Heilenbecker Tal mit Schafen beweidet werden. Dadurch kann auch das Auftreten gebietsfremder Pflanzen wie dem dort vorhandenen Riesenbärenklau eingedämmt werden.
Die Projektbeteiligten
Geplant wurde die Maßnahme vom Ingenieurbüro Rademacher + Partner aus Hagen, die ökologische Baubegleitung erfolgte durch das Büro für Landschaftsplanung, Gewässerentwicklung und Artenschutz Viebahn-Sell aus Witten. Die Bauarbeiten übernahm die Firma Böwingloh & Helfbernd aus Verl, die im öffentlichen Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten hatte.
Projektsteuerung, Koordination und Baubetreuung lagen beim Fachbereich Bürgerdienste und Stadtentwicklung, Sachgebiet Umwelt. Das Projekt wurde in enger Abstimmung mit der Unteren Wasserbehörde des Ennepe-Ruhr-Kreises durchgeführt.
Die Firma A. W. Schumacher sorgte für den Betriebsweg und erneuerte die Lösch- und Regenwasseranlagen. U. a. wird im Bereich des alten Flusslaufs ein Auffangbecken für Löschwasser, das bei einem etwaigen Feuer im Betrieb anfällt, geschaffen. So wird vermieden, dass es direkt in die Heilenbecke fließen kann.
Bei dem Renaturierungsprojekt, das schon vor drei Jahren auf den Weg gebracht worden war (wir berichteten), kooperieren die Stadt und das alteingesessene Familienunternehmen. Bisher floss die Heilenbecke unter dem Firmengebäude hindurch. Wilhelm Schumacher hatte den Betrieb 1873 als Hammerwerk gegründet. Damals spielte die Nutzung der Wasserkraft noch eine Rolle, heute längst nicht mehr. Als die Stadt die Anlieger der Heilenbecke darüber informierte, dass man im Zuge der Umsetzung von Europäischer Wasserrahmenrichtlinie und des städtischen Hochwasserschutzkonzepts an der Heilenbecke tätig werden müsse, ergriff Geschäftsführerin Anna Luisa Schumacher die Gelegenheit zur Zusammenarbeit. Das Unternehmen hatte selbst schon Planungen ausgearbeitet, den Flusslauf zu verlegen.
Abschnitt wurde vorher abgefischt
Da zunächst die Grundstücksfragen geklärt, eine detaillierte Planung ausgearbeitet und Fördermittel beantragt werden mussten, zog sich die Realisierung des Vorhabens noch einige Zeit hin. Ende vergangenen Jahres kam schließlich der Förderbescheid, wonach das Land 90 Prozent der mit 277.777 Euro veranschlagten Kosten übernimmt. Im Anschluss konnten die Ausschreibungen und Vergaben erfolgen. „Dann mussten wir auf die geeignete Jahreszeit außerhalb der Hochwassersaison warten“, erklärt Björn Mayr. Anfang Juni legten die Bagger schließlich los.
Vor Beginn der Arbeiten war der betreffende Abschnitt der Heilenbecke abgefischt worden. Dabei habe man ein sehr gutes Ergebnis erzielt, berichtet Björn Mayr. Bachforellen und Mühlkoppen seien in großer Zahl ins Netz gegangen.
„Das war eine sehr gute Baustelle“, meinte Björn Mayr beim „letzten Spatenstich“. Alles habe super funktioniert und die Beteiligten seien sehr schonend mit der Umwelt umgegangen. Ganz abgeschlossen ist die Maßnahme aber noch nicht, denn unter anderem wird das alte Flussbett noch verfüllt und der Anschluss an den Teich hergestellt.
Bürgermeisterin Imke Heymann sprach allen Projektbeteiligten ihren Dank für die gute Zusammenarbeit aus. Sie freue sich schon darauf, wenn die Schafe auf der Fläche grasen würden und der Riesenbärenklau verschwunden sei.
Ein weiteres Renaturierungs- und Hochwasserschutzprojekt steht in absehbarer Zeit an, wenn die Hülsenbecke im Zuge der Umgestaltung des Hülsenbecker Tals wieder ihren ursprünglichen Lauf finden soll. Darüber hinaus, so Björn Mayr, fokussiere man sich auf kleinere Maßnahmen, wie zum Beispiel den Rückbau von Wehren.