Schwelm. Ein Kind hat an einem elektrischen Weidezaun in Schwelm einen leichten Schlag erlitten. Ein Zeuge sagt: kein Einzelfall, der Zaun ist gefährlich.

Und auf einen Schlag war es vorbei mit dem schönen Spaziergang durchs Grüne: Das Kind einer jungen Familie wollte am vergangenen Sonntag zwei Kühe auf einer Wiese bestaunen und ist dabei an den elektrischen Weidezaun, der unter Spannung stand, gekommen. Ein Anwohner, der die Szene mit dem schreienden Kind und den in Schrecken versetzten Eltern beobachtete, hat sich nun an die Öffentlichkeit gewandt. Er sagt, dass es an dem Zaun immer wieder zu Zwischenfällen komme und dass sich dort endlich mal was ändern muss. Doch so einfach scheint der Fall nicht zu liegen.

Der Name des Augenzeugens ist unserer Redaktion bekannt, der Ort, wo sich das Ganze zugetragen hat, auch. Da wir den Besitzer beziehungsweise Pächter des besagten Weidelandes nicht erreichen und zu dem Vorfall befragen konnten und weil es sich um eine Thematik handelt, die eher generell zu betrachten ist, wie sich im Verlauf der Recherche zeigte, hat sich unsere Redaktion entschlossen, Name und Ort zu anonymisieren. An der Relevanz des Falles ändert dies nichts.

Das ist passiert

Was genau ist am Sonntag an der Weide in Schwelm passiert? Der Augenzeuge berichtet: „Der kleine Spross entdeckte die Tiere, wurde neugierig und ging in Richtung Zaun“. Begeistert von den Rindern auf der Wiese habe er sich nach vorne gelehnt und an den Zaun gefasst, um sich festzuhalten. Doch der stand unter Strom. „Im selben Augenblick fliegt er nach hinten um und nach einer erschreckenden Sekunde Stille beginnt er zu brüllen wie am Spieß“.

Wegen kurzer Impulszeit ungefährlich

Handelsübliche Weidezaungeräte arbeiten mit 12 oder 9 Volt Spannung.

Die Berührung eines elektrischen Weidezaunes ist wegen der kurzen Impulszeit zwar unangenehm, aber ungefährlich für Mensch und Tier.

Anders sieht es aus bei unter Strom stehendem Stacheldraht, an dem man hängen bleiben kann: Kommt es zu längerem Stromkontakt (mindestens drei Sekunden) drohen Muskelverkrampfungen, was zu gesundheitlichen Problemen führen kann.

Die Eltern stehen wenige Meter von ihrem Kind entfernt und sind zu Tode erschreckt. Der Augenzeuge erzählt weiter: „Sie griffen sich ihren Schützling und entfernten sich mit dem brüllenden Kind in Richtung Parkplatz.“ Er selbst ist auch geschockt, macht sich Sorgen. „Ich kannte die Familie nicht, ich weiß nicht, wie es dem Kind jetzt geht.“

Der Augenzeuge, der ganz in der Nähe wohnt, trifft einen Entschluss. Er will den Vorfall öffentlich machen. Nicht, weil er den Weidebesitzer anschwärzen will. Das ausdrücklich nicht. Er habe auch keine Anzeige erstattet oder so, sagt er. Er möchte nur, dass sich dort an der Weide etwas ändert. Denn so, wie der Elektro-Weidezaun angelegt sei, sei das nicht ok.

Er erzählt, was er damit meint: „Der Weidepächter hat nicht wie üblich einen Draht innerhalb der Koppel gespannt und unter Strom gesetzt, sondern gleich den gesamten Zaun.“ Da komme jeder ungehindert dran. Er findet das gefährlich und fahrlässig. Betroffen sind nicht nur Menschen, wie er erzählt. „Ich gehe da öfter mit meinem Hund her. Mein Hund selbst hat sich beim Schnuppern auch schon mal einen Stromschlag eingefangen. Und wenn ich andere Hundebesitzer darauf anspreche, auch um sie zu warnen, sagen die nur: Unsern Hund hat’s auch schon erwischt“.

Das meint der Augenzeuge

Der Anwohner hat ein Bild vom besagten Weidezaun mitgeschickt. Es zeigt zwei zur Außenseite gespannte Drähte, wovon der untere unter Spannung stehen soll, und fünf auf der Innenseite, von denen zwei so angebracht sind, dass sie Strom führen können. Am Weidezaun gebe es gelbe Hinweisschilder, die deutlich machen, dass es sich um einen Elektro-Weidezaun handelt, berichtet er. Das sei so vorgeschrieben und auch richtig, erklärt der Augenzeuge, der sich ein wenig in die Materie eingelesen haben will. Was seiner Meinung nach überhaupt nicht geht: „Auf einem Abschnitt steht auch ein Stacheldraht unter Strom. Das sei verboten“.

Mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit hofft er, dass sich schnell was ändert. „Vielleicht fühlt sich irgendwer berufen von offizieller Seite dort einzugreifen. Kinder, Haustiere, Menschen mit Herzproblemen sind dort sicher sehr gefährdet.“

Das sagt die Stadt Schwelm

Die Mail des Augenzeugen, die mit „Lebensgefahr für Kinder“ überschrieben ist – eine Darstellung, die der Verfasser im Gespräch mit unserer Redaktion relativiert –, ist auch an die Stadt Schwelm gegangen. Dort hieß es, man werde dem Hinweis nachgehen und den Fall gemeinsam mit dem Veterinäramt des Ennepe-Ruhr-Kreises prüfen.

Da das Thema Elektroweidezaun ein sehr spezielles ist, könne man derzeit keine weiteren Aussagen treffen

Aussage der Landwirtschaft

Eine klare Position zur Thematik vertritt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ennepe-Ruhr/Hagen, Dirk Kalthaus aus Ennepetal. Er macht zuvorderst deutlich, dass ein Elektrozaun in erster Linie das Ausbüxen von Tieren verhindern soll, also dem Schutz des Umfeldes dient.

Dass Weiden auch vor dem Zugriff von außen geschützt würden, komme vor, wenn Landwirte oder Pächter schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Beispielsweise mit reißenden Hunden oder mit frei herumlaufenden Hunden, die auf der Weide ihr Geschäft machen, was wegen der bakteriellen Belastung des Kots zu einer ernsthaften Gefahr für Weidetiere werden kann. Dirk Kalthaus verweist auf die Anleinpflicht und dass Halter dafür verantwortlich sind, wie sich ihre Hunde verhalten. Nur, wenn es missachtet wird, würden Landwirte oder Pächter auch Drähte in Bodennähe unter Spannung setzen.

Dirk Kalthaus erklärt, dass dies vom Gesetzgeber erlaubt ist, solange sich der Zaun auf privatem Grund befindet. Er verweist auf die Pflicht zur Ausschilderung, die in diesem Fall erfüllt ist. Was den Stacheldraht betrifft, sei auch hier die Rechtslage klar. Ihn unter Strom zu setzen, sei nicht erlaubt.

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Der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes appelliert darum, beide Seiten zu sehen. „Kein Pächter setzt seinen Zaun unter Strom, um Menschen zu ärgern“, sagt er. Er hofft, dass sich die Angelegenheit im Guten lösen lässt.