Gevelsberg. Björn Knape ist Schornsteinfeger im Kehrbezirk Gevelsberg, Haßlinghausen und Sprockhövel. Warum es gut ist, anderen aufs Dach zu steigen.
Auch in Coronazeiten ist der Schornsteinfeger unterwegs. Denn die im Feuerstättenbescheid festgelegten Fristen sind bindend. Björn Knape (37), seit 16 Jahren Schornsteinfeger im Kehrbezirk Gevelsberg, Haßlinghausen und Sprockhövel, ist froh, seinen Beruf trotz der Krise weiter ausführen zu können – wenn auch unter entsprechenden Schutzmaßnahmen. Und er ist dankbar, dass seine Kunden ihn auch jetzt in und auf ihre Häuser lassen. Aber was macht er da eigentlich genau und wie gefährlich ist das? Wir haben nachgefragt.
Warum bringen Schornsteinfeger eigentlich Glück?
Björn Knape: Es gibt mehrere Meinungen, woher das stammt. Meiner Meinung nach am wahrscheinlichsten ist: Früher wurden alle Häuser mit Kohle und Holz beheizt. Der Hauptbaustoff dieser Häuser war Holz. Demnach konnte ein Schornsteinbrand außerordentlich fatal werden, da ein Feuer schnell auf die Nachbargebäude übergriff und viele Brände damals ganze Stadtviertel zerstörten. Die Schornsteinfeger zogen von Stadt zu Stadt und es war eher Zufall, wenn mal einer vorbeikam. Hatte dann ein Schornsteinfeger die Kamine gekehrt, war die Gefahr erst einmal gebannt.
Gelten Sie denn heute immer noch als Glücksbringer und werden unverhofft von Fremden auf der Straße umarmt?
Auf jeden Fall. Der Schornsteinfeger bringt Glück, das weiß ausnahmslos jeder. Im Allgemeinen bleibt es aber bei einem freundlichen Lächeln gepaart mit dem Ausspruch „Na da habe ich ja heute Glück!“. Gelegentlich kommt es aber auch vor, dass einem auf die Schulter geklopft wird, man am Knopf des Kehranzuges dreht, oder auch umarmt wird.
Nervt Sie das?
Nein, das nervt nie. Ich bin stolz darauf und freue mich, wenn Groß und Klein sich noch immer auf den Schornsteinfeger freuen.
Werden Sie zum Jahreswechsel besonders häufig angefasst?
Es ist mir einmal passiert, dass ich Anfang des Jahres durch Gevelsberg gelaufen bin und plötzlich hinter mir jemanden laut rufen gehört habe. Eine Frau hatte mich aus ihrem Laden heraus gesehen, hat alles stehen und liegen gelassen und musste unbedingt den Schornsteinfeger anfassen, damit er Glück fürs neue Jahr bringt.
Wollten Sie schon immer Schornsteinfeger werden?
Schornsteinfeger war zu Schulzeiten für mich absolut nicht als Beruf denkbar. Nicht aus Abneigung gegenüber dem Beruf, sondern weil ich meine Fachhochschulreife erreichen wollte. Dafür brauchte ich ein einjähriges Praktikum. Das war 2003. Mein Vater Klaus war Schornsteinfegermeister in Gevelsberg, Haßlinghausen und Sprockhövel. Weil ich mich auch bei meinem Praktikumsplatz nicht richtig entscheiden konnte, hat er vorgeschlagen, das bei einem Kollegen von ihm zu machen. Während dieses Praktikums habe ich die Vielfältigkeit des Berufs kennengelernt, konnte dann meine Lehrzeit verkürzen und habe auch sofort meinen Meister angehängt. Wenn ich zurückblicke, habe ich absolut nichts verkehrt gemacht und gehe immer noch jeden Morgen wirklich gerne aus dem Haus – außer es ist mal richtig schlechtes Wetter.
Gehen Sie denn bei schlechtem Wetter überhaupt aufs Dach?
Wir gehen bei fast jedem Wetter aufs Dach. Durch die für Dacharbeiten zwingend vorgeschriebenen Sicherheitseinrichtungen wie Leitern und Tritte ist es uns aber möglich, bei Regen, sogar bei Schnee und Eis, die meisten Dächer zu begehen.
Haben Sie ein mulmiges Gefühl, wenn Sie hinaufklettern oder denkt man da gar nicht mehr drüber nach?
Ein mulmiges Gefühl habe ich nicht. Dennoch bewege ich mich immer mit bedacht und versuche, keine Routine aufkommen zu lassen, denn ein falscher Tritt kann schnell schlimme Konsequenzen haben. Ein gutes Mittelmaß ist hier der beste Weg.
Ist schon mal was passiert, wo Sie in Ihrem Beruf selbst Glück gebraucht haben?
Leider kommen Unfälle auch bei uns im Beruf immer wieder vor. Ich habe zum Glück bisher lediglich einen Unfall gehabt, während ich versucht habe, unseren Firmenwagen aus einer Schneewehe zu befreien. Dabei habe ich mir eine mehrmonatige Knieverletzung zugezogen. Und einmal ist eine Dame gestürzt, als sie mir die Tür aufgemacht hat. Beim Auffangen habe ich mir die Wirbelsäule geprellt.
Viele setzen ja mittlerweile auf neue Heiztechniken. Was heißt das für Ihren Beruf?
Der Beruf des Schornsteinfegers ist im Prinzip schon immer im Wandel. Geht man zu den Anfängen zurück, haben wir nur den Besen geschwungen, waren ausschließlich auf den Dächern unterwegs und sind tagtäglich schwarz nach Hause gekommen. Nachdem immer mehr beratende Tätigkeiten rund um das Thema Feuerungen dazu kamen, wurden 1965 die ersten Messungen an Ölheizungen an die Schornsteinfeger übertragen. Diese Tätigkeiten werden zwar weniger, aber das Schornsteinfegerhandwerk passt sich dem an. So ist zum Beispiel das Thema Energieberatung/Energieausweise mittlerweile fester Bestandteil der Ausbildung. In meinem Kehrbezirk hat auch fast jedes zweite Haus noch eine Feuerstätte zum Heizen mit festen Brennstoffen, die dementsprechend kehrpflichtig ist. Und selbst bei den modernsten Anlagen gehört für viele Leute an einem richtig kalten Wintertag ein loderndes Kaminfeuer einfach dazu, sodass unsere namensgebenden Grundaufgaben wohl nie gänzlich verschwinden werden.
Welche Eigenschaften braucht es als Schornsteinfeger?
Man sollte kein Problem mit Höhen haben, gerne klettern und auch ein bisschen Dreck vertragen. Aufgrund der Vielfältigkeit an Themenfeldern sind Interessen in den Bereichen Technik, Physik und Chemie nicht unwichtig. Außerdem sollte man Spaß daran haben, mit sehr vielen absolut unterschiedlichen Menschen zusammen zu kommen.
Wie werden Sie nach Feierabend wieder sauber? Wie lange brauchen Sie dafür?
Zu Beginn meiner Ausbildung waren wir noch wochenlang zur sogenannten Kehrtour unterwegs. Mein Vater hatte uns in einer Firma extra eine Waschbude angemietet, damit wir mit den dreckigen Klamotten nicht zuhause duschen mussten. Jetzt dusche ich ausschließlich zuhause und bis auf ein paar Tage im Jahr, wo man sich mehrmals die Haare waschen muss und den Ruß in den Ohren sitzen hat, beschränkt es sich auf intensives Händewaschen.
Macht der ganze Ruß Sie eigentlich krank?
Nein. Durch die Weiterentwicklungen sowohl in der Heiztechnik als auch bei persönlichen Schutzausrüstungen und den Auflagen der Bau BG gibt es im Beruf des Schornsteinfegers keine anerkannte Berufskrankheit mehr.
Die da wäre?
Die meisten tippen vermutlich auf Lungen- oder Hauterkrankungen. Aber: Bis Anfang der 90er-Jahre war es tatsächlich Hodenkrebs. Durch die damals sehr rußige Arbeit hat man sich über die Bekleidung den Ruß in die Haut massiert, was diese Krankheit zur Folge hatte.
Wie lange kann man den Beruf ausüben?
Pauschal lässt sich das gar nicht sagen. Der typische Werdegang ist eigentlich, als Geselle die Meisterprüfung anzustreben, um dadurch die Voraussetzung zur Erlangung eines eigenen Kehrbezirkes zu schaffen. Wird man dann zum Bevollmächtigten ernannt, wird der Großteil der wiederkehrenden Arbeiten vom Gesellen durchgeführt. Man ist öfter mit Beratungen, Begutachtungen etc. beschäftigt und muss nicht mehr zwingend jede Kletterei selber durchführen. Ausnahmen bestätigen die Regel: Ein Bezirksmeister aus unserem Kreis hat es sich nicht nehmen lassen, bis zu seinem Ruhestand noch regelmäßig die Kehrtouren persönlich durchzuführen. Das hält auf jeden Fall fit.
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Aber Sie haben den Betrieb Ihres Vaters nicht übernommen. Warum?
Kehrbezirke werden durch die Bezirksregierung öffentlich ausgeschrieben und dann auf Grundlage von verschiedenen Kriterien wie zum Beispiel Berufserfahrung vergeben. Mein Vater ging Ende 2012 in den Ruhestand und ich bin seit März 2013 als angestellter Meistergeselle im gleichen Kehrbezirk beim bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger Michael Rimpel tätig.