Schwelm. Wer für Verkehrssünden nach dem 28. April einen Bußgeldbescheid erhalten hat, sollte die Handhabung des Ennepe-Ruhr-Kreises kennen.

Mit einem „Blitz“ wurde ihm schlagartig klar: Der Führerschein ist für einen Monat „weg“. Das war Anfang Mai, wenige Tage, nachdem der neue Bußgeldkatalog mit den verschärften Sanktionen bekanntgegeben wurde. Nun wird der Verkehrssünder erneut Post vom Ennepe-Ruhr-Kreis bekommen. Die Fahrerlaubnis wird ihm doch nicht entzogen, weil jetzt wieder der alte Bußgeldkatalog gilt. Das Kreishaus ist gerade dabei, den Fehler des Bundesverkehrsministeriums zu korrigieren. Es geht um mehrere hundert Fälle allein an Ennepe und Ruhr.

Verärgert über Verkehrsminister

Die Mitarbeiter im Kreishaus und in der Zulassungsstelle sind derzeit nicht gut zu sprechen auf Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Unter seiner Führung wurde der neue Bußgeldkatalog mit den schärferen Sanktionierungen am 28. April erst erlassen, um ihn dann zwei Monate später wegen eines Formfehlers im Gesetz wieder zu „kassieren“. Der Bundesverkehrsminister selbst hatte die Rückkehr zum alten Bußgeldkatalog bis zur Heilung des formalen Mangels angeordnet – und beschert den Städten und Kreisen damit jetzt jede Menge Zusatzarbeit. „Was der Verkehrsminister da verzapft hat, ist alles andere als schlau gewesen“, sagt Michael Schäfer, Leiter des Fachbereiches Ordnung und Verkehr beim Ennepe-Ruhr-Kreis, hörbar gereizt.

255.000 Fahrzeuge im Kreis gemeldet

Ende 2019 waren im Ennepe-Ruhr-Kreis 255.223 Fahrzeugen gemeldet. Das ist ein Plus von 3730 Fahrzeugen (ca. 1,5 Prozent) gegenüber dem Vorjahr.

Drei von vier Fahrzeugen - exakt 199.227 - waren Personenkraftwagen. Hinzu kamen 20.493 Krafträder, 18.135 Anhänger und 10.186 Lastkraftwagen.

13.360 Neufahrzeuge erhielten im Laufe von 2019 erstmals ein Kennzeichen (2018: 12.381). Umgeschrieben wurden 46.903 Fahrzeuge (2018: 42.261).

Trotz der seit Juli 2016 geltenden Kaufprämie ist die Zahl der reinen Elektrofahrzeuge im Kreis Ende 2019 mit 577 nach wie vor sehr überschaubar. „Allerdings gilt ebenfalls: Mit 207 neuen Fahrzeugen hat diese Gruppe im letzten Jahr so stark zugelegt wie nie zuvor“, erklärte Sabine Völker, Leiterin des Straßenverkehrsamtes, zu Beginn diesen Jahres.

Darum geht es: Neben höheren Bußgeldern bei Geschwindigkeitsüberschreitungen sah der neue Bußgeldkatalog auch einen Monat Führerscheinentzug vor, wenn man innerorts 21 Stundenkilometer bzw. außerorts 26 Stundenkilometer zu schnell ist. Bei der Alt-Regelung galt dies bei Überschreitungen von 31 Stundenkilometern im Ort bzw. 41 Stundenkilometern außerhalb.

Seit Inkrafttreten der Neuregelung am 28. April wurden vom Ennepe-Ruhr-Kreis insgesamt 673 Verfahren eingeleitet, die sich an dem neuen Bußgeldkatalog orientieren. In den allermeisten Fällen handelt es sich, u.a. wegen Anhörungs- und Einspruchsfrist, um offene, noch nicht abgeschlossene Verfahren.

134 Fahrverbote

In 134 dieser Fälle wurde auch ein Fahrverbot unter den verschärften Bedingungen ausgesprochen. Auch hier handelt es sich überwiegend um noch nicht abgeschlossene Verfahren. Betroffenen wird ein Zeitraum von vier Monaten gebilligt, in dem sie ihr einmonatiges Fahrverbot „antreten“ müssen. „Es wird erst ganz wenige geben, die ihren Führerschein nach dem 28. April tatsächlich schon abgegeben haben“, erklärt Michael Schäfer, ohne die Zahl parat zu haben.

Die muss er auch gar nicht haben. Denn für die Mitarbeiter im Straßenverkehrsamt bedeutet die Rückkehr zur Alt-Regelung so oder so einen Riesenberg Mehrarbeit. Sie müssen nun alle seit Ende April ausgestellten Bescheide wieder zurücknehmen, die Vergehen gemäß dem alten Bußgeldkatalog neu bewerten und jeden Verkehrssünder noch einmal neu anschreiben. „Die Bescheide werden aufgehoben und es wird neue Bescheide geben. Der Kreis wird dabei auf die Betroffenen zugehen“, sagt Michael Schäfer. Dies gelte auch für Fahrverbote, die nach der verschärften Neuregelung beschieden wurden. Sie werden nicht vollstreckt.

Als sei dies nicht schon aufwendig genug, stellt sich dem Kreis und den Mitarbeitern im Straßenverkehrsamt eine Frage, auf die sie bisher noch keine Antwort erhalten haben. Was passiert eigentlich mit den Fällen, die bereits rechtskräftig abgeschlossen sind? Beispielsweise, wenn das Bußgeld schon bezahlt oder der Führerscheinentzug akzeptiert wurde? Der Kreis spricht von 19 Fällen allein im Zusammenhang mit dem verschärften „Fahrverbot“. „Formalrechtlich ist das ein Problem“, erklärt Michael Schäfer.

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Der Kreis hofft, vom Bundesverkehrsministerium zeitnah eine Regelung mitgeteilt zu bekommen. „Bis dahin werden wir nicht vollstrecken, und es muss auch niemand seinen Führerschein abgeben“, versichert Michael Schäfer und erklärt: „Ich kann verstehen, wenn sich Autofahrer darüber ärgern.“