Gevelsberg. Reinhold Lorch war 47 Jahre im Dienst der Stadt Gevelsberg. Für seine Zeit im Ruhestand hat er sich einiges vorgenommen.

„Wahrscheinlich wird es dauern, bis ich begriffen habe, dass ich jetzt nichts mehr mit den Technischen Betrieben zu tun habe. Das wird mir sicherlich nachhängen“, sagt Reinhold Lorch. Wenige Tage nach seinem 65. Geburtstag wurde der Betriebsleiter in den Ruhestand verabschiedet. Es sei dankbar dafür, dass er für seine Heimatstadt arbeiten durfte. Dabei hatte er für sein Leben erst andere Pläne, wurde Polizeioberwachtmeister und fand über Umwege zu seinem Traumjob.

Sie waren 47 Jahre im Dienst der Stadt Gevelsberg. Was haben Sie an Ihrem ersten Tag im Ruhestand gemacht?

Reinhold Lorch: Ich habe morgens meinen Sohn zu einer Untersuchung ins Helios gefahren und nachmittags besuchten meine Frau und ich ihr Patenkind im Krankenhaus. Also nichts Spektakuläres, aber wichtige Dinge, für die ich sonst keine Zeit gehabt hätte. Noch fühlt es sich wie Urlaub an.

Zum Abschied gab es von Ihren Kollegen unter anderem ein Gevelsberg Puzzle. Wird das Ihr neues Hobby?

Nein, das ist eher was für meine Enkel. Wir machen das dann zusammen. Insgesamt habe ich sechs. Einer ist fußballverrückt. Ich übernehme jetzt einige Fahrten zu seinem Training. Ich habe auch mal gespielt, aber nur eine halbe Saison. Es war mir auf die Dauer draußen zu kalt, dann bin ich in die Halle und habe lieber Handball gespielt. Ich freue mich darauf, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Wir haben fünf Kinder, eine große Familie. Meine Frau hat sich immer um alles gekümmert. Jetzt habe ich mehr Zeit, sie dabei zu unterstützen.

Gibt es Momente in Ihrer Arbeit, die Sie besonders in Erinnerung behalten werden?

Die Technischen Betriebe sind wie ein Gemischtwarenladen, wir arbeiten jedem zu. Ich habe also sehr viel in der Stadt mitbekommen und wir als Team waren an vielen Projekten beteiligt. Der Engelbert-Tunnel war mit das Sinnvollste, was man in Gevelsberg tun konnte. Ebenso wie der Bau der Mittelstraße, wir kümmerten uns in dieser Zeit um die Kunden und Einzelhändler, um sie bei Laune zu halten. Eine Herausforderung war auch die Gründung der Technischen Betriebe vorzubereiten. Ich war damals beim Bauamt, als die Entscheidung fiel, ein neues Unternehmen ins Leben zu rufen. Ich sollte mir dazu Gedanken machen und bin so hier gelandet. Und mehr als 20 Jahre geblieben. Es war eine tolle Zeit.

Zur Person

Reinhold Lorch war vom 1. August 1973 bis zum 30. Juni 2020 im Dienst der Stadt Gevelsberg. Er wurde am 22. Juni 65 Jahre alt und wurde nun in den Ruhestand verabschiedet.

Er ist verheiratet und hat fünf Kinder, vier davon sind Jungs. Bürgermeister Claus Jacobi lobte in seiner Verabschiedung während der Ratssitzung Lorchs „Kollegialität, seinen Fach- und Sachverstand, die gute, loyale Zusammenarbeit und sein feines Gespür dafür, was in einer Kommune gestalt- und umsetzbar ist“.

Sein Werdegang in der Stadtverwaltung: Er hat die Ausbildung für den gehobenen nicht technischen Dienst absolviert. Als Stadtinspektor war seine erste Anstellung im Haupt- und Personalamt, er wechselte in die Kämmerei und ging 1986 ins Bauverwaltungsamt. Am 1.4.1999 wurde er Leiter der Verwaltungsabteilung der Technischen Betriebe und 2005 erster Betriebsleiter.

Eigentlich wollten Sie ja zur Kripo und haben im Oktober 1971 bei der Bereitschaftspolizei in Bochum angefangen.

Ja, aber ich habe schnell gemerkt, dass das nicht mein Ding war. Ich sicherte die Straße mit ab, als der sowjetische Parteichef Breschnew zu Besuch kam, es war die Zeit von Baader Meinhof, ich war bei vielen Einsätzen, um Gebäude zu sichern. Aber ich war nicht mit allem einverstanden, mir fehlte zudem die Perspektive. Nach 22 Monaten suchte ich mir was Neues. Dann bekam ich den Tipp, mir mal die Arbeit in einer Verwaltung anzuschauen. Mich begeisterte die Vielfältigkeit und die Möglichkeiten, die sich dort bieten. Ich hatte Bewerbungen an verschiedene Städte geschickt und mehrere Zusagen erhalten. Gevelsberg war für mich die erste Wahl. Da ich nur einen Realschulabschluss hatte, musste ich zwei Jahre ein Verwaltungspraktikum machen, danach durfte ich meine Ausbildung für den gehobenen Dienst beginnen. Ich habe in verschiedenen Bereichen der Verwaltung gearbeitet. Ich war auch gerne in der Kämmerei. Da habe ich viel mitgenommen. Zahlen leben für mich, und man sieht welche Menschen und Maßnahmen dahinter stehen. Ich würde alles genau so wieder machen.

Bei der letzten Ratssitzung in der Sommerpause wird Reinhold Lorch von den Politikern verabschiedet.
Bei der letzten Ratssitzung in der Sommerpause wird Reinhold Lorch von den Politikern verabschiedet. © WP | Carmen Thomaschewski

Wie geht es mit den Technischen Betriebe ohne Sie weiter?

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Meine Stelle wird jetzt ausgeschrieben, damit Ivo Knezovic wieder jemanden an seiner Seite hat. Der Betriebshof, die Buchführung, die Verwaltung und der Bürgerkontakt sowie das operative Geschäft: Alleine die Technischen Betriebe zu führen, ist kaum zu schaffen. Wir haben schon lange eine Doppelspitze, weil es im Laufe der Jahre immer stressiger wurde, immer mehr Aufgaben hinzu kamen, die Technik gewaltig zugelegt hat. Und ganz konkret: Die Schulsanierung wird uns noch eine Weile beschäftigen. Der Stand ist besser als in vielen anderen Städten. Manch einem Gebäude sieht man aber die Jahre an. Das Thema Verkehrssicherheit wird auch immer wichtiger und ein Vielfaches an Raum bei der Arbeit einnehmen. Dann die Umsetzung des Stadtentwicklungskonzeptes. Es ist immer viel zu tun. Und wir haben ein tolles Team. Ohne das wäre ich nichts gewesen, nur gemeinsam konnten wir so viel schaffen. Ich bin ein Familienmensch und mag Harmonie. Richtig Ärger kann ich nicht vertragen. Deshalb war es mir auch bei der Arbeit wichtig, die Mitarbeiter mitzunehmen und zu fördern. So wie ich es auch in meiner Zeit in der Stadtverwaltung erlebt habe. Wir haben tolle Leute hier, ich konnte mich immer auf alle verlassen.

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Welche Projekte haben Sie sich als Privatmann vorgenommen?

Mein Sohn renoviert gerade sein Haus. Da werde ich viel mithelfen. Und natürlich habe ich viele Sachen bei mir zuhause, die immer liegen geblieben sind. Ich will mir ein E-Bike kaufen, damit meine Frau mit dem Auto weiter zur Arbeit fahren kann. Bisher konnte ich ja immer zu Fuß zur Arbeit gehen. Ich will mich aber auch mehr bewegen. Zweimal bin ich schon auf dem Jacobsweg unterwegs gewesen, in diesem Jahr wollten wir nach Portugal. coronabedingt haben wir das abgesagt. Aber nach Köln werden wir wandern. Und dann mal sehen. Was ich jetzt gut finde, dass ich entscheiden kann, was ich wann machen möchte, ohne Zeitdruck, natürlich in Abstimmung mit meiner Frau. Ich will mich nicht mehr fest an Zeiten und Vorgaben halten müssen.

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Sie sind schon seit der Kindheit in der katholischen Gemeinde Liebfrauen aktiv? Wie wichtig ist Ihnen der Glaube?

Ich bin gläubig, aber kein regelmäßiger Kirchgänger. In der Jugendgruppe der Kirche habe ich auch meine Frau Sigrid kennengelernt, 1976 haben wir geheiratet. Ich bin Gründungsmitglied der Schola Liebfrauen, das war 1963 und singe dort nicht den Bass, sondern die natürlich bessere Stimme – den Tenor. Mit diesem Spruch ärgere ich jetzt ein bisschen meine Mitsänger (er lacht). Ich bin gerne in der Kirche aktiv, in der Gemeinschaft. Ich bin auch katholisch erzogen worden. Dabei ist mein Vater Protestant gewesen und dazu auch noch vom Vogelsang, das waren für den Vater meiner Mutter beides echte Probleme. Sogar der Pastor hat nach dem Vorgespräch zur Trauung meine Mutter gefragt, ob sie sich nicht das lieber nochmal überlegen möchte.

Sie sind Gevelsberger mit ganzem Herzen, wollen Sie sich auch im Ruhestand für Ihre Stadt einbringen?

Es war für mich eine Ehre für meine Heimatstadt zu arbeiten. Ich habe an vielen Dingen mitgewirkt und konnte mich immer damit und Gevelsberg identifizieren. Ich werde jetzt aber nicht die Seite wechseln und mich politisch engagieren. Wir haben immer gut mit der Politik zusammengearbeitet und die Arbeit ist wichtig, aber ich halte mich da raus. Ich muss erstmal sehen, wie es im Ruhestand läuft. Und dann mache ich was, aber nur nach Lust und Laune. Langweilig wird mir bestimmt nicht und Gevelsberg ist mir auch weiterhin wichtig. Ich war aber nie jemand für die erste Reihe, das mag ich nicht. Ich bleibe lieber im Hintergrund.